Klappe auf, Kunden da: In Gelsenkirchen betreibt Ulrich Serowy einen Ruhrpott-Kiosk wie früher – mit Schiebefenster, Süßen Tüten und extrastarkem Kaffee. Nicht zuletzt die Radarfalle schräg gegenüber machte ihn stadtbekannt.
Ein kurzes Reifenquietschen, ein heller Blitz und wieder ist Gelsenkirchen um ein paar Euros reicher. In der viel befahrenen Arnoldstraße, im Ortsteil Feldmark, ist diese Szene Alltag. Ulrich Serowy hat aufgehört, die Tempoverstöße zu zählen: „An einigen Tagen sind es mehr als 15 Autos, die geblitzt werden. Und das obwohl eigentlich jeder hier den Kasten kennt.“ Eigentlich.
Schräg gegenüber betreibt der 62-Jährige gemeinsam mit seiner Frau Petra den „Kiosk am Starenkasten“. Vor drei Jahren übernahmen die beiden das Geschäft und den angeschlossenen Hermes PaketShop von den Vorbesitzern. Diese hatten sich nach über 40 Jahren für eine Geschäftsaufgabe entschieden. Für Ulrich Serowy ging ein langgehegter Traum in Erfüllung: „Ich wollte schon immer einen Kiosk eröffnen, und das hier war damals die perfekte Gelegenheit. Heute ist der Laden für mich Hobby und Spaß zugleich, hier kann ich abschalten.“ Seinen Job als Anlagenprogrammierer hat der gebürtige Gelsenkirchener zwar behalten, das Ziel aber ist klar: „Wenn ich in Rente gehe, dann will ich hier meine Bonbons verkaufen.“
Kaffeekränzchen im Pavillon
Bonbons, davon gibt es hier viele. Gleich hinter dem alten Schiebefenster türmen sich Unmengen an Süßigkeiten in orangefarbenen Plastikschütten. Saure Fäden, Lakritzschnecken, Cola-Flaschen, lediglich Brause-UFOs mussten die Serowys aus dem Programm nehmen. „Läuft nicht mehr“, sagt Ulrich Serowy und verweist auf den beständigen Sortimentswechsel: „Man muss am Puls der Zeit bleiben und aufpassen, was die Leute wollen. Wenn mir heute ein kleiner Junge von neuen, superleckeren Bonbons erzählt, dann versuche ich die morgen im Großmarkt zu bekommen. So funktioniert Kundenbindung.“ Bier und anderen Alkohol verkauft er allerdings bewusst nicht: „Das bringt uns nur Ärger und schlechtes Image. Darauf habe ich keine Lust.“
Vielleicht auch deshalb sind Ulrich und Petra Serowy heute mit vielen Menschen per Du, selbst mit dem Bürgermeister und der Lokalpolitik. Sogar Fernseh- und Radiosender waren schon da und berichteten groß über den „Kiosk am Starenkasten“. Längst sind die Serowys stadtbekannt – und trotzdem immer für einen Plausch zu haben. Die Menschen in der Feldmark danken es Ihnen: Werktags zwischen 5 und 22 Uhr besuchen bis zu 600 Kunden täglich den kleinen Kiosk. Für viele ist der kleine Laden zum unverzichtbaren Nahversorger und sozialen Treffpunkt avanciert. Davon zeugt auch der Pavillon samt Campingsitzgruppe, die direkt neben dem Laden steht. Einmal im Monat organisieren die Nachbarn hier ein großes Kaffeekränzchen – mit selbstgebackenem Kuchen und eigener Kaffeekasse. Gleich neben dem Bürgersteig, gegenüber der Radarfalle. Mitten im Pott.
Micky-Maus statt Badestrand
„Das Erfolgsrezept des Ladens sind unsere Mitarbeiterinnen“, erklärt Ulrich Serowy. „Die kommen alle aus der Region, haben in der Gastronomie gearbeitet und wissen mit Kunden umzugehen. Darauf kommt es an, das lieben die Leute.“ Drei Mitarbeiterinnen beschäftigen er und seine Frau heute – und können sich daher trotz des eigenen Geschäfts regelmäßig Urlaub leisten. Besonders oft ging es zuletzt nach Frankreich. Aber nicht nach Paris oder an die Côte d’Azure, wie der bekennende Schalke-Fan klarstellt: „Ich liebe Disneyland, schon 27-mal war ich da. Manch einer mag das belächeln, aber für mich ist das Urlaub.“
Zunächst aber macht er Feierabend. Kurz nach 17 Uhr ist es jetzt, eine Mitarbeiterin wird die Spätschicht übernehmen – und erst in fünf Stunden die Luke schließen. Draußen blitzt derweil erneut der Starenkasten. Roter Golf, Dortmunder Kennzeichen. Alltag in der Arnoldstraße.