Papier, Pappe, Karton, Plastik und Kunststoff: Laut Umweltbundesamt produzieren wir Deutschen jährlich knapp 19 Millionen Tonnen Verpackungsmüll. Das entspricht einem Pro-Kopf-Verbrauch von etwa 230 Kilogramm – Tendenz steigend. Die Deutsche Umwelthilfe appelliert an die Bundesregierung, diese Zahlen bis 2025 zu halbieren. Weitere Forderungen lauten: Eine Mehrwegquote von 70 Prozent im Verpackungsgesetz und die Einfuhr einer „Plastiksteuer“ für Unternehmen. Ein Punkt, der vor allem Händler*innen im boomenden E-Commerce teuer zu stehen kommen könnte – ein Großteil der Online-Bestellungen, vor allem im Fashion-Bereich, sind aus Hygienegründen in Plastik eingeschweißt, was oft auch das Retourenmanagement erschwert. Der Wille zu mehr Nachhaltigkeit ist im Jahr 2022 zwar fester Bestandteil in der Business-Strategie vieler Retailer. Beim Thema Verpackungen gibt es aber noch Luft nach oben, da beliebte Nachhaltigkeitszertifikate bislang primär auf CO2-Ausstoß in der Lieferkette zurückgehen.
Wie sieht die perfekte nachhaltige Versandverpackung aus?
Ob Kunststoff besser als sein Ruf ist und an welchen Alternativen geforscht wird,
darum geht es in der neuen Folge von „Lieferzeit. Der Logistik-Podcast“:
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Spargel, Gras und Holz als Ersatzmittel für Papier
„Papier oder Karton als Verpackungsmaterial hat grundsätzlich viele Vorteile: Es bindet CO2 beim Wachsen. Das Material ist gut recycelbar und besteht aus einer Faser, die man 20 bis 30 Mal wiederverwenden kann. Viele Kund*innen nutzen diese bereits als Mehrwegverpackungen“, sagt Sven Sängerlaub, Professor für Verpackungstechnik an der Hochschule München. In den vergangenen Jahren hat man in der Forschung zudem versucht, die Verpackung stärker an das zu schützende Produkt anzupassen, etwa per Laser-Plotter, die für eine genaue Passform sorgen. In der Umsetzung erweist sich dieser Ansatz oft noch als zu langsam, um in einer eng getakteten Produktion eingesetzt zu werden. Der Fokus geht daher vermehrt auf Materialien, die eine gute CO2-Bilanz haben, gleichzeitig aber den robusten Gegebenheiten der KEP-Branche standhalten können.
An der Hochschule München wird mit Stroh, Holz und Gras als Ersatzmittel für Papier experimentiert. Hinzu kommen Fasern aus Spargel, die in das Verpackungsmaterial eingearbeitet werden, um den Packungsinhalt vor Feuchtigkeit, Schmutz oder Stößen zu schützen. Ist die Lieferkette etwas länger, also interkontinental, sind sogar Insekten ein Problem, die die Sicherheit einer Verpackung beeinträchtigen könnten. Da Papier allerdings zu 80 Prozent aus recyceltem Material besteht, hat es per se eine gute Klimabilanz. Der ursprüngliche Rohstoff, der etwa in Europa genutzt wird, besteht aus Abfallresten der Holzwirtschaft. Gerodete Bäume dienen somit nicht primär der Papierproduktion, sondern der Bauindustrie. Aus dem, was nicht gebraucht wird, macht man Papier.
Verpackung ist ein Teil des Produkts und des Marketings
„Man arbeitet ganz stark an Beschichtungen, die biologisch-basiert sind und die klassischen Kunststoffe ersetzen sollen. Hierbei wird versucht, nachwachsende Rohstoffe zu nutzen, statt Erdöl oder Erdgas, da diese endliche Ressourcen sind. Wenn man sie fördert und verbrennt, dann steigt das CO2 in der Luft. Ebenso spannend: Wir arbeiten an Pilzen, die eines Tages als Polstermaterial zum Einsatz kommen sollen“, sagt Sven Sängerlaub.
Eine perfekte Verpackung in puncto Nachhaltigkeit gibt es noch nicht, dafür sind die Produktgruppen bislang noch zu unterschiedlich. Immer mehr Hersteller*innen und Retailer gehen aber dazu über, die Verpackung als Teil der Vermarktungsstrategie einzustufen. Um Kund*innen für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren, wird mit verschiedenen Verpackungsmaterialien experimentiert, um für eine entsprechende Awareness zu sorgen. „Man muss die Kund*innen ansprechen und das kommunizieren. Die Verpackung muss oder sollte in das gesamte Marketingkonzept integriert werden, weil wir wissen: 70 Prozent der Kaufentscheidung laufen unbewusst ab, und da spielt die Verpackung eine große Rolle. Durch die Gesamtintegration werden die Kund*innen auch eher eine nachhaltige Verpackung annehmen. Und das kann eben auch mal Produkt sein, was weniger stark verpackt ist, wenn es entsprechend gut kommuniziert wird“, sagt Sven Sängerlaub.