Schon in fünf Jahren sollen die ersten Roboterautos über die Straßen anrollen. Die Branche verspricht sich davon eine Entlastung des Verkehrs und deutlich weniger Unfälle durch menschliches Versagen und eine autonome Logistik.
Kein Lenkrad, kein Gaspedal, keine Bremse – das soll ein Auto sein? Ohne die herkömmlichen Bedienelemente drehte der Prototyp des kugeligen Google Cars im vergangenen Jahr seine Runden in Kalifornien. In diesem Jahr gibt der Internet-Konzern so richtig Gas und lässt gleich 150 Testfahrzeuge seines selbstfahrenden Autos in Amerikas einstiger Auto-Hauptstadt Detroit bauen. Der Grund für die Hektik: Schon in fünf Jahren sollen die Roboterautos in den USA fest zum Straßenbild gehören. Kalifornien, Florida und Nevada haben das Verkehrsrecht bereits angepasst.
In Deutschland ist man noch nicht so weit. Selbstfahrende Autos gelten in der Automobilbranche als eine der wichtigsten Entwicklungen der Zukunft. Mercedes, BMW, GM, Toyota, Volvo, Ford, VW – alle arbeiten am Auto der Zukunft, das längst zum rollenden Computer mit dutzenden Sensoren geworden ist. Kein Wunder, dass auch die Technikkonzerne Google und Apple in diesen Markt einsteigen wollen. Googles Chef-Entwickler Sebastian Thrun hat ein ganz persönliches Interesse an den Roboterautos. Der aus Solingen stammende Stanford-Professor ist eine Koryphäe in den Fachbereichen Robotik und Künstliche Intelligenz. Mit 18 verlor er seinen besten Freund durch einen Autounfall, seit dem treibt ihn die Vision einer Welt ohne Verkehrsunfälle an. „Millionen junger Menschen kommen jährlich durch Fahrerfehler ums Leben. Das kann nicht mehr passieren, wenn eine Maschine das Fahren übernimmt!“, glaubt er. Weniger Unfälle, weniger Stress und weniger Monotonie erwarten nach Ergebnissen der „Mobilitätsstudie 2015“ des Automobil-Zulieferers Continental tatsächlich die meisten Fahrer in Deutschland wie auch in den USA.
Fahrgäste kommunizieren mit ihrem Auto über Berührung
Die Roboterautos kommunizieren miteinander und mit ihrer Umwelt: mit entsprechend ausgerüsteten Ampeln, Straßenmarkierungen an Kreuzungen oder Verkehrsschildern. Kameras hinter dem Rückspiegel haben die Fahrbahnmarkierung ständig im Blick. Radar-Sensoren tasten permanent die Umgebung ab, Computer berechnen den Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Auto. Das auf der diesjährigen Elektronikmesse CES in Las Vegas präsentierte Mercedes Forschungsfahrzeug F 015 Luxury in Motion warnt die Fußgänger mit einem Lasersystem und projiziert ihnen einen stilisierten Zebrastreifen auf den Asphalt. Die Passagiere nehmen in dem Fahrzeug auf vier geräumigen Drehsesseln Platz, während ihr Flitzer sie ans Ziel bringt. Die Fahrgäste kommunizieren mit ihrem Auto über Displays mit Hand- und Augenbewegungen oder durch Berührung. Knöpfe und Schalter sucht man vergebens. Anders als das Google Car hat der Mercedes-Prototyp noch ein Lenkrad. Aus rechtlichen Gründen müssen in Deutschland wie in zahlreichen anderen Ländern die Fahrer vorerst die Herren im Auto bleiben. So hat auch bei Audis Entwicklung „Jack“, einem speziell ausgerüsteten A7, das Lenkrad noch seinen angestammten Platz. Ganz ohne Menschenhand am Lenker legte es weite Teile der 900 Kilometer vom Audi-Entwicklungslabor im Silicon Valley nach Las Vegas zur CES zurück.
Weniger Spritverbrauch im Windschatten
Vor allem die Logistikbranche beobachtet die Entwicklung interessiert. In Großbritannien wird ein System getestet, bei dem mehrere Lastkraftwagen über eine WiFi-Verbindung und Infrarotsensoren zu einer Kolonne verbunden werden. Die einzelnen Fahrzeuge fahren in einem festen Abstand hintereinander her und folgen den Manövern des Führungs-Lkws. Neben weniger verstopften Straßen versprechen sich die Experten von der Gemeinschaftstour auch eine Verringerung des Spritverbrauchs um etwa 10 Prozent durch das Fahren im Windschatten. Vieles ist theoretisch schon möglich, doch in der Praxis einfach noch nicht umsetzbar. Autonome Fahrzeuge werden an logistischen Knotenpunkten wie Häfen und Distributionszentren schon eingesetzt. Schwierig wird es, wenn der Fahrer beispielsweise nicht nur die Endzustellung einer Ware übernommen hat, sondern auch Montagearbeiten durchführen soll. Da stoßen Maschinen an ihre Grenzen.
Dennoch lautet die Frage längst nicht mehr ob, sondern wann die Roboterautos kommen. Hierzulande hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt Teile der A9 in Bayern – sie verbindet die Autostädte Ingolstadt und München – für das Pilotprojekt „Digitales Testfeld Autobahn“ freigegeben, auf denen zunächst Autos mit Assistenzsystemen und künftig auch vollautomatische Autos unterwegs sein sollen. Viel zu wenig, finden Experten wie Prof. Dr. Stefan Bratzel, Direktor Center of Automotive Management (CAM) an der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach: „Dieser Mega-Trend wird die Branche grundlegend verändern“, erklärt er. „Warum sollten die Stuttgarter oder Wolfsburger nicht auch ihre Teststrecke bekommen?“
Die Deutschen wollen den Fahrspaß noch nicht abgeben
Doch wollen die fahrbegeisterten Deutschen überhaupt das Steuer aus der Hand geben? Das fragte die Münchner Leasinggesellschaft Leasetrend im März für ihre Studie „Was Autokäufer wollen“. Ergebnis: Über die Hälfte der 1.000 befragten Käufer ist noch nicht sonderlich davon begeistert, den Fahrspaß an das Auto abzugeben, fast jeder Zweite fühlt sich dadurch sogar in seiner persönlichen Freiheit beschnitten. „Es wird langsame Anpassungsprozesse geben“, glaubt Auto-Experte Bratzel. Wie er geht auch der Leipziger Trendforscher Sven Gabor Janszky von 2b AHEAD von einer zweistufigen Einführung der Roboterautos in den Massenmarkt aus: „In fünf Jahren werden sie in nicht komplexen Situationen das Fahren übernehmen, etwa in Staus oder auf der Autobahn“, sagt er. Im Grunde ist dies eine Weiterentwicklung dessen, was mit Oberklassewagen schon möglich ist. Bis 2025 sollen Roboterautos auch hierzulande völlig autonom über die Straßen rollen. „Vorreiter werden Fahrdienste in abgeschlossenen Gebieten für den Transport von Personen oder Gütern sein, in denen die Fahrsituation nicht so komplex ist wie im Straßenverkehr. Oder bei Taxis und Lieferdiensten“, erklärt Trendforscher Janszky. Computergesteuert tragen sie dazu bei, den drohenden Verkehrskollaps in den Städten zu vermeiden.
Bis dahin muss nicht nur ein neues Regelwerk zum Straßenverkehr her. Auch das Thema Datenschutz ist nicht ohne, denn die gesammelten Daten im vernetzten Auto müssen vor Hackern geschützt und die Fahrer darüber informiert werden, welche Daten gespeichert werden und wer Zugriff darauf hat. Zu klären ist auch die Haftungsfrage: Wer wird zur Verantwortung gezogen, wenn das Roboterauto einen Unfall baut – der Besitzer, der Auto- oder der Softwarehersteller?
Und was passiert mit dem guten, alten Auto mit Lenkrad, Gaspedal und Bremse? „Spätestens in 15 Jahren wird es wieder genau das sein, was es früher einmal war: ein Freizeit- und Luxusvergnügen“, ist Auto-Professor Bratzel überzeugt. „Wer Lust hat, holt es aus der Garage und fährt es aus. Die alltäglichen Fahrten von A nach B übernehmen die Roboterautos.“