Stressige Arbeitsbedingungen, schlechtes Image, geringe Wertschätzung: Der LKW-Fahrer gehört zu einer aussterbenden Berufsgruppe. Aktuellen Studien zufolge werden bis zum Jahr 2022 bundesweit bis zu 150.000 Berufskraftfahrer fehlen, während die Zahl der Straßentransporte im Zuge des Booms im E-Commerce immer weiter wächst. Um dem aktiv entgegenzuwirken, hat die Logistik-Initiative Hamburg (LIHH) die Initiative „FairTruck“ ins Leben gerufen. Sie wurde heute auf einer Pressekonferenz im Rahmen des BVL-Kongresses in Berlin vorgestellt. Was sich hinter „FairTruck“ verbirgt und was die am Projekt Beteiligten erreichen wollen, erklärt Werner Gliem, Geschäftsführer der Logistikinitiative in Hamburg.
Herr Gliem, was genau ist die FairTruck Initiative?
Gliem: FairTruck ist ein Siegel, mit dessen Erwerb sich Unternehmen zu einem fairen Umgang mit Berufskraftfahrern verpflichten. Das Siegel steht allen Marktteilnehmern offen und wird auf eine Selbstverpflichtung des Partners hin vergeben.Um die Glaubwürdigkeit dieser freiwilligen Selbstverpflichtung zu gewährleisten und die Einhaltung der in einem Codex festgehaltenen Grundsätze regelmäßig zu überprüfen,hat die Logistik-Initiative Hamburg eine Plattform geschaffen, in der Berufskraftfahrer/innen die Möglichkeit haben,die gemachten Angaben – für den FairTruck-Partner anonym – zu bewerten, bzw. sich – im Falle von Verstößen – zu beschweren. Möglich ist dies über ein Internet-Portal, über eine Smartphone App sowie telefonisch.
Was möchten Sie damit erreichen? Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell?
Gliem: Die schwierigen Arbeitsbedingungen der Berufskraftfahrer/innen sorgen nicht nur für ein schlechtes Image des Berufs und der Branche, sondern auch für niedrige Bewerberzahlen, hohe Abbrecherquoten bei Ausbildung und Umschulung sowie für eine ausgeprägte Fluktuation des Personals in den Betrieben. Angesichts der Überalterung der Fahrer werden bis 2022 allein in Deutschland 150.000 Berufskraftfahrer fehlen, wenn die ausscheidenden Mitarbeiter nicht ersetzt werden können. Mit der Entwicklung und Einführung von FairTruck soll das Berufsbild attraktiver, sollen für Berufskraftfahrer/innen merklich verbesserte Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Für die FairTruck Partner erwarten wir eine effektivere Rekrutierung und eine langfristige Bindung von Berufskraftfahrern.
Ein weiteres Ziel ist es, durch FairTruck ein öffentliches Bewusstsein für den Wert von Transport und Logistik zu schaffen bzw. zu erhöhen und damit langfristig einen Imagewandel des Berufsstands herbeizuführen. Damit verbunden ist die Vision, dem Konsumenten zu ermöglichen, fair transportierte und als solche gekennzeichnete Waren zu erwerben.
Ein gemeinsamer Codex bildet das Herzstück der Initiative. Was sieht dieser vor?
Gliem: Der Fair-Truck-Codex beinhaltet die Verpflichtung zu partnerschaftlichem, freundlichem Umgang und zu einer angemessenen Entlohnung. Gesundheitsschädigende Tätigkeiten sind nicht Teil des Jobs, die Sicherheit bei Arbeitsbedingungen und Fahrzeugen stehen im Vordergrund. Ebenso verpflichtet sich der Partner zu Aus- und Weiterbildung, aber auch nachhaltiges Handeln und offene Kommunikation sind Teil des Codex‘.
Der Prozess soll bundesweit aufgesetzt werden. Was sind die nächsten Schritte?
Gliem: Unser Ziel ist: mindestens bundesweit. Selbstverständlich können auch international agierende Unternehmen FairTruck-Partner werden. Die nächsten Schritte werden sein, zunächst weitere Partner zu finden, die wichtigen Verbände ins Boot zu holen und die Bundesregierung auf uns aufmerksam zu machen. Darüber hinaus gibt es eine große Anzahl interessierter Multiplikatoren und Plattformen, deren Angebote zu FairTruck passen. Mit ihnen sprechen wir über Möglichkeiten der Kooperation.
Wie haben Sie Ihre Partner ausgewählt – was hat sie überzeugt?
Gliem: Alle Partner der ersten Stunde sind mit dem Herzen dabei und mussten nicht überzeugt werden. Gemein ist ihnen, dass sie alle ihre Fahrer für das wichtigste Gut halten, und dass sie erwarten, durch die Bewertungen etwaige Schwächen abstellen zu können. Es haben darüber hinaus weitere Unternehmen hohes Interesse an FairTruck gezeigt, die sich gut vorstellen können, nach der Startphase einzusteigen.
Hermes unterstützt Initiative von Anfang an
Hermes ist eines von vier Partnerunternehmen, die die Initiative von Anfang an unterstützen. Als Partner von FairTruck verpflichtet sich Hermes u.a. dazu, seinen Fahrern gegenüber einen Katalog an Fairness-Kriterien einzuhalten, der über eine Bewertungsplattform im Internet (www-fair-truck.de) fortlaufend kontrolliert wird – durch die Fahrerinnen und Fahrer selbst. Über eine App können Berufskraftfahrer ihren Arbeitgeber und ihr Arbeitsumfeld anonym bewerten.
Hermes Operations Geschäftsführer Dirk Rahn kommentiert:
„Wir unterstützen FairTruck, weil es aus unserer Sicht die erste firmenunabhängige und bundesweite Maßnahme ist, die geeignet ist, zu einem attraktiveren Berufsbild für LKW-Fahrer beizutragen und dem Fachkräftemangel nachhaltig zu begegnen. Als einer der führenden Logistikunternehmen in Europa ist es für uns selbstverständlich, Verantwortung für alle Menschen zu übernehmen, die entlang unserer Supply Chain für uns tätig sind und jeden Tag dafür Sorge tragen, dass der moderne Handel funktioniert.“