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Frauen in der Logistik: Im Lager oder am Lkw-Steuer: Frauen für klassische Männerjobs dringend gesucht

Auf der Straße fühlt sich die Hermes PaketShop-Fahrerin Jutta Kolassa wohl. (Foto: Hermes)

Für traditionell männlich besetzte Stellen ist es häufig immer noch schwierig, potenzielle Bewerberinnen zu gewinnen. Einige Logistikunternehmen machen vor, wie die Arbeit im Lager oder auf dem Lkw für weibliche Mitarbeiter attraktiver werden kann.

Jutta Kolassa ist Zustellerin. Ihr Arbeitstag beginnt um 5:15 Uhr. Sie setzt sich in ihr Auto und fährt zur Hermes Niederlassung Köln. „Dort bin ich immer die erste, ich bereite schon mal einige Sachen vor und lege die Stundenzettel hin, damit die Jungs sich eintragen können“, sagt Kolassa. „Die Jungs“, das sind ihre Kollegen. Unter lauter Männern gibt es hier nur zwei Frauen: Eine Kollegin arbeitet im Büro, Jutta Kolassa fühlt sich auf der Straße wohler. Gegen sieben Uhr packt sie die Päckchen und Pakete in ihren Transporter und braust eine knappe Stunde später vom Hof.

Im Raum Köln-Bonn beliefert Kolassa die PaketShops, mit Zustellungen und Retouren bewegt sie im Schnitt etwa 450 Pakete am Tag. Wenn es hoch her geht, können es auch mal 700 sein – und nicht alle sind leicht. „Man muss körperlich schon fit sein, um das zu schaffen“, sagt sie. „Es wäre schön, wenn hier mehr Kolleginnen wären, aber es gibt nicht so viele, die das machen wollen.“

Nicht nur wegen der schweren Pakete. „Man muss sich als Frau schon den Respekt erarbeiten und dazu auch mal die Ellenbogen ausfahren“, sagt Kolassa. Dazu gehöre, sich nicht jeden Spruch gleich zu Herzen zu nehmen, sondern sofort schlagfertig zu kontern: „Ich habe auf dem Bau gelernt, da lernt man auch das. Und bis einem Mann dann der nächste Spruch einfällt, bin ich schon längst durch die Tür.“

Frauen arbeiten meist in klassischen Bürojobs

Der gelegentlich raue Umgang in der traditionellen Männerbranche scheint potenzielle Bewerberinnen immer noch abzuschrecken. Bundesweit sind Frauen in vielen Ausbildungsberufen der Logistik noch klar in der Minderheit. Laut der Untersuchung „Berufliche Bildung“ des statistischen Bundesamtes lernten im Jahr 2016 insgesamt 21.753 Männer den Beruf „Fachkraft Lagerlogistik“ – dem standen nur 2.979 Frauen gegenüber.

Immerhin liegt der Frauenanteil in der Logistik insgesamt bei knapp 40 Prozent. Doch die meisten Mitarbeiterinnen sind in den klassischen Bürojobs, etwa in der Personalabteilung, im Controlling oder im Einkauf zu finden. Im Lager oder auf den Transportern und Lkws sind Frauen dagegen rar. Dabei ist die Branche auch hier auf weibliche Arbeitskräfte dringend angewiesen. Schließlich bringt die Diversität in Teams klare Vorteile: In einer Befragung der Bundesvereinigung für Logistik (BVL) 2012 hielten es vier von fünf befragten Logistikern für wichtig, dass Frauen und Männer im Unternehmen zu gleichen Teilen vertreten sind. Ein ausgewogeneres Betriebsklima und bessere Kommunikation seien die Folge.

Logistiker können Ausbildungsplätze nicht besetzen

Ein höherer Frauenanteil könnte zudem dazu beitragen, den Fachkräftemangel in der Logistik zu bewältigen: Eine BVL-Studie ergab im Jahr 2017, dass es 46 Prozent der befragten Unternehmen an Fahrern und Zustellern fehlt, 41 Prozent mangelt es an Disponenten und 38 Prozent finden nicht genug Mitarbeiter für das Lager. Mehr als ein Drittel der Logistikunternehmen können nicht alle ausgeschriebenen Ausbildungsplätze besetzen.

Doch das Image der Branche, die oft noch männlich geprägten Strukturen und die körperliche Arbeit schrecken viele Frauen ab. Die finanziellen Anreize erscheinen dagegen zu gering: Das Logistik-Jobportal Birdiematch hat bei der Auswertung von Daten seiner Mitglieder im Januar 2018 herausgefunden: Frauen verdienen in den meisten Positionen weniger als Männer – anders ist das bislang nur auf wenigen Arbeitsplätzen, etwa bei Sachbearbeiterinnen oder Einkäuferinnen.

Die Branche wirkt dem bislang nur wenig entgegen. Spezielle Förderprogramme für Frauen in den Ausbildungsberufen der Logistik gibt es bei der Masse der Unternehmen nicht. Dabei lohnt sich ein solches Engagement: So hat etwa der Hamburger Hafenlogistiker HHLA durch die gezielte Ansprache von Frauen und intensive Präsenz in Schulen wie auf Jobmessen den Anteil der weiblichen Auszubildenden im Jahr 2018 auf 40 Prozent gesteigert – 2013 waren es noch 20 Prozent, 2008 nur zehn Prozent.

Mit dem Mentoring-Programme „Flash@hermes“ vernetzen sich bei Hermes weibliche Führungskräfte, die sich regelmäßig treffen und jüngeren Kolleginnen als Mentoren zur Verfügung stehen und sie bei ihrer beruflichen Entwicklung unterstützen.

Einen fachlichen und persönlichen Austausch bietet auch die branchenweite BVL-Initiative „Ladies in Logistics“. Bislang werden aber nur wenige Frauen in Ausbildungsberufen erreicht. „Uns wären auch Azubis herzlich willkommen, aber in den Unternehmen werden unsere Einladungen leider oftmals nicht weitergegeben“, sagt Karen Klement, die Repräsentatin der BVL-Initiative in Südbayern. Durch Präsenz, zum Beispiel beim Deutschen Logistikkongress, will die Initiative möglichst viele Firmen dafür sensibilisieren, ihr Engagement auszubauen. „Letztlich sind sie es, die etwas für Frauen anbieten müssen“, sagt Klement.

Intensive Betreuung für Quereinsteigerinnen

Bei Reinert Logistics hat man das schon vor einigen Jahren erkannt. Der Dienstleister aus dem sächsischen Schleife wirbt seit 2015 mit dem Programm „Women behind the Wheel“ für mehr Frauen am Lkw-Steuer: „Der Fahrermangel ist ein eklatantes Problem“, sagt Unternehmenssprecher Markus Röhl: Schließlich gingen bundesweit derzeit Jahr für Jahr rund 45.000 Fahrer in den Altersruhestand, während nur rund 10.000 Auszubildende anfingen, von denen im Schnitt lediglich 3.500 in im erlernten Beruf blieben.

Weil immer noch 90 Prozent der Fahrer Männer sind, spricht Reinert Logistics gezielt Frauen an, um sie für diesen Beruf zu begeistern. Lkw-Rennfahrerin Stephanie Halm steht für das Projekt Pate. Das Unternehmen bietet Berufsanfängerinnen ebenso wie Quereinsteigerinnen eine intensive Betreuung und finanzielle Unterstützung beim Erwerb des Führerscheins an. Und Reinert stellt sich auf die spezifischen Belange von Frauen ein: „Wir versuchen ganz gezielt, weibliche Fahrer im Regional- und Linienverkehr mit klarem Schichtbeginn und Schichtende einzubinden, damit die Arbeitszeiten kinder- und familienfreundlicher werden“, so Röhl.

Der Einsatz zeigt erste Erfolge: Zum Projektstart 2015 gab es bei Reinert acht Fahrerinnen, inzwischen sind immerhin 22 der 1.050 Lkw-Lenker weiblich. „Es hat sich schon etwas verändert, aber der Anstieg ist noch nicht so hoch, wie wir uns das wünschen“, sagt Röhl. Das Unternehmen sucht jetzt unter anderem verstärkt nach Kunden, die mit familienfreundlich planbaren Touren versorgt werden können. Dafür sollen dann gezielt Fahrerinnen angeworben werden. Und zu den „Pilotencoaches“, die bei Reinert an der Ausbildung neuer Fahrer beteiligt sind und mitentscheiden, wer eingestellt wird, gehört seit März auch erstmals eine Frau.

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