Die Logistik gilt nach wie vor als Männerdomäne. In unserer Serie „Frauen in der Logistik“ stellen wir regelmäßig Mitarbeiterinnen aus den unterschiedlichsten Bereichen vor. Diesmal: Fenna Luhmann, Managerin Service Automation im Team Customer Service.
Hallo Fenna, du bist Managerin Service Automation im Team Customer Service. Was bedeutet das genau?
Fenna Luhmann: Ich arbeite seit 2022 bei Hermes Germany und bin verantwortlich für die Automatisierung von Kundenanfragen. Dafür haben wir einen Voice- und Chatbot, der im Dialog auf die Fragen antwortet. Unser Chatbot „Bo“ ist seit fünf Jahren live auf unserer Website, den telefonischen Voicebot gibt es seit zwei Jahren.
Was genau ist deine Aufgabe?
Fenna Luhmann: Im Fokus steht für mich, dass der Bot funktioniert, um die Fragen der Kund*innen bestmöglich beantworten zu können. Für mich ist dabei wichtig: Wird den Leuten wirklich geholfen? Ich prüfe also stets, ob die Texte verständlich und zielführend sind. Mein Team und ich nehmen ständig Stichproben und schauen, ob der Dialog zufriedenstellend war und welche Verbesserungen wir vornehmen müssen. Unser Ziel ist es, Automatisierungen immer weiterzuentwickeln, um es den Kund*innen leichter zu machen.
Komplexes Dialogsystem steckt dahinter
Die meisten Kund*innen stellen wahrscheinlich die Frage, die einfach klingt, aber komplex zu beantworten ist: „Wo ist mein Paket?“
Fenna Luhmann: Richtig. In den vergangenen fünf Jahren haben wir mit unserem Chatbot ein sehr komplexes Dialogsystem entwickelt, das aus verschiedenen Pfaden und Optionen besteht, die ein Gespräch darstellen. Die Frage „Wo ist mein Paket?“ lässt sich nicht pauschal beantworten, da man viele Informationen braucht: Wo wurde das Paket zuletzt gescannt? Welche Möglichkeiten können wir den Kund*innen anbieten? Wie groß ist das Paket? Welche Optionen haben die Auftraggeber gebucht? Wir können nicht jede Frage beantworten mit „Buchen Sie eine Umleitung an einen PaketShop“. So einfach ist es nicht.
Wie läuft denn so ein Gespräch ab? Angenommen, ich warte seit zwei Wochen auf ein T-Shirt aus einem Münchener Online-Shop, das zu mir nach Hamburg geschickt werden soll und ich frage den Chatbot: „Wo ist mein Paket?“
Fenna Luhmann: Der Bot prüft zunächst den aktuellen Sendungsstatus anhand von Daten im Track-&-Trace-System. Jedes Mal, wenn die Sendung gescannt wird, fließen die Sendungsinformationen gebündelt zusammen. So lässt sich also ermitteln, ob das Paket unterwegs ist oder eventuell noch gar nicht an uns übergeben wurde, weil es beim Auftraggeber bearbeitet wird. Hängt es irgendwo fest? Ist es verspätet? Gibt es Probleme mit der Zustellung oder mit der Adresse? Diese Informationen teilt der Bot den Kund*innen mit. Je nach Sendungsstatus gibt es einen zweiten Schritt, der eingeleitet wird. Heißt es etwa „Wir konnten deine Adresse nicht finden“, gibt es die Möglichkeit, dass man die Sendung an einen PaketShop umleiten kann. Es gibt aber auch stets die Möglichkeit, mit Kolleg*innen aus dem telefonischen Kundendienst zu sprechen. Für uns ist das ein wichtiger Faktor: Dass wir trotz aller Automatisierungen auch den Kontakt zu echten Menschen herstellen können, wenn es den Wunsch gibt.
Self-Service und Verständnisfragen sind häufig
Haben eure Voice- und Chatbots viel zu tun? Wie viele Anfragen kommen wöchentlich bei euch rein?
Fenna Luhmann: Etwa 100.000 bis 200.000 Kontakte pro Woche. Manche fragen etwa: „Ich verstehe den Sendungsstatus nicht. Können Sie mir das genauer erklären?“ Ein anderes Beispiel: Eine Kundin wird per E-Mail benachrichtigt, dass ihr Paket am nächsten Tag zugestellt wird. Was kann sie tun, wenn sie weiß, dass sie nicht zu Hause sein wird? Es geht daher auch oft um Self-Service und Verständnisfragen.
Viele Unternehmen belassen es dabei, ein FAQ mit den wichtigsten Kundenanfragen und -antworten auf ihre Website zu stellen. Würde das nicht reichen?
Fenna Luhmann: Nein, ich finde, da muss man unterscheiden. Ein FAQ macht Sinn, wenn Algorithmen ermitteln, dass über Suchmaschinen häufig die gleichen Fragen gestellt werden, die man sachlich beantworten kann. Ein Chatbot bringt eine ganz andere Qualität in den Dialog mit den Kund*innen und kann sie anders abholen als Fragen und Antworten, die auf einer Schlagwortsuche basieren. FAQs sind am Ende des Tages auch nur „Frequently Asked Questions“ und nicht spezifische Fragen, die ein Chatbot eventuell besser beantworten kann.
Wie messt ihr die Zufriedenheit eurer Kund*innen? Oder anders: Woher wisst ihr, dass „Bo“ gute Arbeit leistet?
Fenna Luhmann: Am Ende eines Dialogs mit „Bo“ gibt es die Möglichkeit, diesen zu bewerten. Diese Funktion wird von unseren Kund*innen gut angenommen und liefert und wertvolle Insights und Erkenntnisse.
KI muss als solche erkennbar sein
Ist die Kommunikation mit Bots aufgrund deiner Arbeit selbstverständlicher für dich geworden?
Fenna Luhmann: Voice-basierte Anwendungen drängen ja bereits seit fünf, sechs Jahren in immer mehr unserer Lebensbereiche. Das heißt, wir lernen im Alltag immer besser, wie man mit Chatbots kommunizieren sollte, damit wir vorankommen. Gleichzeitig unterscheidet sich die Art der Kommunikation aber auch. Mit meiner Alexa würde ich zum Beispiel anders sprechen als mit dir.
Das will ich doch hoffen. Obwohl die Stimmen heute schon deutlich menschlicher klingen.
Fenna Luhmann: Ja, mit synthetischen Stimmen ist mittlerweile viel mehr machbar. Sie klingen deutlich menschlicher als noch vor ein paar Jahren. Wir alle kennen die YouTube-Videos von Deep Fakes, wo Künstliche Intelligenz eingesetzt wird, um Stimmen zu imitieren. Wir begrüßen den technischen Fortschritt, haben uns bei Hermes Germany aber bewusst dafür entschieden, dass wir das nicht wollen. Ich denke, einer der größten Fehler, die man bei Chatbots machen kann, ist den Kund*innen vorzutäuschen, dass am anderen Ende tatsächlich ein Mensch sitzt und die Fragen beantwortet. Da sind wir bei Hermes stets völlig transparent. Das ist uns wichtig.
Abschließend noch: Was ist eigentlich dein Background? Bist du studierte Informatikerin oder Programmiererin?
Fenna Luhmann: Weder noch, ich bin da so reingestolpert. Ich habe Tourismusmanagement studiert, das hat auf den ersten Blick nicht viel mit Chatbots zu tun. Bevor ich zu Hermes gekommen bin, habe ich mehrere Jahre in einer Innovationsagentur gearbeitet, wo wir uns viel mit digitalen Trends beschäftigten. Als Facebook 2016 ankündigte, dass sie den Facebook Messenger für Entwickler öffnen wollen, um einen Chatbot zu entwickeln, haben wir den Ball aufgenommen. Wenn sich ein Tech-Gigant für Drittanbieter öffnet, dann ist das ein ganz klarer Zeichen. Für uns war klar, dass es in Zukunft immer mehr Chatbots geben wird. Wir haben erste Modelle gebaut und unsere Konzepte für diverse Kunden weiterentwickelt und diese beraten. Ich bin dann immer tiefer in das Thema eingetaucht und darüber dann zu Hermes Germany gekommen.
Vielen Dank für das Gespräch!