Hermes Newsroom

Hintergrundinterview: CO₂-neutraler Paketversand durch Kompensation

Paketzustellung von Hermes mit dem VW e-Crafter in Frankfurt

Realisiert wurde der CO2-neutrale Versand durch Kompensation durch das Produktmanagement von Hermes Germany unter der Leitung von Senior Product Managerin Angélique Holdhoff. Das Corporate Responsibility Team des Paketdienstleisters hat die Einführung eng begleitet. Im Doppelinterview erklären Angélique und Sustainability Officer Florian Abel, warum Päckchen und Pakete zwar nicht CO2-frei, aber durch das Mittel der Kompensation CO2-neutral versendet werden können, was sich hinter dem Begriff “Kompensation” verbirgt und wie sich das Thema allgemein in den Klimaschutz bei Hermes einfügt.

 

Pakete werden auf ihrer logistischen Reise nach wie vor per Lkw und Sprinter transportiert und durchlaufen Logistik-Center – ohne den Ausstoß von CO2 läuft diese Reise nicht ab. Wie ist es möglich, dass Pakete, die mit Hermes versendet werden, nun mit dem Zusatz „CO2-neutral durch Kompensation” versehen werden?

Florian Abel: Richtig ist, dass wir aktuell nur in einigen Teilen unseres Distributionsnetzwerks CO2 ganz vermeiden bzw. reduzieren können. Auf der letzten Meile treiben wir beispielsweise die schrittweise Umstellung von Diesel-Vans auf Elektrofahrzeuge und Lastenräder voran. Auf der langen Strecke haben E- oder H2O-Lkw allerdings noch keine vergleichbare Serienreife, so dass wir über eine flächendeckende Umstellung noch nicht nachdenken können.

Unserer Auffassung nach könnte erst dann von einem komplett CO2freien Versand gesprochen werden, wenn eine Sendung ganz ohne den Ausstoß von CO2 durch das Logistiknetzwerk bewegt wird. Deshalb sprechen wir und die Auftraggeber, die sich dafür entscheiden diesen weiteren Schritt in Sachen Klimaschutz mit uns zu gehen, vom CO2neutralen Versand durch Kompensation. “Neutral” wird er durch die Kombination unseres CO2-Fußabdrucks, den wir stetig durch Reduktions- und Vermeidungsmaßnahmen verkleinern, und eine ergänzende Kompensation der verbleibenden Emissionen. Die Kompensation wird in zertifizierte Klimaschutzprojekte investiert, durch die an anderer Stelle CO2 eingespart wird.

Angélique Holdhoff, Senior Product Managerin bei Hermes Germany (Foto: Hermes)

Angélique Holdhoff: Zu unseren bisherigen und – ganz wichtig – nach wie vor weiter voranschreitenden Aktivitäten, um CO2 zu verringern, ist nun also die Möglichkeit hinzugekommen, die momentan verbleibenden Emissionen zu kompensieren. Hierfür arbeiten wir mit der NGO atmosfair zusammen – einem absoluten Premium-Partner, wenn es um die CO2-Kompensation für Unternehmen geht.

CO2-Vermeidung und Verringerung haben Priorität

Was verbirgt sich hinter dem Begriff Kompensation? Wie funktioniert das?

Angélique Holdhoff: atmosfair ist eine Klimaschutzorganisation, die an verschiedenen Orten der Erde Klimaschutzprojekte aufbaut, durch die CO2-Emissionen eingespart werden. Gleichzeitig zahlen diese auf weitere Nachhaltigkeitsziele vor Ort ein, z.B. in den Bereichen Soziales und Bildung. Hermes und die Händler der Otto Group, die mit uns versenden und den Versand CO2-neutral gestalten möchten, kaufen bei atmosfair Zertifikate und investieren so in ausgewählte Klimaschutzprojekte.

Das CO2, das wir als Paketdienstleister derzeit also noch nicht vermeiden oder reduzieren, wird an anderer Stelle eingespart. atmosfair ist in diesem Bereich sehr anerkannt und bietet höchste Standards, weshalb wir uns entschieden haben, zusammenzuarbeiten.

Grafik: Hermes

Florian Abel: Wenn wir über das Thema Kompensation sprechen, ist es wichtig, einen Meilenstein zu erwähnen, den wir letztes Jahr erreicht haben: Von 2006 bis 2020 konnte Hermes Germany die CO2-Emissionen* beim Pakettransport um 38 % und an seinen Standorten um 57 % verringern. Und das explizit durch konkrete Hebel zur Vermeidung und Verringerung in unseren Kernprozessen und bis dahin ohne CO2-Kompensation durch Zertifikate.

Die ergänzende Kompensation gibt uns nun die Möglichkeit, noch mehr zu tun und Projekte an anderer Stelle zu unterstützen, während wir weiter an diesen Kernprozessen arbeiten. Letztlich wirkt CO2 ja auch global aufs Klima und dem Planeten kommt eine Verringerung an jeder Stelle zugute.

Über welche Klimaschutz-Projekte werden die CO2-Emissionen der Pakete ausgeglichen?

Florian Abel: Unser Partner atmosfair arbeitet nach dem so genannten Clean Development Mechanism (kurz: CDM) und dem Gold-Standard. So wird sichergestellt, dass Kompensationsprojekte neu initiiert werden und damit die CO2-Reduktion wirklich zusätzlich stattfindet. Außerdem zielen die Projekte zusätzlich auf eine Verbesserung der Lebensumstände der beteiligten Menschen, z.B. durch die Reduzierung von Lebensunterhaltskosten oder Stärkung der Gesundheit.

Angélique Holdhoff: Konkret werden durch die Kompensation von Hermes Germany im Privatkundenbereich, von bonprix und OTTO – also die beiden Händler, die mit uns in den CO2-neutralen Versand gestartet sind – drei Klimaschutzprojekte in Ruanda, Nepal und Burkina Faso unterstützt. Wer sich diese im Detail anschauen möchte, kann die jeweiligen Projektbeschreibungen auf www.hermesworld.com/klimaschutz finden.

Die Kompensation für Privatpakete, die über Hermes versendet werden, wird in den Bau von Kleinbiogasanlagen in Nepal investiert. atmosfair und seine lokalen Partner bauen und verkaufen Biogasanlagen an ländliche Haushalte in ganz Nepal. Bereits mit dem Dung von zwei Rindern oder Büffeln entsteht genügend Energie, für den kontinuierlichen Betrieb einer Anlage, die Energie zum Kochen liefert, CO2 einspart und die Lebensqualität der Familien erhöht. Die gesamte Wertschöpfungskette findet vor Ort statt – vom Bau bis zur Inbetriebnahme und Wartung der Anlagen.

Wer zahlt die Mehrkosten, die durch die Kompensation entstehen?

Angélique Holdhoff: Für Privatkund*innen, die ihre Pakete mit Hermes auf die Reise schicken, ist der CO2-neutrale Versand durch Kompensation ab November 2021 automatisch und ohne Zusatzkosten für Versender*innen inklusive. Hermes kompensiert also für jedes Privatpaket die CO2-Emissionen und übernimmt auf diese Weise zusätzlich Verantwortung – ein weiterer Baustein in unseren Nachhaltigkeitsaktivitäten als Paketdienstleister.

Es kommt immer mal wieder der Vorwurf auf, dass das Label „klimaneutral” oder „CO2-neutral” nur für Werbezwecke genutzt wird. Wie geht Hermes damit um?

Angélique Holdhoff: Als wir beschlossen haben ein derartiges Angebot zu entwickeln, war von vornherein klar, dass das Wording so transparent wie möglich für Endkund*innen sein soll. Weil es zu der Thematik so viele Begrifflichkeiten gibt, sind wir in einen sehr offenen und intensiven Austausch mit unserem Partner atmosfair gegangen.

Florian Abel, Sustainability Officer bei Hermes Germany (Foto: Hermes)

Florian Abel: Dabei waren sich alle Beteiligten einig, dass sich die Beschreibung „klimaneutraler Versand” nicht eignet, denn neben Treibhausgasemissionen gibt es weitere Aspekte, die einen Einfluss auf das Klima haben, die wir als einzelnes Unternehmen aber nicht direkt beeinflussen können. Z.B. die Auswirkungen von Flächenversiegelung durch Straßen, auf denen unsere Fahrzeuge unterwegs sind.

Angélique Holdhoff: Mit der Formulierung „CO2-neutraler Versand durch Kompensation” nennen wir das Kind am Ende des Tages ganz genau beim Namen. Das klingt im ersten Moment vielleicht etwas sperrig, ist aber eben unserem Anspruch geschuldet, so transparent wie möglich zu sein. In der vollen Länge passt die Formulierung auch nicht auf jedes Werbemittel und in jeden Touchpoint, den ein Kunde mit dem Thema hat, aber wir haben den Anspruch, den Zusatz „durch Kompensation” im Rahmen der Customer Journey wo immer möglich zu platzieren.

Florian Abel: Wie bereits beschrieben, ist das Thema Kompensation nun als strategische Säule für uns hinzugekommen und Teil unserer Haltung, dass wir für unser gesamtes Handeln Verantwortung übernehmen. Wir befinden uns mitten im Roll-Out emissionsfreier Fahrzeuge auf der letzten Meile und treiben unsere Klimaschutzmaßnahmen an den Standorten voran. Trotzdem gibt es Teile unseres Distributionsnetzwerks, wo wir aktuell aus ökonomischen oder technischen Gründen noch kein CO2 reduzieren können. Hier ist die Reduktion von CO2 durch Klimaschutzprojekte für das Klima immer noch besser als weitere Entwicklungen abzuwarten.

Was fließt denn eigentlich alles in die Berechnung unseres CO2-Fußabdrucks ein? Und macht es für die CO2-Berechnung eines Pakets einen Unterschied, ob es per E-Transporter oder Lastenrad zugestellt wird? Schließlich fallen da keine CO2-Emissionen an…

Florian Abel: Die CO2-Kompensation umfasst die Lange Strecke, genauso wie die Letzte Meile, d.h. die Hermes-eigenen Fahrzeuge und die unserer Servicepartner, und den Durchlauf durch unsere Logistik-Center und Depots. Neben den direkten Emissionen werden auch die indirekten Emissionen aus der Kraftstoffherstellung, sogenannte „Well-to-Tank Emissionen“ berechnet. Diese Vorgehensweise entspricht den derzeit üblichen Standards bei der Berechnung von Logistikemissionen.

Der Transport per E-Transporter oder Lastenrad macht dabei auf jeden Fall einen Unterschied: Für die Berechnung des CO2-Faktors eines Pakets pro Kilometer wird der durchschnittliche Hermes-Flottenmix je Transportabschnitt (also: Lange Strecke oder Letzte Meile) herangezogen. Genau in diesen Mix fließen auch die E-Fahrzeuge und Cargobikes ein, die bei Hermes im Einsatz sind. Je mehr emissionsfreie Fahrzeuge für uns unterwegs sind, desto kleiner wird der durchschnittliche CO2-Ausstoß eines Hermes-Pakets und desto weniger muss ergänzend kompensiert werden.

Wie hoch ist denn überhaupt der (verbleibende) CO2-Ausstoß eines Pakets bei Hermes?

Florian Abel: Der CO2-Ausstoß ist je nach Paketgröße, Gewicht und zurückgelegter Distanz unterschiedlich. Deshalb arbeiten wir mit Durchschnittswerten. Durchschnittlich kann man von deutlich unter einem Kilogramm CO2 pro Sendung ausgehen.

Kompensation als Feigenblatt ist keine Option

Die Kompensation von CO2-Emissionen durch Unternehmen wird immer wieder auch kritisch betrachtet – die Annahme ist, dass dadurch konkrete Maßnahmen zur Reduktion oder Vermeidung von CO2 hintenangestellt werden. Wie seht ihr das?

Florian Abel: Ich habe in den letzten Wochen mit vielen Kolleg*innen bei Hermes gesprochen und kann berichten, dass es eine insgesamt große und aus einer persönlichen Überzeugung kommende Haltung gibt, beim Klimaschutz Verantwortung zu übernehmen. Kompensation als reines Feigenblatt ist alleine dadurch für uns bei Hermes überhaupt keine Option. Zudem merken wir, dass Anforderungen an uns aus der Gesellschaft sowie von den Auftraggebern und Kunden immer ambitionierter und konkreter werden. Aktuell prüfen wir daher, ob unsere aktuellen Maßnahmen und Ziele CO2 zu reduzieren noch ausreichend sind.

Richtig ist aber auch, dass Nachhaltigkeit auch eine ökonomische Komponente enthält und wir neben der Übernahme von sozialer und ökologischer Verantwortung auch eine Verantwortung haben, stabile und möglichst erfolgreiche wirtschaftliche Verhältnisse zu ermöglichen. Maßnahmen und Ziele müssen daher allen Perspektiven gerecht werden.

Angélique Holdhoff: Der Entwicklungsprozess war eine intensive Zeit und ich freue mich, dass wir nach dem Start mit der Otto Group nun auch für den Privatkundenversand bei Hermes den CO2-neutralen Versand durch Kompensation anbieten. Zudem planen wir, das Produkt im Frühjahr nächsten Jahres auch für Händler außerhalb der Gruppe zu öffnen. Bestärkt wird und wurde meine (Vor-)Freude und mein Engagement auch von den vielen Gesprächen mit Kolleg*innen, die durch die Bank positiv reagieren.

Ganz klar liegt der Fokus für Hermes auf Reduktion und Vermeidung von CO2-Emissionen – und das ist auch gut so! Aber wir wollen auch während dieses Prozesses weiter vorankommen und wirkungsvolle Maßnahmen implementieren. Mit atmosfair haben wir zudem einen starken, anerkannten Partner gefunden, der das Thema Kompensation maximal verantwortungsbewusst angeht und sich höchsten Standards verpflichtet.

Vielen Dank euch beiden!

* Mengenbereinigte Emissionen mit Auftraggebern aus der Otto Group.


Die mobile Version verlassen