Als Hans-Günther Schwarz davon erzählt, wie seine kleine Firma es mit einem ganzen Bundesland aufgenommen hat, schwingt in seiner Stimme ein wenig Stolz mit. „Wir sind hier eine Art gallisches Dorf“, sagt der Geschäftsführer der Spedition Schwarz aus Herbrechtlingen. Dann lacht er, so ernst ist der Vergleich nicht gemeint.
Schwarz hat eine gewisse Berühmtheit erlangt, weil er und sein Bruder Thomas sich am bundesweiten Feldversuch mit Lang-Lkw beteiligen – als einzige Unternehmer im rot-grün-regierten Baden-Württemberg. Ihr Firmengelände liegt nur zwei Kilometer von der Autobahn A7 entfernt, auf der im Land von Daimler und Porsche die langen Laster bisher ausschließlich zugelassen sind. Auf den übrigen Straßen im Ländle sind sie – noch – strikt verboten.
Jeden Tag müssen die beiden Lang-Lkw der Spedition Schwarz an der A7-Raststätte Lonetal zunächst zusammengebaut werden, bevor die Fahrt losgeht. „Zwei konventionelle Zugmaschinen liefern einen Auflieger oder Trailer und einen Motorwagen mit Dollyachse an“, sagt Hans-Günther Schwarz. „Die Ankopplung der Megatrailer erfolgt dann binnen Minuten.“
Positive Bilanz nach drei Testjahren
Trotz dieser kuriosen Umstände zieht Thomas Schwarz nach fast drei Testjahren eine positive Bilanz: „Wenn der Einsatz in ganz Deutschland oder sogar Europa möglich wäre, würden wir sofort zehn weitere Lang-Lkw anschaffen.“ Doch so weit ist es noch nicht. „Wir müssen abwarten, wie es nach dem Ende des Feldversuchs weitergeht“, sagt sein Bruder Hans-Günther. „Europa? Das liegt in weiter ferner Zukunft!“
Insgesamt 42 Transportunternehmen (Stand: 1. 4. 2015) nehmen in Deutschland am Testlauf mit Lang-Lkw teil. Diese Fahrzeuge sind bis zu 25,25 Meter lang und damit 6,50 Meter länger als die längsten bisher erlaubten Lkw mit Anhänger. Noch bis Ende Dezember 2016 will die Bundesregierung die „Chancen und Auswirkungen des Einsatzes von Lang-Lkw“ auf Umwelt, Infrastruktur und Transport-System untersuchen, wie das Bundesverkehrsministerium (BMVI) erklärt, wird der Lkw-Verkehr in Deutschland bis zum Jahr 2030 um 39 Prozent steigen. Und die Riesenlaster könnten einen Beitrag dazu leisten, den drohenden Verkehrsinfarkt auf den Autobahnen abzuwenden.
In zehn Bundesländern dürfen die langen Lkw auf 120 ausgewählten Teststrecken probeweise unterwegs sein: Bayern, Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen.
Der Streit wird mit Horrorszenarien und Wunschbildern geführt
Mit 113 Fahrzeugen ist die XXL-Flotte von überschaubarer Größe, dennoch ist ein heftiger politischer Streit um die Laster ausgebrochen. Ein Lobbykrieg, der mit Umfragen, wissenschaftlichen Studien und Gegenstudien geführt wird. Mit Horrorszenarien und Wunschbildern. Uneins ist man sich schon bei der Namensgebung. Gegner des Projekts sprechen statt von Lang-Lkw lieber von Gigalinern oder Monstertrucks. So klingt es bedrohlicher.
Dutzende Umweltverbände, Bahn-Lobbyisten, grüne und sozialdemokratische Verkehrspolitiker befürchten, Transporte könnten von der Schiene auf die Straße verlegt werden. Dies führe zu einem höheren Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids. Außerdem würden die extralangen Lkw unsere Straßen und Brücken – und unsere öffentlichen Kassen – schwer belasten und die Verkehrssicherheit gefährden. Auch die Befürworter aus der Automobilindustrie, aus den Spitzenverbänden des Handels und des Transportgewerbes, aus CDU und FDP, heben die ökologischen Effekte des Feldversuchs hervor. Ihr Argument: Weil zwei Lang-Lkw genauso viel transportieren wie drei Standard-Lkw können Fahrten eingespart werden. Somit Sprit und CO2. Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (VDA), nennt die extralangen Trucks deshalb sogar „Öko-Laster“.
Die Riesenlaster sind keine Feinde, sondern eine Ergänzung
Wer den Modellversuch „ohne ideologischen Scheuklappen“ betrachte, werde sich gegen die Lang-Lkw „nicht länger wehren können“, meint Professor Dr. Karlheinz Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Er plädiert dafür, die Fahrzeuge nach dem Test für den Regelbetrieb zuzulassen, „weil es ökonomisch und ökologisch sinnvoll wäre“.
Die Sorge, über die Schiene werde künftig weniger transportiert, hält Schmidt für unbegründet. Die Riesenlaster seien in erster Linie für großvolumige Transporte geeignet, für Güter, die wenig wiegen, aber viel Platz einnehmen. Schwere Frachten wie Kohle, Stahl oder Schiffscontainer gehörten auch weiter auf die Schiene. Denn die Lang-Lkw dürfen die herkömmlichen Achslasten und Gesamtmassen von 40 Tonnen nicht überschreiten. Und weil sich dieses Gewicht auf acht – statt auf fünf – Achsen verteilt, „schonen die Fahrzeuge Straßen und Brücken“.
Der BGL-Chef verweist auf den Zwischenbericht der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), die den Modellversuch wissenschaftlich begleitet. Die wichtigsten Ergebnisse: Spritersparnis – 15 Prozent, keine Verlagerungseffekte auf die Straße, keine Probleme beim Bremsen, keine erhöhte psychologische Beanspruchung der Fahrer. „Die langen Fahrzeuge sind keine Feinde der Schiene, sondern sie ergänzen sich prächtig auch im kombinierten Verkehr“, sagt Schmidt.
Unterschiedliche Haltung der Bundesländer
Das sieht die Regierung in Stuttgart inzwischen auch so, nachdem sie am Anfang sogar gegen den Feldversuch geklagt hatte. In diesem März gab sie dem Druck von Daimler nach und will nun doch die 25-Meter-Laster auf ihren Straßen erlauben. Womöglich noch im ersten Halbjahr sollen in Baden-Württemberg mehr als zwei Dutzend Strecken freigegeben werden. Unter einer Bedingung: Der Autobauer und das Land begleiten den Test mit einer „unabhängigen Studie“ über die Auswirkungen der Lang-Lkw auf das Klima.
„Ich freue mich, dass nun auf wissenschaftlicher Basis geklärt wird, ob Lang-Lkw wirklich Klimaschutz-Vorteile haben“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) nach Bekanntgabe der Vereinbarung. Nordrhein-Westfalen bleibt dagegen bei seiner ablehnenden Haltung. Man befürchtet, dass „auf lange Sicht dann doch (wie etwa in einigen skandinavischen Ländern) schwerere Fahrzeuge ermöglicht werden sollen“, teilt das Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr auf Anfrage mit.
Als weitere Gründe für das Verbot gibt die Behörde die „sehr hohe Verkehrsdichte in NRW“ an, das gefährliche Gedränge an den vielen Autobahnkreuzen, sowie die „ungeklärte Stellplatzsituation auf Rastplätzen und in Nothaltebuchten“. Hinzu kommt, dass für die Gigaliner „Straßen angepasst und neue Umladeterminals gebaut werden“ müssten. Kurzum: Durchfahrt verboten in NRW.
Spediteur Thomas Schwarz hofft, dass er bald die Landstraße 1082 und die Bundesstraße 19 mit seinen Lang-Lkw nutzen darf, um schnell auf die Autobahn zu kommen. Und dass er sich dann den aufwändigen Umbau seiner Trucks schenken kann. „Dadurch gewinnen wir am Tag mindestens eine Stunde Zeit.“
Weitere Broschüren und Webseiten zu Lang-Lkw:
http://www.bdi.eu/download_content/InfrastrukturUndLogistik/Lang-LKW_Broschuere.pdf
http://www.bga.de/fileadmin/freigabe/Downloads/Verkehr_Logistik/Faktenpapier_Lang_Lkw_IIN.pdf
Die Teststrecken:
http://www.spiegel.de/media/media-34695.pdf
Auf EU-Ebene haben sich die Gegner zum Bündnis „No Mega Trucks“ zusammengeschlossen: http://www.nomegatrucks.eu/deu/monstertruck-gegner/