E-Bikes, Lieferzonen, Mikrodepots, Nachtlieferung: All dies kann dazu beitragen, den Verkehr in der Stadt zu entspannen und die Lieferung gleichzeitig effizient zu gestalten. Dabei sind Handel, Logistik und Städte gleichermaßen gefordert. Der Deutsche Städtetag (DST), der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB), der Handelsverband Deutschland (HDE) und der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) haben sich deshalb gemeinsam in einem Papier auf Maßnahmen verständigt. Das Ziel: Lebenswerte Innenstädte zu erhalten.
Eigentlich sind es unglaubliche Zahlen: Jeden Tag erhalten sechs Millionen Kunden in Deutschland zehn Millionen Pakete. Allein im Jahr 2017 wurden insgesamt rund 3,4 Milliarden Sendungen verschickt. Und der Online-Handel wächst noch weiter: Im Jahr 2022 werden bis zu 4,3 Milliarden Sendungen jährlich erwartet. Das ergab eine Studie des Bundesverbands Paket und Expresslogistik e.V. (BIEK).
Die zukünftige Paketflut auch weiterhin zu bewältigen, wird zunehmend zur Herausforderung. Das stetig steigende Verkehrsaufkommen belastet vor allem die Innenstädte. Gemeinsam mit allen beteiligten Partnern können die besten Lösungen gefunden werden – zu diesem Schluss kamen die kommunalen Spitzenverbände Deutscher Städtetag (DST) und Deutscher Städte- und Gemeindebund (DStGB), der Handelsverband Deutschland (HDE) und der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK). In dem Papier „Gute Logistik für lebenswerte Innenstädte“ positionieren sie sich gemeinsam. Das Ziel: Logistik so zu organisieren, dass die Belieferung verlässlich wird, aber gleichzeitig die Städte und Gemeinden lebenswerter Wohnraum bleiben. Um das zu schaffen, wollen sich die vier Partner in sieben Bereichen engagieren.
1. Alternative Antriebstechnologien
Hier erklären vor allem die Logistiker ihre Bereitschaft, die Fahrzeuge zunehmend auf alternative Antriebe umzustellen. „Alle Anbieter aus der KEP-Branche sind sehr aktiv beim Einsatz alternativer Techniken, ob es um Fahrräder oder E-Mobilität geht“, sagt Carsten Hansen, Leiter der Innenstadtlogistik beim Logistikverband BIEK. In dem Positionspapier betonen alle Verbände die Absicht, dass sie „gegenüber den Fördermittelgebern aktiv vertreten“ wollen, dass hierfür auch neue Fahrzeuge und ergänzende Infrastruktur nötig werden. „Bei Terminen im Bundestag und mit Abgeordneten treten wir alle vier zusammen auf – obwohl wir natürlich bei anderen Themen auch mal gegeneinander arbeiten – gerade deshalb ist das Signal so stark“, sagt Michael Reink, der sich beim Handelsverband um Standort- und Verkehrspolitik kümmert. „Dann kann keiner sagen: Naja, da kommt eben der Handelsverband oder der Logistikverband mit seinen Anliegen, sondern wir kommen alle zusammen.“
2. Belastungen durch die Logistik verringern
Die Paketdienstleister sind bestrebt, Verkehrsüberlastungen und Luft- und Lärmbelästigungen möglichst gering zu halten. In dem Papier heißt es: „Hierzu werden die KEP-Dienste ihre Logistikkonzepte weiter optimieren, Formen der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Anbietern ausweiten, wenn sie der Verringerung des Verkehrsaufkommens dienen und für den jeweiligen Zweck und Einsatzort geeignete Fahrzeuge einsetzen.“ Alle diese Punkte – zusätzlich zur alternativen Antriebsform – vereinigt zum Beispiel das Projekt „KoMoDo“ (Kooperative Nutzung von Mikro-Depots durch die Kurier-, Express-, Paket-Branche für den nachhaltigen Einsatz von Lasträdern in Berlin). Hermes hat es im Juni 2018 gemeinsam mit DHL, DPD und weiteren Paketdienstleistern gestartet: Von einem Mikrodepot in Prenzlauer Berg aus erfolgt die Zustellung per Cargobikes.
3. Lieferung in und aus Fußgängerzonen klären
Insbesondere in Fußgängerzonen besteht künftig auch tagsüber erhöhter Bedarf an Lieferverkehr. „Online-Shopping bedeutet nicht, dass alles aus einem Warenlager außerhalb geschickt wird, vieles kommt auch aus Läden aus der Fußgängerzone, deswegen brauchen wir veränderte Einfahrbedingungen“, sagt Michael Reink vom HDE. So komme beispielsweise ein Shirt, das bei Zalando geordert wird, auch mal aus einem Laden in der Nähe. „Mit dem Lastenfahrrad muss der Lieferverkehr sechs Tage in der Woche 24 Stunden lang in den Fußgängerzonen möglich sein“, fordert er.
Für die Umsetzung wollen sich der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund einsetzen, denn derzeit dürfen die Städte den Fahrradlieferverkehr nicht einfach per Straßenschild erlauben. Hier sprechen die Verbände die Bundesländer an, denn Straßenrecht ist Länderrecht. Timm Fuchs vom Deutschen Städte- und Gemeindebund will dort auch mit seinem Verband aktiv werden: „Wir tragen das in die Lande. Demnächst nimmt etwa Michael Reink vom HDE an einer Sitzung des Verkehrsausschusses teil und informiert zusammen mit uns die Städte.“
4. Ladezonen für Logistik-Fahrzeuge ausweisen
„Der Verbraucher will seine Bestellung an die Haustür erhalten, das war in der Planung der Innenstädte nie eingepreist“, sagt Reink. Hier wollen wieder die kommunalen Spitzenverbände aktiv werden: „Wir empfehlen den Städten, die Möglichkeit von privilegierten Ladezonen zu prüfen, um vor allem das Parken in zweiter Reihe zu verringern, das vielerorts den Verkehrsfluss massiv hemmt“, sagt Timm Fuchs vom DSGB. „Es ist zum Beispiel möglich, per Tracking zu beobachten, wo die Lieferwagen besonders lange halten und viel ausladen, danach kann man Heatmaps erstellen. Auf dieser Grundlage kann man dann mit der Kommune diskutieren, ob dort eine privilegierte Zone Sinn macht“, sagt Reink von HDE.
Wie die anderen Verbände wirbt auch er bei Bund und Ländern für die wissenschaftliche Begleitung bei solchen Projekten. Auch Fuchs vom DSGB hält diese für immens wichtig: „Wir hören immer wieder aus den Universitäten, dass es schwer ist, dafür Mittel zu bekommen. Innovative Forschung im Verkehrsbereich kann dazu beitragen, ganz konkrete Herausforderungen für die Logistik in den Städten zu lösen.“
5. Mikrodepots fördern
„Stationäre und mobile Mikrodepots können die Zustellungswege auf der ‚letzten Meile’ verkürzen helfen“, heißt es in dem Positionspapier. In der Folge kann dann auch auf Fahrräder oder fußläufige Transporthilfen gesetzt werden – es fahren weniger Zustellfahrzeuge. Die kommunalen Spitzenverbände empfehlen hier ihren Mitgliedern, zum Beispiel leer stehende Immobilen auf ihre Eignung zu prüfen und in kommunale Verkehrskonzepte zu integrieren. Auch mobile Mikrodepots wie Nutzfahrzeuge oder Container, die in Zustellbezirken abgestellt werden, sollen einfacher genehmigt werden.
„Wir sprechen mit den kommunalen Spitzenverbänden, um in den dortigen Gremien neue Konzepte der KEP-Branche, etwa für Mikrodepots, vorzustellen, die dazu beitragen können, den Verkehrsablauf zu verbessern“, sagt Carsten Hansen vom Logistikverband BIEK. Alle Verbände sehen hier bessere Chancen, wenn alle KEP-Dienstleister zusammenarbeiten, wie im Beispiel KoMoDo: „Die Städte wollen dafür gerne einen Ort, an dem das gebündelt ist. Und sie wollen mitsteuern, wo das ist“, erklärt Timm Fuchs vom DSGB.
6. Durch Nachtbelieferung den Verkehr entzerren
Zur Stauvermeidung und Entzerrung des Verkehrs kann auch Nachtbelieferung beitragen. Da die Infrastruktur von Innenstädten so gut wie nicht verändert werden kann, sollte so viel Verkehr wie möglich in die Nacht verlagert werden, findet Michael Reink vom HDE: „Die LKW verschwinden dann schon mal tagsüber von den Straßen.“ Die Belieferung von Supermärkten wurde in einem „Geräuscharme Nachtlogistik“ genannten Projekt bereits erprobt – und erwiesen, dass gesetzliche Geräuschpegel nicht überschritten werden. Dennoch müssen solche Lieferungen immer einzeln durch langwierige Genehmigungsverfahren. Das Problem: Es gibt in Deutschland kein Zertifikat für Fahrzeuge und Fahrer, das eine geräuscharme Lieferung bescheinigt. In den Niederlanden besteht diese mit dem PIEK-Zertifikat – wer das hat, darf ohne extra Genehmigung immer nachts liefern. Die Verbände wirken nun daraufhin, dass es eine solche Genehmigung auch in Deutschland gibt. „Der Gesetzgeber könnte das PIEK-Zertifikat einfach akzeptieren, das wäre der einfachste Weg“, sagt Reink vom HDE.
7. Engere Zusammenarbeit zwischen Logistikern und Städten
Nicht nur bei dem Projekt GeNaLog zeigte sich: Absprachen sind schwierig, Genehmigungsverfahren ziehen sich hin, Ansprechpartner wechseln. Um die Zusammenarbeit zwischen KEP-Dienstleistern und den Planungs- und Genehmigungsbehörden der Kommunen in Zukunft zu verbessern, empfehlen die Kommunalverbände den Städten, konkrete Ansprechpartner für die Stadtlogistik zu bezeichnen. Auch die Logistiker wollen bei der Beantragung (etwa von Mikrodepots) möglichst koordiniert auftreten.