Es hatte sich in den vergangenen Monaten schon angedeutet: Bevor die neue Hermes App im Oktober 2022 für alle Android– und iOS-Nutzer*innen ausgerollt wurde, hatte der Paketdienstleister bereits zuvor über digitale Kanäle und Social Media Tester*innen für eine Beta-Version, also eine noch nicht fertiggestellte Variante der App gesucht. Das Ziel dabei: herausfinden, was die User*innen wollen. Denn von den Nutzeranforderungen (User-Centered Design) auszugehen, ist zentral bei der Arbeit des Hermes App Teams, das die neue Applikation vollständig inhouse entwickelt hat. Doch zu einem positiven Nutzungserlebnis gehört noch mehr, nämlich eine kontinuierliche Weiterentwicklung, Anpassung und Modernisierung der App – im Front- wie auch im Backend. So ist nach dem Go-live die Arbeit für das Design- und Entwicklerteam der Hermes Germany noch lange nicht getan. Im Interview sprechen Andreas Detjen (UX Designer im Bereich Digital Channels & Services) und Tilman Nedele (Solution Owner im Team IT Web, Mobile, API) aus dem Hermes App-Team über den Entstehungsprozess, agile Softwareentwicklung sowie technische Besonderheiten der neuen App.
Die neue Hermes App ist da und sieht zunächst einmal anders aus als zuvor. Das ist aber nicht alles – was zeichnet die neue App außerdem aus?
Andreas Detjen: Auf den ersten Blick sticht tatsächlich erst einmal die Optik hervor: Die neue Hermes App hat ein komplett neues und modernes Design. Aber dahinter steckt noch viel mehr – nämlich die neue Nutzungsmöglichkeit für einen bessere digitale Customer Experience. Wir haben alle Menüstrukturen überarbeitet und anhand der Erfahrungen, die wir in der alten App gesammelt haben, angepasst. So konnten wir beispielsweise aus dem User-Feedback entnehmen, dass sich die Nutzer*innen eine andere, in ihren Augen „einfachere“ oder übersichtlichere Menüstruktur im Vergleich zur vorherigen App wünschen. Daraus sind nun zum Beispiel Schnellzugriffe auf die wichtigsten Funktionen wie die Paketverfolgung oder den PaketShop Finder geworden. Wir wollten mit der Weiterentwicklung den Anforderungen von genau den Menschen entsprechen, die es am besten beurteilen können: unsere Nutzer*innen, die die App im Alltag verwenden. Wir haben daher im Entwicklungsprozess besonderen Wert auf ein sogenanntes User-Centered Design gelegt. Bei dieser Methode werden die späteren Benutzer*innen einer Anwendung von Anfang an mit einbezogen.
Die Wünsche der User*innen im Fokus
Wie kann man sich den Prozess beim User-Centered Design genau vorstellen?
Andreas Detjen: Beim User-Centered Design, oder kurz: UCD, wird sichergestellt, dass Aufbau, Inhalt und Design eines Endprodukts maßgeblich von den Bedürfnissen, Erwartungen und dem Verständnis der User gesteuert werden. Die Priorität liegt also ganz klar auf Seiten der Nutzer*innen. Man kann die Methode gut in drei Kernphasen erklären: die Analyse, das Design und die Evaluation. Der wichtigste Punkt ist dabei ein zielorientiertes, iteratives Wechseln zwischen den drei Prozessen. Es liegt also nicht sofort das fertige Produkt vor, sondern das User-Centered Design muss stets als Weiterentwicklung der App gesehen werden. Der Weg ist quasi das Ziel.
Wie genau habt ihr denn herausgefunden, was sich die User*innen wünschen?
Andreas Detjen: Indem wir Kundenbefragungen durchgeführt haben – quantitativ wie qualitativ. Mit unserem Research haben wir beobachtet, wie unsere Nutzer*innen tatsächlich mit der App interagieren. Jede Interaktion führt zu irgendeiner Art von User Experience. Nur wenn wir einen tieferen Einblick in die Einstellungen, Gedankengänge und das Verhalten unserer Kund*innen gewinnen, können wir die User Experience bestmöglich konzipieren und nutzbringend für die User*innen umsetzen. In einem Research wird in der Regel das gesamte Umfeld des Kunden sowie den Nutzungskontext analysiert. Hierzu gehören die direkte Umgebung, Wünsche und Bedürfnisse sowie kulturelle Aspekte bei der Nutzung. Unter Berücksichtigung all dieser Punkte hilft der User Research, neue Ideen, Verbesserungen und Innovationen für ein Produkt, wie in unserem Fall die Hermes App, zu entwickeln.
Technologisch auf dem neuesten Stand
Auch wenn wir die ganze Zeit von „neuer“ App sprechen, so mussten die Nutzer*innen keine neue Software herunterladen, sondern die Neuerungen kamen per Update. Was gibt es noch für technische Besonderheiten?
Tilman Nedele: Wir haben Wert daraufgelegt, dass die neue Hermes App für die Nutzer „nur“ ein Update ist und nicht neu installiert werden muss. Auch wenn die App im Hintergrund komplett neu entwickelt wurde und die Oberfläche für die Nutzer*innen anders aussieht, erreichen wir durch dieses Vorgehen alle Kund*innen. Denn das Update installiert sich, bei entsprechender Voreinstellung, automatisch – einfacher geht es nicht. Dazu ist zu sagen: Die Neuentwicklung bringt die Hermes App in die Moderne. Technologisch sind wir auf einem aktuellen Stand und für die kommenden Aufgaben im Sinne der weiteren Digitalisierung mit erweiterten Funktionalitäten etc. sehr gut aufgestellt. Die Nutzer*innen profitieren schon jetzt durch ein aufgeräumtes Design, eine einfache Bedienung und die schnelle Reaktionszeit, die wir durch die Inhouse-Entwicklung erreichen. Die Kommunikationswege sind kürzer und interne Systeme, zum Beispiel für die Sendungsverfolgung, können direkt an die App angeschlossen werden. Das ist ein bedeutsamer Vorteil, der von außen nicht sichtbar ist, aber für uns im Entwickler-Team eine große Rolle spielt, weil es für die User*innen ein verbessertes Nutzungserlebnis bedeutet.
Verkürzte Reaktionswege durch Inhouse-Know-how
Die neue Hermes App wurde also intern entwickelt?
Tilman Nedele: Genau, das ist für uns ein wichtiger Schritt. Durch die Inhouse-Entwicklung haben wir das Know-how bei uns im Haus, kürzere Wege aufgrund der Nähe der Kolleg*innen und zu den anderen Teams, wie zum Beispiel für die Sendungsverfolgung oder die Paketscheinerstellung, und sind nicht mehr auf externe Dienstleister angewiesen. Dieses Vorgehen versetzt Hermes in die komfortable Lage, dass wir die App technologisch auf den neusten Stand bringen konnten und auf zukünftige Fehler, neue Features oder Kundenwünsche sofort reagieren können. Für die Technik-Nerds kann ich gerne noch ein paar Hintergründe nennen: Wir haben die neue Hermes App mit Flutter entwickelt. Flutter ist ein Open-Source-Framework von Google, das 2017 erschienen ist und mittlerweile in der Version 3 zur Verfügung steht. Es ermöglicht die Entwicklung von Multi-Platform-Applications auf einer gemeinsamen Codebasis. Somit sind wir nicht nur technologisch modern aufgestellt, sondern vereinen iOS und Android, und haben den Entwicklungsaufwand nur einmal.
Ihr arbeitet im Hermes App Team nach den Maßstäben der agilen Softwareentwicklung. Wie sind hier eure Erfahrungen, wie läuft das ab?
Tilman Nedele: In der agilen Entwicklung arbeiten wir nach dem Framework namens „Scrum“. Scrum dient uns als Rahmenwerk, das es uns ermöglicht, auf äußere Anforderungen schnell zu reagieren. Aktuell definieren und planen wir Sprints mit einer Länge von drei Wochen. Ein Sprint ist der Arbeitsaufwand, auf den sich das Team verständigt, den es in einer gewissen Zeit zu schaffen gilt. Ziel ist es, dass nach jedem Sprint der Mehrwert für den Kunden erhöht wird und ein Produkt oder ein Feature, zum Beispiel eine neue Funktion für die App, entstanden ist, das marktreif ist. Damit konnten wir bereits kurz nach dem Go-live auf Kundenfeedback reagieren. Seit der Erstveröffentlichung im Oktober haben wir schon nach und nach einige aktualisierte Versionen eingespielt, in denen wir nicht nur ein paar Bugs behoben haben, sondern auch auf Kundenwünsche reagieren. Beispielsweise wurde die Benennung von erstellten Sendungen angepasst und die Funktion „Erneut versenden“ für ältere, bereits erstellte Sendungen eingeführt. Man sieht: Ändern sich die äußeren Bedingungen oder die Priorität, ermöglichen das agile Vorgehen und die kurzen Sprints, dass wir schnell reagieren können. Und auch neben den projektbezogenen Vorteilen nehmen wir die agile Arbeitsweise positiv wahr.
Inwiefern?
Tilman Nedele: Es zeigt sich, dass diese Art zu arbeiten das Team stärkt und die Verantwortung in das Team verlagert. Das fördert nicht nur die Zufriedenheit und den Zusammenhalt im Team, sondern verbessert letztlich auch die Qualität des Produkts. Die agile Arbeitsweise hat natürlich auch ihre Herausforderungen, sie bedeutet viel Eigenverantwortung, aber wir haben in unserem Projektteam positive Erfahrungen gemacht. Ein Projekt wie die Hermes App über einen anderen methodischen Weg zu entwickeln, kann ich mir nicht vorstellen. Gerade in der heutigen Zeit und den digitalen Möglichkeiten ist es das A und O, reaktionsschnell zu sein.
Wie geht es jetzt konkret weiter? Was können die User*innen von der Hermes App erwarten?
Andreas Detjen: Das Schöne am User-Centered Design ist ja: Wir wissen es selbst nur zu einem gewissen Teil – das macht es total spannend. Natürlich haben wir noch einige Features in der Vorbereitung, die wir im Vorfeld durch unsere Befragungen als wesentlich definiert haben. Dazu gehört zum Beispiel die Integration eines Adressbuchs, die wir gerade im November umgesetzt haben. Zeitnah soll jetzt noch eine Push-Benachrichtigung zum Sendungsstatus und die Möglichkeit zum internationalen Versand folgen. Ein großer Teil wird sich aber, so wie es für diese Art der Produktentwicklung typisch ist, im weiteren Verlauf ergeben. Wir bleiben nah an den Kund*innen dran und legen ihre Wünsche und Bedürfnisse, neben der technischen Weiterentwicklung der App, weiterhin in den Fokus unserer Arbeit.
Vielen Dank für die Einblicke!