Tory übernimmt die Inventur, 6D4 liefert Pakete und Paul führt den Kunden zum richtigen Staubsauger: Diese Helfer gehören zu den Robotern, die uns künftig immer öfter beim Einkauf oder auf der Straße begegnen werden.Sie montieren Autos, arbeiten als Poolboy, entschärfen Bomben oder erforschen die tiefsten Meere und das Weltall: Schon heute übernehmen Roboter in vielen Bereichen wichtige Aufgaben und sind aus der Industrie nicht mehr wegzudenken. Doch im Alltag kommen die meisten Menschen noch sehr selten mit ihnen in Berührung. Das dürfte sich bald ändern, denn immer öfter sind die elektronischen Helfer auf Fußwegen oder in Geschäften anzutreffen – also überall dort, wo sie dafür sorgen, dass Kunden Produkte finden, bestellen oder in Empfang nehmen können.
Wie kommen die Roboter bei den Kunden an? Hermes hat bei einem Pilotversuch 2016 gute Erfahrungen gemacht: Ein halbes Jahr rollten drei Modelle des Technologie-Startups Starship Technologies mit dem Namen 6D4 über Hamburgs Bürgersteige und belieferten Kunden mit Paketen, die sie sonst im Paketshops hätten abholen müssen. „Die Reaktionen der Passanten waren überwiegend positiv. Viele fanden den kleinen Roboter einfach sympathisch. Die meisten waren schlicht neugierig und fragten nach dem Einsatzzweck des Kastenwagens, den einige für einen Kühlschrank, andere für einen Kinderwagen hielten“, sagt Roger Hillen-Pasedag, der bei Hermes die Abteilung Strategie und Innovation leitet.
Roboter noch ohne gesetzliche Fahrerlaubnis
Der 70 Zentimeter lange, einen halben Meter hohe und 20 Kilogramm schwere Zusteller der Zukunft, den Hermes im Pilotversuch einsetzte, bietet einige Vorteile: „Wenn Sie als Kunde gern Sonntagnacht um 2.30 Uhr ihre Retoure verschicken möchten, könnten Sie einfach unseren Roboter bestellen“, sagt Hillen-Pasedag. Noch allerdings fehle die gesetzliche Grundlage, um die Maschine ohne menschliche Begleitung auf Tour zu schicken: „Der Roboter ist deshalb ständig mit einem Handler unterwegs, auch wenn er autonom fahren könnte.“ Unfallgefahren sieht Hillen-Pasedag nicht: Hindernisse erkenne der Roboter dank der eingebauten Kameras und Sensoren eigenständig und stoppe sofort. „Natürlich gab es manchmal auch negative Reaktionen – meist getrieben von eher diffusen Ängsten gegenüber Robotern und der Automatisierung im Allgemeinen“, so der Hermes-Manager. Doch die meisten Menschen hätten den Roboter akzeptiert.
Die diffusen Ängste vor Robotern beschäftigen auch den Informatiker Benedikt Mättig. Er erforscht am Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik verschiedene Varianten, wie Mensch und Maschine interagieren können: „Der Roboter muss die Information so übermitteln, dass der Mensch sie versteht und die Maschine muss die Angaben des Menschen verstehen“, sagt Mättig. Doch das gelingt oftmals nicht – etwa bei unklarer Aussprache oder starkem Dialekt. Außerdem fehlt bei den meisten Robotern noch jedes Gefühl für die Gestik oder Mimik des menschlichen Gegenübers.
Allzu menschenähnlich ist unheimlich
Wenn sich die Maschine menschlich verhält und menschenähnlich aussieht, erleichtert das zunächst die Kommunikation, denn damit entsteht eine emotionale Nähe. „Doch es gibt einen steilen Abfall der Akzeptanz, wenn der Roboter allzu menschlich wird“, erklärt Mättig. „Das Auge sieht etwas Menschliches, aber das Gehirn weiß, dass es sich nicht wirklich um einen Menschen handelt – und das macht vielen Angst.“ Deswegen sind Roboter, die trotz menschenähnlicher Merkmale ganz klar als Maschine erkennbar bleiben, derzeit noch Erfolg versprechender.
Laut Mättig ist die Kommunikation das vorherrschende Problem an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Dafür ist die Gefahr von ungewollten Zusammenstößen inzwischen gebannt: „Roboter rennen keinen Menschen um, diese Gefahr besteht dank verschiedener Sicherheitsmechanismen nicht mehr“, sagt Mättig. So haben Roboter, die eng mit Menschen zusammenarbeiten, Sensoren auf der Oberfläche. Die Maschine spürt damit Berührungen und weiß, dass ab einem bestimmten Druck nicht mehr mit Gegendruck reagiert werden darf.
Das kann Martin Wild, Chief Innovation Officer der MediaMarktSaturn Retail Group bestätigen. Er hat den Roboter Paul bei der Elektronikmarkt-Kette zum Einsatz gebracht. „Paul ist so konstruiert, dass er sich sicher im Markt bewegen kann, also keine Regale umstößt oder Menschen umfährt“, sagt Wild. „Wenn ein Kunde ein gesuchtes Produkt nicht sofort findet, führt Paul ihn hin, kann währenddessen Smalltalk halten und Witze erzählen. Er weist aber auch auf Angebote hin oder auf unsere Smart-Bar, an der man sein Smartphone reparieren lassen kann.“
Roboter in enger Abstimmung mit Kunden verbessern
In den vier Märkten, in denen Paul eingesetzt wird, stößt der Roboter auf große Akzeptanz: „Es gibt durchweg positive Rückmeldungen, Kinder kommen extra, um Paul zu sehen, aber auch 80-Jährige, die ihn besuchen wollen“, so Wild. Dennoch sei die Kommunikation noch verbesserungsfähig. Die meisten Kunden würden zwar mit Paul ganz natürlich umgehen und mit ihm wie mit einem Menschen sprechen. „Aber man muss auch ein wenig Geduld für die Konversation mit einem Roboter aufbringen. Spracherkennung funktioniert heute zwar schon sehr gut, nur ist es im Markt oft ziemlich laut. Und es ist wichtig, dass man Paul zu Ende reden lässt.“
Die Optimierung der Roboter sollte in enger Abstimmung mit den Kunden erfolgen, empfiehlt Patrick Meyer von der Beratungsfirma Elaboratum. Für eine im vergangene Herbst erschienene Studie hat Elaboratum untersucht, wie Menschen im Handel auf Roboter reagieren. Fünf Tage lang wurde der Roboter Pepper im einem Stuttgarter Einkaufszentrum eingesetzt, anschließend wurden 257 Kunden intensiv befragt. „Es gab die unterschiedlichsten Reaktionen: Viele blieben stehen. Einige trauten sich anfangs nicht, ihn anzusprechen, andere quatschen ihn direkt von allen Seiten an“, sagt Meyer. Auch Menschen, die 55 Jahre oder älter waren und nicht mit Technik aufgewachsen sind, fanden den Umgang mit dem Roboter erstaunlich einfach. Insgesamt gaben 88 Prozent der Befragten an, viel oder sehr viel Spaß mit Pepper, gehabt zu haben, und die Hälfte konnte sich vorstellen, einen Roboter wie Pepper in Zukunft zu nutzen.
Die persönliche Beratung bleibt unersetzbar
Doch nur für jeden Fünften hatte der Kontakt mit der intelligenten Maschine die Qualität einer persönlichen Begegnung unter Menschen – für Patrick Meyer ein Indiz dafür, dass Roboter in naher Zukunft nicht die Beratung durch Mitarbeiter ersetzen können. Dies ist aber in den Saturn-Filialen oder beim Modemarkt Adler, wo der Roboter Tory die Inventur übernimmt, auch gar nicht das Ziel: Vielmehr geht es darum, den Verkäufern mehr Zeit für die qualifizierte Kundenberatung zu verschaffen – und das könnte zur Akzeptanz des Roboters beitragen. Ebenso wie sein zusätzliches Serviceangebot: „Der Kunde kann ihn zum Beispiel fragen: Gibt es das Sakko auch in meiner Größe?“, sagt Meyer. Der Roboter kann dann Auskunft über den Warenbestand geben. Ist das Produkt vergriffen, fragt Pepper: „Möchtest du es online bestellen? Gib mir deine Adresse und es ist morgen bei dir zuhause.“
Den Unternehmen rät Meyer, neue Roboter-Anwendungen mit den Kunden zu testen und deren Erfahrungen und Verbesserungsvorschläge abzufragen. Denn ohne eine Weiterentwicklung nutze sich der Roboter als Kundenmagnet schnell ab: „Das ist wie beim Smartphone, es bleibt das gleiche Gerät. Erst durch die Apps schaffe ich ständig einen neuen Nutzen und mache es dadurch smart.“