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E-Commerce in China: Die Show kann beginnen

China öffnet sich: einst schützte das Qianmen-Tor Pekings Altstadt. Heute besuchen Touristen aus aller Welt das Relikt - so wie das Land als weltgrößter Online-Shoppingmarkt verstärkt ausländische Firmen anlockt. (Foto: mauritius images)

Von Kristina Gnirke

In einen wahren Kaufrausch bringen Chinas Internethändler ihre Kunden. Jahrelang blieben ausländische Anbieter beim angesagten Onlineshopping dennoch oft außen vor. Jetzt gewinnen sie Zutritt – Chinas E-Commerce-Märkte öffnen ihre Pforten und Peking baut die hohen Hürden ab.

Jack Ma liebt die große Inszenierung. Mitte November startete der Gründer und Chef des chinesischen Online-Händlers Alibaba mit einem dreistündigen Fernsehspektakel in den 11.11. – den wichtigsten Tag für chinesische Internethändler. Neben Stars aus China hatte Ma US-Schauspieler Kevin Spacey und 007-Agent Daniel Craig für seine TV-Show engagiert. Es hat sich gelohnt. Für Marktführer Alibaba, der rund 80 Prozent des E-Commerce-Marktes kontrolliert, und Haupt-Wettbewerber JD.com wurde es ein beispielloser Erfolg.

An diesem „Singles Day“, den Studenten einst aus Spaß zum Geschenketag für einsame Kommilitonen ohne Partner erklärten, haben die Händler durch Rabatte von bis zu 70 Prozent einen Kaufrausch ausgelöst. Alibaba verkaufte an diesem Tag Waren im Wert von 13 Milliarden Euro – ein weltweiter Rekord. JD.com übertraf die Verkaufsmenge des Shoppingevents im Vorjahr in nur zwei Minuten und erhielt über die gesamten 24 Stunden der Rabattaktion 130 Prozent mehr Orders.

China hat sich zum größten Online-Shoppingland der Welt gewandelt. Trotz des abgebremsten Wirtschaftsaufschwungs floriert der digitale Handel, denn Chinas Führung treibt den Dienstleistungssektor an. Der Onlinehandel legt seit fünf Jahren im Schnitt um 40 Prozent pro Jahr zu, erreichte vergangenes Jahr bereits über 520 Milliarden Euro Umsatz. Das lockt ausländische Hersteller an. Bislang blockierten Bürokratie, teure Zölle und komplexe Versandstrukturen den Einstieg vieler Unternehmen. Das beginnt sich nun zu ändern. Ausländischen Marken fällt es zunehmend leichter, ihre Produkte an die chinesische Kundschaft zu bringen. Ihnen stehen neue Helfer zur Seite und Chinas Regierung ebnet den Weg für ausländische Händler.

Hürdenlauf für ausländische Firmen

Jahrelang ließen sich viele Unternehmen aus dem Ausland von den Hürden abschrecken. Vor allem die Profitabilität des Geschäfts im Land der Mitte bewerten viele deutsche Unternehmen als mittelmäßig, stellte die Wirtschaftsberatung PwC in einer Analyse fest. Allerdings würden vor allem die digitalen Vertriebswege, die für Chinas Konsumenten eine außerordentlich wichtige Rolle spielen, von Firmen in Deutschland nur selten genutzt, stellte Thomas Heck, Leiter der China Business Group bei PwC, in der Studie fest.

Kleinere Unternehmen haben in China bisher das Nachsehen. „Große Konzerne besitzen die Mittel, den Vertrieb vor Ort zu organisieren. Doch kleine Firmen, sogar schon Mittelständler, sind auf chinesische Vertriebspartner angewiesen. Das ist teuer, umständlich und die Gefahr von Plagiaten ist groß“, sagt Klaus Beck, auf internationales Recht spezialisierter Anwalt, der viele Klienten auf dem Weg nach China berät. Viele Unternehmen seien in China bereits durch Betrüger geschädigt worden, die statt der Originalprodukte billige Kopien an die Kunden zustellten.

Das große Interesse chinesischer Kunden an ausländischen Produkten hat Bewegung in die Sache gebracht. Marktführer Alibaba und die Nummer zwei des Marktes, JD.com, helfen Unternehmen seit wenigen Monaten bei der Verkaufsabwicklung. So richtete JD.com Ende vorigen Jahres einen Online-Verkaufsplatz für deutsche Produkte und weitere Länder ein. Alibaba wiederum kümmert sich für Handelskunden aus dem Ausland um eine schnelle Zollabfertigung und bietet spezielle Onlinegeschäfte für ausländische Händler.

Neue Brücken zu Chinas Wirtschaft

„JD.com bietet den Vorteil, dass sie im Gegensatz zu Alibaba, Lager und Logistik schon länger selbst anbieten und so den Versand der Originalware eher sicherstellen“, sagt Rechtsanwalt Beck. „Es fährt ein JD-Lieferwagen vor. Das bietet chinesischen Kunden Sicherheit.“ Kürzlich hat sich JD.com an Zitra, einem Start-up Unternehmen der Otto Group, beteiligt. Das Unternehmen soll insbesondere europäischen Händlern einen leichteren Zugang zum chinesischen Markt bieten und den internationalen Onlinehandel forcieren. Dabei übernimmt Zitra die Marketingstrategie, stellt die nötige IT-Infrastruktur und organisiert die Logistik – mit Hilfe der Otto-Tochter Hermes. Diese sorgt für Vorteile beim grenzüberschreitenden Kauf, beispielsweise durch vereinfachte Prozesse bei der Zollabfertigung, eine transparenten Darstellung von Abgaben oder Steuern sowie einer jederzeit lückenlosen Sendungsverfolgung.

Die neuen Starthilfen für ausländische Firmen in China kommen zum passenden Zeitpunkt. Mit der Abkehr vom Turbowachstum fokussiert Chinas Ministerpräsident Li Keqiang sein Land derzeit auf E-Commerce, Dienstleistungen und das IT-Geschäft. Bis 2020 soll der Onlinehandel zentraler Wachstumstreiber werden. In Chinas Großstädten sind Computer und Smartphone beim Shopping nicht mehr wegzudenken. Nun baut die Regierung das Breitbandinternet auf dem Land aus, um 98 Prozent der Bevölkerung Zugang zum schnellen Web zu geben.

Peking baut Blockaden ab

China ist es ernst. Um den E-Commerce mit ausländischen Unternehmen zum Laufen zu bringen, hat die Regierung Sonderzonen eingerichtet. Es ist ein Testfall, der sich für alle Seiten auszahlt. Zollformalitäten, Einfuhrbestimmungen, grenzüberschreitender Zahlungen und die Organisation von Retouren sollen in den als Pilotprojekte ausgewiesenen Sondergebieten erleichtert werden. „Die Chinesische Bürokratie ist überbordend“, sagt Rechtsanwalt Beck. „Die Pilotprojekte helfen Unternehmen schneller durch den Verwaltungsdschungel, viele Themen können auf einmal abgefertigt werden statt umständlich nacheinander.“

Gerade jetzt, wo sich die E-Commerce-Strukturen für ausländische Unternehmen klären, prescht ein neuer Spieler in den Markt. Die Kommunikations-App WeChat entwickelt sich zu einem Portal, das bald sämtliche Lebensbereiche umfassen könnte. Schon jetzt nutzen viele Chinesen die einst für Nachrichten gedachte WeChat-App für weit mehr: Sie informieren sich dort über Firmen, lassen sich Nachrichten sogar vom Arbeitgeber senden, genauso wie offizielle Formulare. Der Schritt zu einem Shoppingportal scheint nicht mehr weit. Bereits heute senden WeChat-Nutzer kleinere Geldbeträge über die App direkt vom Smartphone aus.

Immer stärker wird auch der Trend, Online- und Offline-Shoppingwelt zu verbinden. Beim „Singles Day“ boten erste Unternehmen ihre Produkte zwar online an, probiert und abgeholt werden konnte die Ware zugleich im realen Shop. Diese Verzahnung wird in China immer stärker genutzt, auch um sicher zu gehen, das richtige Produkt zu erhalten und keinen Betrügern aufzusitzen. Der Aufbau stationärer Läden allerdings dürfte für ausländische Unternehmen schwierig sein. Dies wird der nächste nötige Baustein in der Strategie europäischer Firmen für ihren Auftritt in China.


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