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Ein Blick auf zwei Jahrzehnte KEP-Branche: „Das ist unsere Erfolgsstory: Wir bieten jeder und jedem eine Chance“

(Foto: Shutterstock)

­­­­­Was war der Auslöser dafür, auf 20 Jahre KEP-Branche zurückzublicken?

Marten Bosselmann: Zuallererst natürlich, dass wir seit 20 Jahren unsere jährliche Studie herausgeben. Zudem hat es in diesem Zeitraum große Veränderungen gegeben, vor allem durch den massiven Anstieg des E-Commerce. Das hat nicht nur zu Veränderungen in den Sendungsstrukturen geführt. Durch den digitalen Fortschritt und die zunehmende Automatisierung konnten Prozesse auch immer effizienter gemacht werden. Ganz nebenbei: Ich selbst bin auch vor rund 20 Jahren in die Branche eingestiegen. Ich habe damals eine Stellenausschreibung entdeckt, hatte zu dem Zeitpunkt aber noch nicht so tiefe Kenntnisse über die Logistik und hörte mich erst einmal um: Wie sind denn die Zukunftschancen?

Marten Bosselmann (Foto: Frank Nürnberger)

Und welche Antworten haben Sie bekommen?

Marten Bosselmann: Es wird nach oben gehen.

Die Einschätzung hat sich bewahrheitet. Zwischen 2003 bis 2023 ist die Zahl der jährlich transportierten Sendungen im Kurier-, Express- und Paketmarkt (KEP) in Deutschland stetig gestiegen: von 1,8 Milliarden pro Jahr auf 4,18 Milliarden. Daran haben auch die Wirtschafts- und Finanzkrise in 2008 und 2009, die Corona-Pandemie in 2020 und 2021 oder der Krieg in der Ukraine seit 2022 nichts geändert. Gleichzeitig stieg der Umsatz um das 2,5-Fache: von 10,5 Milliarden Euro auf 26,5 Milliarden Euro. Macht Sie das stolz?

Marten Bosselmann: Das ist eine unglaubliche Menge und zeugt von enormer Präzision. Wir als Branche liefern ja nicht einfach nur eine große Menge Pakete. Ich sage gern: Wir liefern jeden Tag Glück. Wir bringen Menschen Dinge, auf die sie warten, über die sie sich freuen. Ich glaube, es gibt kaum eine Branche, die in einem so engen Kontakt mit den Endverbraucherinnen und Endverbrauchern steht. Höchstens noch Automobil oder Mode.

Mit der Menge ist auch das Tempo gestiegen. Die Studie beschreibt, wie KEP-Unternehmen in den vergangenen 20 Jahren Infrastrukturen und Netzwerke angepasst sowie Zahl und Struktur von Niederlassungen, Depots und Verteilzentren optimieren mussten.

Marten Bosselmann: Es ist alles immer schneller geworden. Beim Standardpaket haben wir heute sehr häufig bereits eine Lieferzeit von 24 Stunden, das galt früher als Express. Gleichzeitig haben wir die Kundinnen und Kunden verwöhnt und die Erwartungshaltung so immer mehr erhöht. Daher finde ich es schwierig, wenn für solch eine herausragende Dienstleistung eigentlich niemand so richtig zahlen will.

KEP trägt eine Menge zum Arbeitsmarkt bei. 2003 arbeiteten dort rund 162.000 Menschen, 20 Jahre später sind es 260.500. Das ist ein Plus von satten 61 Prozent. Um das einzuordnen: Branchenübergreifend ist die Beschäftigungsquote in Deutschland in dieser Zeit um gerade 17 Prozent gewachsen.

Marten Bosselmann: Und dafür ist die KEP-Branche meines Erachtens ziemlich unterbewertet. Vor allem, weil wir einem Bewertungsmaßstab ausgesetzt sind wie kein anderer Wirtschaftszweig. Wir sind zu jeder Zeit exponiert. Die Menschen sehen: Wie sieht der Zusteller aus? Was hat er an? Hört er laut Musik? Ist das Fahrzeug gepflegt? Keine andere Branche ist einem derartigen Druck ausgesetzt. Gesteigert wurde das noch durch die wachsende Rolle von Digitalisierung und E-Commerce, die einen massiven Anstieg im B2C-Geschäft zur Folge hatten.

Dessen Anteil am Gesamtgeschäft ist im untersuchten Zeitraum von 22 auf 67 Prozent gewachsen.

Marten Bosselmann: Was die Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit noch einmal gesteigert und die Erwartungen an Zustellerinnen und Zusteller erhöht hat. Dabei haben wir ohnehin schon mit einem Arbeitskräftemangel zu kämpfen. Eine andere Entwicklung hängt damit zusammen: In diesem Bereich arbeiten Menschen aus aller Herren Länder. Und die Menschen, die den Job machen, machen ihn ganz überwiegend gern. In einer anonymen Umfrage von 2024 gaben 85 Prozent der Zustellerinnen und Zusteller an, dass sie mit ihrem Job zufrieden sind. Wiederum 85 Prozent von diesen haben keine Berufsausbildung. Das ist die Erfolgsstory von KEP: Wir bieten jeder und jedem eine Chance.

Wie bewerten Sie die Branche mit Blick auf Nachhaltigkeit?

Marten Bosselmann: Ich finde, in diesem Bereich sind wir ein Vorbild. Niemand anderes hat E-Fahrzeuge so früh und so effizient eingesetzt. Wir hatten das Thema bereits vor 20 Jahren auf dem Schirm, aber damals ließ sich vieles noch nicht umsetzen. Und: Meiner Meinung nach wurde das Potenzial noch nicht voll ausgeschöpft. Da ist noch einiges möglich. Aber dazu brauchen wir die richtigen Rahmenbedingungen.

Neben E-Autos und Cargobikes hat KEP auch Innovationen in der Infrastruktur hervorgebracht, etwa anbieteroffene Paketstationen oder Mikrodepots –Umschlagpunkte, an denen Sendungen zwischengelagert oder umgeladen und dann mit Lastenrädern, zu Fuß oder mit E-Fahrzeugen über die Letzte Meile transportiert werden.

Marten Bosselmann: Es liegt ja auch im gesellschaftlichen Interesse, solche Innovationen voranzutreiben. Und für viele KEP-Unternehmen wird diese gesellschaftliche Verantwortung immer mehr zum Unternehmenscredo. Die Branche wollte immer schon mehr machen als nötig war.

Vielen Dank für das Gespräch!

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