Dekarbonisierung der Langen Strecke Wasserstoff-Lkw im Praxiseinsatz bei Hermes Germany

Welche Rolle kann der Brennstoffzellenantrieb im Schwerlastbereich spielen, um CO2-Emissionen zu senken? Hermes Germany sucht Antworten auf diese Frage und hat dazu seit Anfang 2024 einen Wasserstoff-Lkw im Einsatz. Ob sich das lokal emissionsfrei verkehrende Fahrzeug in der alltäglichen Disposition bewährt, wird der 48-monatige Testbetrieb zeigen.

Wasserstoff-Lkw von Hermes Germany am Logistik-Center Friedewald in Hessen (Foto: Hermes Germany)

Die Dekarbonisierung des Transportbereichs ist eine Mammutaufgabe für die Logistik. Es gibt nicht den einen Antrieb oder Kraftstoff als Rundum-Lösung, um CO2-Emissionen zu reduzieren; auch stellen Letzte Meile und Lange Strecke unterschiedliche Anforderungen an Fahrzeuge. So kommt es vielmehr darauf an, verschiedene Konzepte auszutesten und in der Praxis zu verproben. Auch Hermes Germany ist auf dem Weg, seine Fahrzeugflotte Stück für Stück zukunftsorientiert auszurichten. Im Schwerlastbereich hat der Paketlogistiker seit Anfang 2024 einen Wasserstoff-Lkw (H2-Lkw) im Einsatz. Der bis Ende 2028 andauernde Testbetrieb soll Antworten darauf liefern, ob und unter welchen Voraussetzungen der Brennstoffzellenantrieb dem logistischen Alltag standhalten kann.

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Der European Green Deal mit seinen Emissionsreduktionszielen gibt es vor: Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen in den EU-Mitgliedsstaaten um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 sinken. So ist auch Hermes Germany gefordert, weiter konsequent seinen Beitrag zum Schutze des Planeten zu leisten. „Dabei ist maßgeblich, dass wir als Paketlogistiker langfristig unsere gesamte Fahrzeugflotte auf der Letzten Meile elektrifizieren sowie in weiten Teilen auch die Lange Strecke auf CO2-freie Lösungen umstellen“, erklärt Marco Schlüter, Chief Operations Officer von Hermes Germany. „Im Schwerlastbereich könnte der Brennstoffzellenantrieb ein zukünftiges Lösungsmodul sein, um unseren CO2-Fußabdruck weiter zu verringern.“

Kein lokaler Ausstoß von CO2 beim Brennstoffzellenantrieb

Bei dem von Hermes Germany seit Anfang 2024 eingesetzten Wasserstoff-Lkw handelt es sich um einen Hyundai FC Xcient Fuel Cell. Der 42-Tonner verfügt über zwei H2-Brennstoffzellen und sieben Wasserstoffspeichertanks mit einem Gesamtvolumen von mehr als 32 Kilogramm, die über eine H2-Tanksäule für 350 bar befüllt werden. Eine Brennstoffzelle mit Wasserstoff funktioniert im Grunde wie eine Art Batterie: Sie nutzt Wasserstoff und Sauerstoff, um Elektrizität zu erzeugen. Mit der freigesetzten Energie kann dann der Elektromotor des Fahrzeugs angetrieben werden. Als einziges Nebenprodukt der Energiefreisetzung entsteht hierbei Wasser, sodass bei dieser Antriebsform keine CO2-Emissionen freigesetzt werden. Durch das Betanken mit sogenanntem grünem Wasserstoff, sofern dieser an den Tankstellen verfügbar ist, kann Hermes Germany mit dem H2-Lkw auf der Strecke sogar gänzlich CO2-frei unterwegs sein.

Hinter dem Fahrerhaus stapeln sich die zylindrischen Wasserstofftanks des H2-Lkw (Foto: Hermes Germany)

Derzeit verkehrt das Brennstoffzellenfahrzeug auf der Strecke zwischen den Hermes Logistik-Centern in Friedewald (Hessen) und Mainz (Rheinland-Pfalz) und transportiert mit einer Reichweite von rund 400 Kilometern täglich bis zu 10.000 Sendungen zwischen den Standorten. Bereitgestellt wird das eingesetzte Fahrzeug von der Firma hylane. Das Kölner Start-up glaubt an das Zukunftspotential von Wasserstoff und vermietet H2-Lkw, damit Unternehmen Erfahrungen mit der Brennstoffzellentechnologie sammeln können. Das Fahrzeug wird darüber hinaus vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) gefördert.

Tankstelleninfrastruktur als Herausforderung

In dem 48-monatigen Testzeitraum wird Hermes Germany prüfen, wie wasserstoffbetriebene Lkw zukünftig effizient in das Netzwerk des Logistikers und insbesondere auf der Langen Strecke eingebunden werden können. Eine der Herausforderungen der Technologie, die zurzeit noch nicht als Massenanfertigung zur Verfügung steht, ist unter anderem das Thema Tankinfrastruktur. Auch wenn etwa H2 MOBILITY, hierzulande der größte Anbieter von Wasserstofftankstellen, das Tanknetz immer weiter ausbaut, können die Verfügbarkeiten regional begrenzt sein. So etwa auch rund um das Hermes Logistik-Center in Friedewald, den aktuellen Standort des H2-Lkw. Dies gilt es in der alltäglichen Disposition zu berücksichtigen, um das Fahrzeug effizient in die logistische Transportkette einzubinden – denn darauf kommt es schlussendlich an.

Mix aus alternativen Kraftstoffen und Antrieben

Am Ende wird sich zeigen, welches Zukunftspotential in Wasserstoff als alternativem Kraftstoff steckt und wie alltagstauglich sich die Brennstoffzellenfahrzeuge erweisen werden. Solange sich noch keine Antriebsform als Rundum-Lösung durchgesetzt hat und die Antwort auch in mehreren Antriebsformen je nach Einsatzgebiet liegen könnte, gilt es, verschiedene Konzepte im Blick zu behalten. Denn vielleicht liegt die Antwort zur Dekarbonisierung der Langen Strecke je nach Einsatzgebiet auch in der Kombination mehrerer Antriebsformen. Hermes Germany hat sich dabei schon auf den Weg gemacht, dies für sich herauszufinden: Neben dem Test mit der Brennstofftechnologie verkehren für den Paketlogistiker seit Ende 2022 bereits zwei batteriebetriebene Lkw im regulären Linienbetrieb rund um Hamburg und Berlin. Und auch der aus biologischen Rest- und Abfallstoffen gewonnene Kraftstoff HVO100 wird im Lkw-Bereich bereits im Regelverkehr auf einer festen Strecke eingesetzt.

Während auf der Langen Strecke noch viel ausprobiert wird, macht auf der Letzten Meile vornehmlich der Elektroantrieb von sich reden: Die Anzahl an E-Transportern und Lastenrädern wächst stetig – zurzeit sind für Hermes Germany insgesamt über 1.000 elektrisch betriebenen Fahrzeugen auf den Straßen unterwegs. Ab wann auch auf der Langen Strecke Elektro- oder aber Wasserstoff-Lkw in größerem Ausmaß eingesetzt werden können, ist derzeit noch schwer vorherzusagen. Hierfür müssen erst drei entscheidende Faktoren gestemmt werden: die technischen Herausforderungen, die Verfügbarkeit geeigneter Fahrzeuge sowie die Wirtschaftlichkeit des Betriebs solcher Schwertransporter.

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