Die Logistik gilt nach wie vor als Männerdomäne. In unserer Serie „Frauen in der Logistik“ stellen wir regelmäßig Mitarbeiterinnen aus den unterschiedlichsten Bereichen vor. Diesmal: Jasmin Stanislawski, Area Managerin Hannover.
Jasmin, du bist seit März 2021 Area Managerin in Hannover. Wie hast du die Zeit seither erlebt?
Jasmin Stanislawski: Das war für mich ein extrem spannender Schritt, mit dem ich nie gerechnet hätte. Ich war zu dem Zeitpunkt zwar schon neun Jahre bei Hermes, aber immer nur in der Zentrale, also dem Headquarter von Hermes Germany in Hamburg, tätig. Ich habe mich also nicht klassisch, wie das meistens ist, in einer Area beispielsweise von einer Depotmanagerin oder Standortverantwortlichen hochgearbeitet. Die 850 Mitarbeiter*innen, für die ich dann plötzlich zuständig war, haben mich aber sofort offen und herzlich empfangen.
Die Schublade der 1.000 Ideen
Diesen Vertrauensvorschuss gebe ich seitdem zurück, indem ich Hierarchien aufbreche, mich stark als Teil des Teams betrachte und einen sehr demokratischen Ansatz habe. Und ich bin immer wieder beeindruckt, wie viel Leidenschaft und Innovationskraft in der Area steckt: Wenn wir Neues besprechen, habe ich immer das Gefühl, die Kolleg*innen haben eine „Schublade der 1.000 Ideen“, die sie dann öffnen.
Du bist bei Hermes Germany die erste und aktuell einzige Frau unter bundesweit zehn Area Managern. In der gesamten Logistikbranche sind immer noch nur zehn Prozent Führungspositionen mit Frauen besetzt. Hast du in deiner Laufbahn Hürden erlebt, beziehungsweise: Was betrachtest du als Erfolgsrezept?
Jasmin Stanislawski: Ich ganz persönlich hatte nie das Gefühl, größere Hürden als die Männer bewältigen zu müssen. Ich denke, das liegt an mehreren Faktoren. Ich habe mir immer ein Netzwerk und Mentoren gesucht – und hatte auch das Glück, beides zu finden. Und dann ist es sicher eine Typsache. Ich bin einfach ein Wirbelwind, bin sehr meinungsstark und sage meine Meinung immer – auch in Momenten, in denen andere vielleicht denken, das hätte ich nicht tun sollen (lacht). Dadurch bin ich als Person sehr präsent, was sicher auch geholfen hat.
Neben Zahlen und KPIs sind auch Wahrnehmungsthemen geschäftsrelevant
Was würde sich deiner Meinung nach ändern, wenn mehr Frauen in Führungspositionen gelangen?
Jasmin Stanislawski: Ich fände es sehr schön und wichtig, auch in den oberen Positionen noch mehr Frauen als Ansprechpartnerinnen zu haben. Frauen reden und tauschen sich unglaublich gerne aus. Alle meine männlichen Kollegen sind toll und fachlich top, aber stellenweise ist es doch schwerer, Männer zum Reden zu bringen, gerade was Gefühlsthemen betrifft. Ich finde, dass das neben allen Zahlen und KPIs geschäftsrelevant ist, denn auch Wahrnehmungsthemen spielen eine Rolle: Wie sieht es in den Areas aus, wie geht es den Mitarbeitenden, wie ist die Gemütslage der Leute im Lager? Es ist sehr wichtig, diese Fragen zu stellen und darüber zu sprechen.
Wolltest du denn schon immer in die „Männerdomäne“ Logistik?
Jasmin Stanislawski: Ich habe das damals gar nicht so als Männerbranche betrachtet. Die Logistik hat mich einfach schon immer begeistert. Meine Eltern sind im Immobilienbereich tätig und wollten gerne, dass ich auch in die Richtung gehe. Aber mir war das immer zu schick, man muss sich sehr dezent ausdrücken und formell anziehen. In der Logistik ist es dagegen mal laut, man muss anpacken, es sind Emotionen im Spiel, auch mal ein rauerer Ton und es ist ab und zu stressig. Dafür kann ich mich begeistern. Ich habe dann eine Ausbildung in der Spedition gemacht, da hat sich das auch bestätigt: Logistikunternehmen sind immer wie eine kleine Familie, jeder gehört dazu, und vom Azubi bis zum Geschäftsführer ist jedes Zahnrädchen wichtig. Mitgehangen, mitgefangen.
„Das Herzblut bei Hermes passt zu mir“
Nach dem BWL-Studium habe ich dann nochmal in die Schifffahrt reingeschnuppert, aber das war mir schon wieder zu förmlich. Da saßen alle mit blauen Sakkos, die goldene Knöpfe mit Ankern darauf hatten. Das Herzblut und die Loyalität in der Hermes-Familie – das passt besser zu mir.
Was sind in deinem Job als Area Managerin aktuell die größten Herausforderungen?
Jasmin Stanislawski: Ich bin in meiner Position tatsächlich innerhalb kurzer Zeit von der Gratulantin zur Motivatorin für die Zukunft geworden. Bei meinem Start nach Beginn der Corona-Pandemie hatten wir jeden Monat Rekordmengen, die für Aufbruchstimmung und Euphorie sorgten. Mengen unterliegen üblicherweise aber auch immer Schwankungen – nicht zuletzt aufgrund von äußeren Einflüssen oder auch einfach regionalen Unterschieden. Wenn Zahlen in unserer Area also mal ein wenig runter gehen und sich dies in der Performance bemerkbar macht, motiviere ich die Kolleg*innen und tausche mich eng aus – auch über persönliche Sorgen. Der Kulturwandel bei Hermes hat da sehr geholfen: Ich kann mit allen ganz offen über Entwicklungen, Perspektiven und Strategien sprechen. Ein wertschätzender und offener Umgang hilft einfach, Hemmnisse zu beseitigen. Und ein starkes Miteinander ist generell das, was Hermes auszeichnet.
„Zusammen Niederlagen akzeptieren, wieder aufstehen und neue Wege suchen“
Ein anspruchsvoller Job in einer anspruchsvollen Zeit also. Was machst du, um mal Abstand zu bekommen und wieder Kraft zu tanken?
Jasmin Stanislawski: Meine große Leidenschaft sind meine Pferde. Wenn ich reite, ist das für mich ein seelischer Ausgleich, ich mache den Kopf aus und bin mal eine Zeit lang ganz weit weg von der Realität. Aber der Sport hat noch einen zweiten Aspekt: Es begeistert mich, junge Pferde zu kaufen, sie auszubilden und alle Herausforderungen gemeinsam zu meistern, sodass wir bis in den gehobenen Turniersport starten können. Insofern gibt es schon eine Parallele zu meiner Aufgabe der Mitarbeiterentwicklung. Wie mit den Pferden, muss man zusammen auch Niederlagen akzeptieren, wieder aufstehen und immer wieder neue und kreative Wege zu suchen, um in den Dialog zu kommen.
Vielen Dank für das Gespräch!