Mit der Eröffnung des neuen Logistik Centers in Bad Rappenau bei Heilbronn hat Hermes einen wichtigen Meilenstein seines mit 300 Millionen Euro budgetierten Zukunfts- und Investitionsprogramms realisiert. Bis 2019 wird das Unternehmen acht weitere hochmoderne Logistik-Center in verschiedenen Teilen Deutschlands in Betrieb nehmen. Damit bereitet sich Hermes infrastrukturseitig auf fortgesetztes Wachstum im gesamten 2C-Paketmarkt vor. Doch es geht längst nicht nur darum, die aus dem wachsenden E-Commerce resultierende Paketmenge zu bewältigen. Im Interview erläutert Frank Rausch, Vorsitzender der Geschäftsführung von Hermes Germany, welchen Einfluss Megatrends wie die zunehmende Urbanisierung auf die Paketzustellung haben und warum es einer intensiveren Vernetzung – innerhalb der Logistikbranche und darüber hinaus – bedarf.
Herr Rausch, welchen Stellenwert hat das neue Logistik Center für Hermes?
Es ist nicht nur das erste, welches wir im Rahmen unseres auf rund drei Jahre angelegten Zukunftsprogramms in Betrieb nehmen. Wir schließen damit auch die Lücke im Südwesten Deutschlands. Hier waren wir zwar bislang mit verschiedenen Depots präsent, ein derart großer, leistungsfähiger Standort fehlte uns jedoch bisher. In der Ausbaustufe können im neuen Logistik Center bis zu 25.000 Sendungen pro Stunde sortiert werden. Darüber hinaus ist das Paketzentrum multifunktional konzipiert, so dass sämtliche Sendungsarten verarbeitet und von hier aus weiter zu anderen Hermes Standorten transportiert oder direkt an die PaketShops sowie Privathaushalte im Zustellgebiet geliefert werden. Zudem befindet sich im Raum Stuttgart eine Vielzahl potenzieller Auftraggeber. Erste Gespräche fanden bereits statt und wir sind zuversichtlich, dass uns künftig zahlreiche neue Auftraggeber aus der Region ihre Sendungen anvertrauen werden. Vertrauen ist übrigens ein wichtiges Stichwort. Denn es ist ein entscheidender Faktor bei der Wahl des Versandpartners. Und dieses Vertrauen müssen wir uns immer wieder verdienen.
Schulterschluss der Logistikbranche gefordert
Wie kann dies gelingen?
Leistungsstarke Paketzentren, die buchstäblich nah dran sind und unseren Auftraggebern eine noch schnellere Zustellung gewährleisten, sind dafür natürlich unabdingbar. Doch das allein genügt bei Weitem nicht. Aus meiner Sicht sind diese drei Dinge essenziell. Erstens: Innovative, kundennahe Services, die dem Kunden ermöglichen, den Empfang ihrer Sendungen perfekt in ihren Alltag zu integrieren. Zweitens: Investitionen in smarte Geschäftsmodelle, die vielleicht erst morgen Relevanz haben. Bestes Beispiel dafür ist unsere frühzeitige Beteiligung am Same-Day-Spezialisten Liefery. Drittens: Eine intensivere Vernetzung der verschiedenen Player innerhalb der Logistikbranche. Diese ist für viele immer noch ein Akteur im Hintergrund, der einfach funktioniert. Wenn ich von einem engeren Schulterschluss spreche, so gilt dies auch im Hinblick darauf, dass wir Logistikanbieter gemeinsam verstärkt daran arbeiten müssen, wie wir als Branche wahrgenommen werden und wie viel Händlern und Verbrauchern logistische Services am Ende des Tages tatsächlich wert sind.
Wird der nach innen gerichtete Blick auf die Logistik- bzw. Paketbranche dauerhaft genügen, um den Herausforderungen unserer Zeit erfolgreich begegnen zu können?
Nein, letztendlich können wir die Antworten nicht ausschließlich branchenintern entwickeln. Logistische Lösungen werden nur dann nutz- und gewinnbringend sowie nachhaltig sein, wenn wir eng mit Politik, Wissenschaft und Forschung, NGOs und Wirtschaftsakteuren wie beispielsweise den Fahrzeugherstellern zusammenarbeiten. Tragfähige Konzepte lassen sich eben nur gemeinsam mit allen realisieren, die in irgendeiner Form an der Gestaltung der Logistik bzw. ihrer Rahmenbedingungen beteiligt sind. Insofern habe ich mich ganz besonders gefreut, bei der Eröffnung Thomas Strobl, den stellvertretenden Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, und Stefan Maurer, Leiter Future Transportation bei Mercedes-Benz Vans begrüßen zu dürfen und mit ihnen gemeinsam diese Themen zu diskutieren.
Emissionen: Fahrverbote sind kontraproduktiv
Insbesondere Großstädte wie die rund 100 Kilometer entfernte Landeshauptstadt Stuttgart ringen um Rezepte, mit denen sie dem massiv wachsenden innerstädtischen Verkehr Herr werden können. Welche Rolle spielen dabei die Paketdienste?
Gerade in den urbanen Zentren kommt wortwörtlich einiges zusammen: Das Wachstum im E-Commerce erhöht den Paketanteil in der Innenstadtbelieferung. Zudem wünschen sich die Bürger eine zeitnahe und flexible Zustellung. Gleichzeitig steigen aber auch die Erwartungen an das Stadtbild und die Lebensqualität in den Ballungsräumen. Daher wird die Innenstadtlogistik künftig viel mehr zu einem gemeinsamen Thema der Politik und uns Paketdiensten. Temporäre Fahrverbote allein, wie sie ab 2018 für ältere Dieselfahrzeuge in Stuttgart gelten, werden das Grundproblem nicht beheben. Es bedarf umfassenderer Lösungen, die darauf abzielen, die Flächenengpässe dauerhaft zu beheben und das Verkehrsaufkommen zu reduzieren. Darüber hinaus wird es wesentlich darauf ankommen, die emissionsfreie Zustellung auszuweiten. Ein zentraler Ansatzpunkt ist dabei die Fahrzeugflotte. Wir wollen bis 2025 in allen deutschen Großstädten emissionsfrei mit Elektrofahrzeugen zustellen. Dies ist eine große Zukunftsaufgabe, die wir gemeinsam mit der Fahrzeugindustrie angehen. So haben wir kürzlich mit Mercedes-Benz Vans eine strategische Partnerschaft zur Elektrifizierung unserer Fahrzeugflotte vereinbart. Denn eines steht fest: Wir als Logistiker müssen so umweltschonend wie möglich arbeiten. Dafür nutzen wir nicht nur einen modernen Fuhrpark, sondern setzen auch bei der Planung unserer Bauprojekte auf fortschrittlichste Technologien.