15 Jahre Hermes PaketShops: Das Tante-Emma-Prinzip
1950 eröffnete in Brennberg ein kleiner Lebensmittelladen, die Steine für das Haus gruben die Bauherren noch selbst aus der Erde. Annelies Kerscher führt das Geschäft nun seit 34 Jahren – einen Nachfolger gibt es nicht.
Kurz nach halb zwölf ist es, als vor „Hirschbergers Holzofenkuchl“ in Brennberg die Bierbänke bereitgestellt werden. Das Mittagsgeschäft beginnt gleich, die Speisekarte lockt mit deftigem Schweinebraten in dunkler Biersoße. Nebenan flattern blauweiße Fahnen, im Sonnenlicht glänzt der Zwiebelturm der Pfarrkirche. Hier, dreißig Kilometer hinter Regensburg, in der südlichen Oberpfalz, beweist Bayern einmal mehr, wie traditionell es sein kann.
Zwischen Tradition und Moderne
Dabei sind auch in Brennberg längst neue Zeiten angebrochen. Die Bevölkerung wird älter, viele junge Menschen ziehen weg. Selbst der Tourismus, lange Zeit eine sichere Einnahmequelle, hat es zunehmend schwer: „Heute machen hier nur noch wenige Menschen Urlaub. Das war früher mal ganz anders“, erzählt Annelies Kerscher, selbst gebürtige Brennbergerin. Lediglich für ein paar Jahre wohnte die heute 62-Jährige in Regensburg, arbeitete als Verkäuferin und Köchin. Eigentlich wollte sie Kindergärtnerin werden – doch dieser Wunsch blieb unerfüllt. Mit 22 kehrte sie schließlich nach Brennberg zurück, sechs Jahre später übernahm sie das Lebensmittelgeschäft ihrer Schwiegereltern. Einen Tante-Emma-Laden, der einzige im Ort. Die stilechte Ladeneinrichtung aus den 50er Jahren existiert bis heute. „Woanders leben und arbeiten, das kann ich mir nicht vorstellen“, sagt sie. „Obwohl ich natürlich gerne mal die Welt bereisen würde.“ Bald sieben Jahre ist ihr letzter Urlaub her. Geflogen ist sie noch nie.
„Manche kommen nur zum Reden“
Idyllisch, fast schon friedlich liegt der kleine Tante-Emma-Laden in der Mariastiftstraße auf einer Anhöhe oberhalb des Ortskerns. Vom ohnehin wenigen Durchgangsverkehr bleibt hier oben nur ein leises Rauschen. Neben der Eingangstür, umgeben von wildem Wein, führt ein kleiner Pfad hinters Haus, direkt zu den Gemüsebeeten. Kartoffeln, Karotten, Tomaten und vieles mehr baut Annelies Kerscher hier an, um es später im Laden zu verkaufen. Die Kunden schätzen das, genauso wie den Reinigungsservice und den Hermes PaketShop, den sie seit elf Jahren betreibt.
Und dennoch wird es immer ruhiger hinter dem Tresen: „Heute sind es gerade mal noch 40 bis 50 Kunden am Tag, davon viele ältere Leute, die schon lange Stammkunden sind. Und manche kommen einfach nur, damit sie jemanden zum Reden haben“, sagt sie. Mit den meisten ist sie nicht nur per Du, sondern längst befreundet: „Wenn ein Kunde plötzlich mal nicht kommt, dann fragt man sich schon, ob da eventuell etwas passiert sein könnte.“ Einigen bringt sie nach Feierabend sogar die Lebensmittel nach Hause – ohne Aufpreis, einfach so.
Nachfolger dringend gesucht
Die Ladentür fliegt auf, die Enkelin kommt von der Schule zu Besuch. Zum Mittagessen ist sie häufiger hier. Dann sitzen sie gemeinsam in der Wohnküche, gleich neben dem Verkaufsraum. Zahlreiche handgefertigte Holzteller zieren die Wände, in der Mitte steht ein alter Herd. „Der läuft noch mit Holz“, sagt Annelies Kerscher stolz und erzählt, wie sehr die Kinder ihren Braten aus dem Holzofen lieben. Drei Söhne hat sie, immerhin zwei leben in Brennberg. Die Zukunft von „Lebensmittel Kerscher“ ist trotzdem ungewiss: „Dass der Laden weitergeführt werden wird, das schaut eher schlecht aus“, sagt sie mit leichtem Wehmut und rückt ihre blaue Kittelschürze zurecht. „Fünf Jahre will ich noch machen, vielleicht ein paar mehr. Dann aber ist für mich hier Schluss. Egal was kommt.“ Nicht nur für Brennberg wäre das ein herber Verlust.