15 Jahre Hermes PaketShops: Honecker und die Handpuppen
Vor den Toren Berlins lässt Klaus-Peter Königsmann in seinem Stöberstübchen vergangene Zeiten lebendig werden. Erich Honecker trifft hier auf DDR-Legende Pittiplatsch – und einen Hermes PaketShop.
Frische Luft strömt ins Abteil, als der Zug der Berliner S-Bahn-Linie S46 um kurz vor acht Uhr morgens seine Türen öffnet. Vor gerade einmal 20 Minuten hat er den Berliner Szenekiez Neukölln passiert, und nun? Scheint sie eine lange Tagesreise entfernt zu sein, die schillernde Weltstadt mit ihrer hybriden Dauerdynamik. Hier in Eichwalde, im Speckgürtel Berlins, ticken die Uhren anders. Vögel zwitschern in den alten Eichenbäumen, prächtige Jugendstilbauten säumen die Kopfsteinpflasterallee. Nur vereinzelt ziehen Autos ihre Kreise, hetzen Menschen in Richtung S-Bahn. Ein Ruhepol an diesem Freitagmorgen, nur wenige Meter hinter der Landesgrenze.
„Nutella verkauft wie die Ochsen“
Klaus-Peter Königsmann hat zur selben Zeit schon fast drei Stunden Arbeit hinter sich. Täglich um 5 Uhr morgens öffnet sein kleiner Antik- und Gebrauchtwarenladen. Eichwalde hat er fest in sein Herz geschlossen: „Hier lebt man für sich, die Nähe zu Berlin spürt man so gut wie gar nicht“, sagt er. Er weiß wovon er redet: Geboren in Berlin-Moabit, zog es den heute 63-Jährigen mit seinen Eltern zunächst nach Bremen-Huchting. Doch das Debüt im Nordwesten hielt nicht lange: Wenige Jahre später ging Familie Königsmann zurück an die Spree, Klaus-Peter begann eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann.
„Im Laden zu arbeiten, das lag mir immer im Blut. Schon meine Mutter hat damals in Moabit ein kleines Milchgeschäft betrieben, da wollte ich immer beim Verkaufen helfen“, sagt er. Wohl auch deshalb machte er schließlich bei einer Supermarktkette Karriere, die turbulente Wendezeit erlebte er als Marktleiter in West-Berlin. „Nach dem Mauerfall haben wir Nutella, Joghurt und Bananen tonnenweise verkauft, sogar direkt vom Lkw. Von heute auf morgen hatte da plötzlich eine neue Zeitrechnung begonnen, das war ungemein spannend.“
Vom Supermarkt ins Trödel-Business
Der Bruch im eigenen Leben kam erst Jahre später. Sparmaßnahmen und Umstrukturierungen im Job zwangen den begnadeten Hertha-BSC-Fan zunächst in die Arbeitslosigkeit – und dann zum Umdenken. „Unsere Tochter hat uns damals mit zum Flohmarkt genommen, um alte Dinge zu verkaufen. Dort haben wir gleich beim ersten Mal so gutes Geld gemacht, dass bald die Überlegung aufkam: Warum nicht einen eigenen Trödelladen eröffnen?“ Fündig wurde Klaus-Peter schließlich in Eichwalde, in den Räumlichkeiten eines alten Radio- und Fernsehgeschäftes.
Gemeinsam mit seiner Frau eröffnete er hier Ende 2002 das „Stöberstübchen Königsmann“. Eine Auswahl an Tabakwaren, Zeitschriften und Getränken sowie ein Hermes PaketShop ergänzen seitdem das vielfältige Sortiment, das von Esstischen und Honecker-Porträts bis hin zu Jugendstillampen und Pittiplatsch-Handfiguren reicht. Alte Ausgaben des STERN reihen sich an jahrzehntealte Comics, Barometer aus DDR-Produktion weilen neben Coca-Cola-Schildern. Eine Reise durch die deutsch-deutsche Vergangenheit auf wenigen Quadratmetern.
Wer Stammgast ist, darf anschreiben
Angestellte hingegen gibt es nicht, das Geschäft stemmen Klaus-Peter Königsmann und seine Frau allein. Wohl auch deshalb ist er heute mit 90 Prozent seiner Kunden per Du, wie er selbst sagt. Besonders gute Stammgäste lässt er sogar anschreiben: „Natürlich ist das ein Vertrauensbeweis, aber die Erfahrung gibt mir Recht. Hier kennt eben jeder jeden. Und nur ein einziges Mal habe ich in all den Jahren mein Geld nicht bekommen – weil der Kunde kurz vor dem Begleichen seiner Rechnung plötzlich verstorben ist.“
Sein Stöberstübchen gegen einen Supermarkt zurücktauschen, das kommt für Klaus-Peter übrigens nicht mehr infrage. Lediglich einen Wunsch möchte er sich noch erfüllen: „Ich möchte unbedingt nach Neuseeland reisen.“ Ob es morgens um acht dort genauso friedlich ist wie in Eichwalde?