Abo-Commerce: Das Comeback der Produktabos
Im Abonnement verschicken Online-Händler ihre Waren in regelmäßigen Abständen an ihre Kunden. Im Prinzip für beide Seiten ein Gewinn: Die Händler haben eine feste Kundschaft, die Abonnenten müssen sich nicht um Nachschub kümmern. Doch nicht jedes Konzept kommt an.
„Männer sind faul“, sagt Samy Liechti und meint das nicht abwertend. Schließlich basiert die Geschäftsidee des Schweizers auf dieser Erkenntnis. „Wir wissen, wenn Männer mal einigermaßen zufrieden sind, dann wollen sie immer mehr vom Gleichen. Genau das bieten wir ihnen. Wir nehmen ihnen eine kleine Sorge weg. Dafür werden wir mit einer hohen Kundenloyalität belohnt!“, sagt der Gründer von Blacksocks.
Blacksocks, 1999 in Zürich gegründet, gilt als der Pionier des Abo-E-Commerce. Der Kunde bestellt ein Jahres-Abo und erhält automatisch alle vier Monate drei Paare neue schwarze Socken. Immer dasselbe Modell, immer die gleiche Qualität zum Preis von 69 Euro. Die Idee kam sofort gut an. Im ersten halben Jahr zählte Liechti bereits 1.000 Abonnenten, heute sind es 20.000, vor allem in der Schweiz, in Deutschland und den USA. Dazu kommen 65.000 Kunden, die spontan bestellen – auch das bietet der Schweizer an. Denn aus Einmalbestellern werden oft Abonnenten. Zu den schwarzen Socken gesellten sich auf Anregung der Kunden bunte Socken, dann Unterhosen, T-Shirts und schließlich Business-Hemden in Hellblau und Weiß. „So können wir mit derselben Kundenbeziehung mehr Umsatz machen“, sagt Liechti. Wichtig sei jedoch die Abo-Erneuerungsquote. Und die liegt bei Blacksocks bei 70 Prozent.
Vor allem Start-ups reizt das Bezahlmodell
Produktabos feiern im Online-Handel ihr Comeback: Von Socken über Kosmetik, Blumen und Bekleidung bis zu Lebensmitteln – alles, was sich in einer Schachtel verschicken lässt, wird inzwischen im Abonnement angeboten. Rund 150 verschiedene Abo-Boxen gibt es mittlerweile alleine in Deutschland, schätzen Experten. Das Ziel ist klar: Die Kunden sollen gegenüber dem Kauf nach Bedarf Zeit und Geld sparen. Und die Gründer bekommen durch das Modell ein Stück des boomenden E-Commerce-Umsatzes ab, der nach einer Studie im Auftrag von deals.com im Jahr 2015 auf rund 53 Milliarden Euro angestiegen sein soll. Das ist fast ein Viertel mehr als im Jahr zuvor.
„Viele Startups reizt beim Abo-Commerce das wiederkehrende Bezahlmodell“, erklärt Alexander Hüsing, Gründer und Chefredakteur des Online-Magazins deutsche-startups.de. Seit Jahren beobachtet er die Szene. „Das Startup hat über einen Zeitraum feste Einnahmen. Aber es ist schwierig, Kunden zu gewinnen und noch schwieriger, sie zu behalten“, sagt Hüsing. Denn der Abo-Commerce ist kein Selbstläufer – kürzlich listete Hüsing 24 gescheiterte Konzepte auf. Darunter Angebote mit alltäglichen Produkten, die eigentlich jeder regelmäßig benötigt, wie Toilettenpapier (Awiba), Essen (KommtEssen), aber auch Exoten wie eine erotische Abo-Box (Loversbox) oder schwer zu vermarktende Modelle wie eine Abo-Bastelkiste für Kinder (Tollabox). „Die Ideen waren zum Teil nicht ausgereift, zum Teil waren die Produkte zu niedrigpreisig, so dass es sich nicht lohnte“, resümmiert Hüsing.
Regelmäßige Lieferung muss sinnvoller sein als der Einzelkauf
Andere Anbieter haben den Durchbruch geschafft. Die Gründer von Glossybox verschicken seit 2011 Lackkarton-Schachteln, die mit knisterndem Seidenpapier ausgelegt sind. Inhalt der Box: Luxuskosmetik, die im Laden mindestens 45 Euro kosten würden. Die meist weibliche Kundschaft hat für die Überraschungsbox aber nur 15 Euro bezahlt. Der Deckel wurde extra so konstruiert, dass er schwer zu öffnen ist – das steigert die Vorfreude. Die Berliner Beauty-Spezialisten erhalten viele Produkte von den Herstellern aus aller Welt kostenlos. Im Gegenzug versorgt der Abo-Box-Vertreiber die Konzerne mit Informationen wie das Produkt bei den Kundinnen ankommt. Nach drei harten Jahren hat Glossybox 2014 zum ersten Mal Gewinn erzielt. Das Unternehmen fokussiert sich seit zwei Jahren auf zehn Kernländer, in denen es ihm gelungen ist, die Kundenzufriedenheit und –bindung auf über 80 Prozent, in Spitzenzeiten sogar 95 Prozent zu steigern. 200.000 Abonnenten beglückt das Unternehmen inzwischen monatlich mit seinen Boxen, 60.000 allein in Deutschland.
„Die größte Herausforderung beim Abo-Commerce ist es, die Kunden zu überzeugen, dass eine regelmäßige Lieferung mehr Sinn macht als der bedarfsorientierte Einzelkauf. Wenn das gelingt, macht das Modell Sinn“, erklärt Tobias Kollmann, E-Business-Professor an der Uni Duisburg-Essen. Bei vielen Modellen mit Produkten in „Überraschungsboxen“ stellen sich die Kunden nach der anfänglichen Begeisterung die Frage: Brauche ich das wirklich jeden Monat? „Dazu kommen plötzliche Änderungen im Gebrauch“, sagt Kollmann. „Jetzt sind beispielsweise Bärte wieder in, und wer sich weniger rasiert, braucht auch weniger Rasierklingen als monatliche Abo-Lieferung.“
Der Kunde hat die Wahl zwischen verschiedenen Laufzeiten
Generell wollen Kunden sich nicht gerne binden. „Sie haben lieber die Wahl“, erklärt Martin Groß-Albenhausen, stellvertretender Geschäftsführer des Berliner Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh). Um Kunden zu gewinnen, weichen viele Händler daher von dem harten Abo-Modell mit einer starren Laufzeit ab. „Viele bieten ihnen sogenannte Soft-Abos an“, so Groß-Albenshausen. Sie erlauben es ihnen, die Versandintervalle selbst zu bestimmen, auszusetzen oder bestimmte Artikel in einer Lieferung, die ihnen gar nicht gefallen, einfach zurückzugeben.
Modelle, die sich bewährt haben, basieren auf diesem Konzept. MyCouchbox etwa, die Überraschungsbox mit monatlich wechselndem Inhalt von süßen und salzigen Snacks, lässt seinen Kunden die Wahl zwischen Laufzeiten von einem, drei, sechs oder zwölf Monaten. Je länger die Laufzeit, desto günstiger ist der Preis. Aber auch einzelne Boxen können für knapp zehn Euro geordert werden. „Wir wollten unsere Kunden nicht verpflichten, sondern ihnen die freie Wahl lassen“, betont einer der beiden Gründer, Clemens Walter. Im Januar 2014 startete er zusammen mit Sarah Haide mit den ersten Boxen, die jeden Monat unter einem bestimmten Thema stehen. Der Erfolg hat die beiden Gründer selbst überrascht: „Die ersten 50 Boxen waren innerhalb von 80 Minuten ausverkauft!“, sagt Haide. „Der Markt entscheidet, ob man zum richtigen Zeitpunkt kommt, und Kunden entscheiden, ob sie das Produkt haben wollen“, so Walter. Die sind offensichtlich zufrieden. Nach zwei Jahren verschickt das Stuttgarter Team mehr als 6.000 Boxen pro Monat und ist Marktführer in Deutschland und Österreich.
Abgesehen von einem mitgelieferten Mehrwert – Ware plus Problemlösung – spielt die Kundenbindung und –zufriedenheit eine wesentliche Rolle für den Erfolg. Es geht darum, den Kunden neben den reinen Produkten etwas Besonderes zu bieten. Hellofresh, der im November 2011 in Berlin gestartete Online-Versender von Lebensmittelboxen plus Rezept, kooperiert beispielsweise mit wechselnden Promi-Köchen. Ab Januar ist es Jamie Oliver, der die Rezepte schreibt. „Mit Kundenbindungs- und Bonusprogrammen können Kunden ab einem bestimmten Umsatz oder einer bestimmten Abo-Länge Treuepunkte erhalten, Premiumkunden können bestimmte Produkte früher kaufen als andere“, beschreibt Groß-Albenhausen weitere erfolgsversprechende Maßnahmen. Der Blumenversender Bloomydays beispielsweise legt seinen Kunden im Prämienprogramm Bloomy Lover ab der vierten Lieferung exklusive Geschenke bei.
Lesen Sie dazu auch:
Neukunde: GLOSSYBOX setzt jetzt auf Hermes (08.09.2015)