Curated Shopping: Wenn Männer shoppen lassen
Frauen lieben es, Männer sitzen oft gelangweilt vor den Umkleidekabinen: Shopping. Doch auch Männer legen Wert auf individuelle Beratung. Die wird ihnen jetzt immer häufiger im Internet geboten: Curated Shopping bietet individuelle Beratung, ohne dass man einen Laden betreten muss.
Prominente und Wohlbetuchte nutzen diese Dienstleistung schon lange: zu jedem Anlass lassen sie sich von ihren Stilberatern das passende Outfit zusammenstellen. Man gönnt sich ja sonst nichts. Doch nun wird die individuelle Modeberatung auch für die breite Masse erschwinglich. Und das hat einen Grund: Curated Shopping. Wer online einkauft, kann sich mit Hilfe von Algorithmen und Mode-Experten eine individuelle Garderobe zusammenstellen lassen.
Der Trend kommt aus den Vereinigten Staaten, doch auch hierzulande ist das betreute Online-Shoppen inzwischen so in, dass der Fernsehsender WDR erst kürzlich einen ausführlichen Test verschiedener Anbieter sendete. In Deutschland versuchen sich seit fünf Jahren immer mehr Unternehmen daran, vor allem die Männer von ihrem Service zu überzeugen. Zu den Pionieren gehört das Start-up Modomoto aus Berlin. Gründerin Corinna Powalla war aufgefallen, dass vor allem die Männer in ihrem Freundeskreis Einkaufsmuffel sind – und so entwickelte sie einen Dienst, der ihnen das Shoppen auf dem Sofa ermöglichte. Inzwischen beschäftigt Modomoto nach eigenen Angaben 200 Mitarbeiter und hat mehr als 200.000 Kunden.
Immer mehr Online-Händler bieten Curated Shopping an
Waren es am Anfang vor allem Start-ups wie Modomoto, Outfittery, 8Select oder Kisura, die in dieser Marktlücke eine Chance sahen, setzen nun zunehmend etablierte Online-Händler auf den Experten-Service. Der Online-Versandhändler Zalando bietet seit letztem Jahr das kostenlose Beratungsportal Zalon für Männer und Frauen an. Kunden können sich aus den rund 100 Stylisten den heraussuchen, der am besten zu ihnen passt. Über Styles und Markenvorlieben nähern sich Käufer und Berater dem perfekten Outfit, die aus dem kompletten Sortiment des Fashion-Giganten stammen.
Das Prinzip ist bei allen Anbietern ähnlich: zunächst klickt man sich durch einen Online-Fragekatalog, verrät einiges über Stil- und Kleidergrößen und in welchem Preissegment man sich bewegen möchte. Am Ende werden die Daten ausgewertet, ein Stylist bespricht auf Wunsch telefonisch die Details, um dann in der Regel zwei Outfits zusammenzustellen, die einem unverbindlich und kostenlos zugestellt werden. Der Service wird von den meisten Portalen auch in der Schweiz und Österreich angeboten.
Die Otto-Tochter About you konzentriert sich mit seiner App auf einen spielerischen Ansatz bei der Stilberatung. In einem Stylequiz können Frauen und Männer verschiedene Basisbestandteile eines Outfits auswählen, dann Trends und Marken präferieren und zuletzt sich selbst beschreiben. Das ganze dauert nur wenige Minuten, wer sich dann anmeldet, bekommt seine persönlichen Empfehlungen.
Was früher nur im stationären Handel möglich war, könnte sich durch Curated Shopping jetzt mehr und mehr ins Internet verlagern. Vor allem Männer sollen mit dem Dienst angesprochen werden. Dass sie besonders empfänglich für die persönliche Modeberatung sind, hat eine aktuelle Studie des Marktforschungsinstitut GFK im Auftrag des Personal-Shopping-Anbieters Outfittery ergeben. Rund zehn Prozent der befragten Männer haben den digitalen Dienst bereits in Anspruch genommen. Bei den Frauen sind es nur knapp sechs Prozent. 80 Prozent der Online-Nutzer, die eine Stilberatung in Anspruch genommen haben, würden das auch wieder tun. Die Männer gaben in der Studie an, dass ihnen die qualifizierte Unterstützung die Auswahl erleichtert. Die Frauen dagegen gehen lieber ausgiebig shoppen, 24 Prozent gaben an, für sie gehöre das zum Freizeitvergnügen. Ziel des Konzepts ist wie im stationären Handel eine langfristige Kundenbindung. Mit der Zeit lernen die Modeexperten den Geschmack der Kunden besser kennen, gepaart mit den richtigen Algorithmen erhöhen sich die Trefferquote und die Zufriedenheit der Einkäufer.
Die Unternehmen setzen auf neueste Technologien
Der Umsatz von Modomoto und Outfittery liegen im höheren zweistelligen Millionenbereich. Noch schreiben die Unternehmen keine schwarzen Zahlen – die Vorteile wie die Zeitersparnis beim Einkaufen per Klick müssen sich erst noch herumsprechen. Investoren investieren dennoch schon fleißig in die Start-ups. Zum einen setzt die Branche auf Expansion, längst gibt es Kooperationen mit Onlinehändlern in den Beneluxländern und Skandinavien. Außerdem bedienen sich die Anbieter neuester Technologien. So bietet beispielsweise Outfittery einen Whats-Up-Dienst an, mit dem Kunden von unterwegs Fotos von Outfits, die ihnen gefallen, an die Stilexperten schicken können. Beim Regensburger Start-up 8select unterstützt eine Vermessungssoftware die Fashion-Profis, um die passende Größe zu ermitteln und die User können in einer virtuellen Umkleidekabine eine Vorauswahl treffen und bestellen nur das, was ihnen gefällt. Bei Outfittery und Motomodo erhalten die Kunden eine Art Black-Box und sehen erst, wenn das Paket zu Hause eintrifft, was die Stylisten für sie zusammengestellt haben.
Ein Nischenmarkt mit Potenzial
Mittlerweile gibt es den Service auch für Baby- und Kinderkleidung und das Konzept des Curated Shoppings ist nicht nur auf den Modebereich begrenzt: Weine, Möbel, auch das Abendessen für Zuhause werden über das Internet empfohlen. Die umsatzstärkste Warengruppe bleibt jedoch Bekleidung, das Umsatzvolumen lag 2015 bei rund 10 Milliarden Euro. Tendenz steigend.
Die britische Warenhauskette John Lewis beweist, wie stationärer Handel und E-Commerce erfolgreich zusammenarbeiten können. Das Traditionskaufhaus ist älter als Karstadt und bietet auch einen Curated Shopping-Service an. 30 Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet das Kaufhaus online, das ist fast so viel wie das Volumen von Zalando. Es zeigt, wer auf neue Technologien setzt, die das online Einkaufen erleichtern und mit seinen Kunden interagiert, kann auch von einem Nischenmarkt wie dem Curated Shopping profitieren.