Kolumne von Thomas Strothotte, Präsident der Kühne Logistics University in Hamburg.
Thomas Strothotte spricht über den Modernisierungsbedarf in der Branche und die Logistik als Führungsaufgabe.
Die Logistik hinkt bei der Digitalisierung anderen Branchen hinterher. Das hat viele Gründe. Einer davon ist sicherlich, dass Logistiker noch zu wenig an die Metadaten rund um das Produkt denken. Hier gilt es anzusetzen.
Mittelfristig sehe ich auf drei Ebenen einen Modernisierungsbedarf: Die technische Infrastruktur muss so verbessert werden, dass Datenverarbeitung und -nutzung besser möglich ist. Außerdem müssen Mitarbeiter befähigt werden, die Daten auch professionell und sinnvoll zu nutzen. Dazu müssen Aus- und Weiterbildungen angeboten werden. Und drittens brauchen die Unternehmen ein Management, das den Trend proaktiv nutzt, statt passiv „mitzuschwimmen“. Zu viele Unternehmen agieren nach der Devise: „Da es alle machen, machen wir halt mit!“
Die technische Modernisierung müssen die Unternehmen leisten. Aber wenn es um die Mitarbeiter geht, sind Universitäten ganz klar gefordert. Zum einen natürlich in der Ausbildung der nachfolgenden Generation, aber auch in der Weiterbildung der bestehenden Mitarbeiter. Einfach eine neue Software hinzustellen, reicht nicht. Wir müssen langfristig Führungskräfte aufbauen, die den technischen Wandel auf dem Schirm haben.
Die Logistik ist extrem komplex geworden
Die Digitalisierung ist die große Herausforderung für die Logistik in den kommenden Jahren. Zudem glaube ich, dass auch im Bereich Nachhaltigkeit noch einiges auf uns zukommt, weil die Gesellschaft zunehmend einen Blick auf Emissionen und Energieverbrauch hat. Wer das verschläft, riskiert abgehängt zu werden und in der Bedeutungslosigkeit zu versinken.
Die Studierenden brauchen zunächst einmal Grundlagenwissen. Bevor Sie einem Fahrschüler erklären, wie der Tempomat funktioniert, sollten Sie ihm beigebracht haben, wie er Gas, Bremse und Kupplung betätigt. Als Ergänzung zu diesen Grundlagen bieten wir Veranstaltungsreihen, in denen renommierte Gäste Einblicke in die Praxis geben und neue Erkenntnisse aus der Forschung vorstellen. Das ist die Ausbildungsseite. Auf der Weiterbildungsseite bieten wir für berufserfahrene Führungskräfte sogenannte „Professional Workshops“. Im Herbst werden wir zum Beispiel mit der WHU Otto Beisheim School of Management ein Update zum Thema „Digitalization & Logistics“ anbieten – eine Weiterbildung, die sich sowohl mit der technischen als auch mit der wirtschaftlichen Seite der digitalen Transformation beschäftigt. Ein anderes Beispiel für diese Updates ist unsere jährliche Summer School in Supply Chain Management.
Die Logistik ist in den vergangenen Jahren extrem komplex geworden. Aus dem bloßen Transport von Gegenständen wurden Lieferketten, die über Kontinente hinweg präzise aufeinander abgestimmt werden müssen. Dabei entstehen zum einen Risiken, die sich aus der Volatilität der Einzelschritte ergeben: Wenn ein Erdbeben den Zulieferer in Indonesien lahmlegt, steht in München schon mal eine Produktionslinie still. Zum anderen gibt es mehr Alternativen denn je, die analysiert und eingeordnet werden müssen. Das erfordert entsprechend ausgebildete Mitarbeiter, die mit dieser Komplexität umgehen können, die genauso souverän mit mathematischen Modellen wie mit modernen Führungstechniken arbeiten. Das ist ohne einen hohen Grad an Professionalisierung nicht mehr zu leisten. Das lernen Studierende bei uns.
Ausbilder und Unternehmen müssen eng zusammen arbeiten
Wir haben dafür verschiedene Professuren geschaffen. Die IT-Logistik untersucht beispielsweise, inwieweit digitale Techniken Logistikprozesse unterstützen können. Wir haben in ein hochmodernes IT Lab für unsere Studierenden investiert und berufen noch in diesem Jahr zwei Professoren zu Data Law und Business Intelligence. Neben dem theoretischen Handwerkszeug geht es auch um praktische Skills, die potenzielle Arbeitgeber interessieren. Deshalb arbeiten wir auch eng mit Unternehmen zusammen. Meistens halten unsere Professoren Vorträge, auf die sich dann ein Zuhörer meldet mit dem schönen Satz „Genau das Problem haben wir.“ Umgekehrt wenden sich unsere Professoren auch an Unternehmen, die sie genauer untersuchen möchten, mit der Bitte, deren Daten zu wissenschaftlichen Zwecken nutzen zu dürfen.
Der moderne Logistiker ist zwar datenkompetent, aber er muss die Algorithmen nicht selber programmieren können. Er erstellt Auswertungen und ist in der Lage, daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten und sie mit Hilfe passender Software umzusetzen. Außer Mathematik ist dazu vor allem gesunder Menschenverstand nötig, gepaart mit analytischer Fähigkeit, Umsetzungsstärke und – Achtung – Führungskompetenz. Bei all den Daten und Maschinen dürfen die Manager von morgen nicht vergessen, dass sie in Teams arbeiten.