Der Mensch als reiner Passagier – so könnte die Fortbewegung von morgen aussehen. Während die Autoindustrie bereits autonome Fahrzeuge testet, tüfteln Luftfahrtkonzerne und Start-ups am selbständigen Flugzeug. Im Übermorgenland Dubai soll sich bereits in diesem Sommer ein selbstfliegendes Taxi durch die Luftstraßen bewegen.
Taxis per App bestellen, das ist ein alter Hut. Was aber, wenn das Taxi einen über alle Staus hinweg – ohne Abgase und Fahrer – schnell und sicher ans Ziel bringt? Genau so soll es künftig in Dubai funktionieren. Im Februar präsentierte dort der chinesische Hersteller Ehang ein selbstfliegendes elektrisches Fluggerät auf dem World Government Summit. Auf diesem von internationalen Organisationen wie UNO, Weltbank, dem Internationalen Währungsfond und OECD organisierten Event werden traditionell zukunftsweisende Initiativen vorgestellt.
Das Dubai-Projekt geht noch einen Schritt weiter als beispielsweise das Elevate-Projekt des Taxi-Schrecks Uber, das in den USA die Einführung von Lufttaxis mit Piloten an Bord bis 2026 plant.
Das Flugtaxi fliegt nur nicht bei Gewitter
Das eiförmige Miniflugzeug von Ehang wiegt 200 Kilo und verfügt über acht Rotoren. Klappt man die Flugzeug-Drohne mit ihren vier Auslegern zusammen, passt sie auf einen gewöhnlichen Autoparkplatz. Der Passagier steigt in das per App bestellte Flugobjekt ein, gibt sein Ziel auf einem Display ein und lehnt sich entspannt zurück – sofern er der Technik vertraut. Das Miniflugzeug startet senkrecht. Mit einer Person an Bord kann es bis zu 100 Stundenkilometer schnell fliegen. Es kann ein Gewicht von bis zu 100 Kilo in einer Höhe von bis zu 3.500 Metern transportieren.
Ehang meldet, dass sich die emissionsfreie Menschendrohne vom Typ 184 AAV bereits in der Wüstenhitze und bei Wind bewährt habe, nur während eines Gewitters fliegt sie nicht. Überwacht wird der Flug von einem Kontrollzentrum am Boden. Sicherheitshalber hat der Hersteller alle kritischen Systeme mehrfach ausgelegt. Sobald ein Problem auftaucht, landet das Flugobjekt bei der nächstmöglichen Gelegenheit.
Deutsche Passagiere haben Bedenken
Während sich die Scheichs bereits in diesem Sommer tollkühn in die Lüfte schwingen sollen, bleiben die staugeplagten Deutschen lieber noch auf dem Boden. „Die Vorstellung, ein Flugzeug zu besteigen, das von keinem Piloten gesteuert wird, sorgt hierzulande bei neun von zehn Befragten für Unbehagen“, sagt Marc Bachmann, Bereichsleiter Luftfahrt beim Bitkom.
Der Berliner Digitalverband hat knapp 1.000 Passagiere gefragt, ob sie in einem Flugzeug mitfliegen würden, das nicht von einem Piloten, sondern von einem Computer gesteuert wird. Ergebnis: Die meisten trauen es der Technik weniger zu als einem Piloten, mit unvorhergesehenen Ereignissen wie einem Triebwerksausfall oder einer Schlechtwetterlage fertig zu werden. Sie bezweifeln, dass eine Software die langjährige Erfahrung eines Piloten ersetzen kann und befürchten eine fehlerhafte Programmierung der Bordsoftware, ganz zu Schweigen von der Gefahr von Cyber-Attacken auf das selbstfliegende Gerät.
„Die Vorstellung, in ein unbemanntes Flugzeug zu steigen, ist sicherlich für jeden von uns gewöhnungsbedürftig“, sagt Luftfahrtexperte Bachmann. „Fakt ist aber, dass schon heute viele Flugzeuge automatisch und dabei hochsicher fliegen – der Pilot konzentriert sich überwiegend auf die Überwachung der Abläufe.“ Alles reine Gewöhnungssache, schließlich steige man ja auch sorglos in fahrerlose U-Bahnen wie in Nürnberg ein.
Selbstfliegende Systeme sind die logische Folge autonomer Autos
Luftfahrtunternehmen und Startups rund um den Globus arbeiten mit Hochdruck an der Entwicklung von autonomen Flugzeugen. Viele der erforderlichen Schlüsseltechnologien wie Avionik, Elektroantriebe, Lithium-Ionen-Batterien und ultraleichte Verbundwerkstoffe sind marktreif. Dazu sind die Entwicklungen in der Künstlichen Intelligenz und in der autonomen Navigation so weit fortgeschritten, dass selbstfliegende Systeme als logische Folge der selbstfahrenden Autos erscheinen. Das Fliegen würde damit sicherer werden – so haben 90 Prozent der Flugzeugabstürze menschliches Versagen als Ursache. Pilotenstreiks wären kein Thema mehr für termingetriebene Geschäftsleute.
Bereits im März letzten Jahres absolvierte das Karlsruher Startup e-volo GmbH den Erstflug seines Volocopters VC200, damals der weltweit einzige für den Verkehr zugelassene Multicopter. Zwei Personen finden in der Kabine des Drohnen-artigen Fluggerätes Platz, die es per Joystick bedienen. Das Flugverhalten kann durch Variieren von Parametern in der Steuersoftware vorbestimmt werden.
Die zukünftigen Serien-Volocopter sollen sportlich und agil programmiert werden, jedoch ohne dem Piloten sicherheitskritische Flugmanöver zu ermöglichen – ganz gleich wie aggressiv er den Joystick auch bedient. Es ist geplant, Lufttaxi-Services auf einzelnen Strecken, beispielsweise als Flughafenzubringer, zu etablieren. Die Karlsruher wollen mit ihrem Volocopter aber nicht nur den Traum vom Fliegen ab 2018 für jedermann möglich machen, sondern sehen in ihm auch den Vorreiter der selbstfliegenden Lufttaxis hierzulande.
Airbus arbeitet im Silicon Valley an der Zukunft
Daran arbeitet bereits der Luftfahrtkonzern Airbus in seinem Innovationszentrum A³ im Silicon Valley. Vahana heißt sein Luft-Taxi-Projekt, benannt nach den Reittieren hinduistischer Gottheiten. Das Flugzeug mit acht Rotoren und Landekufen soll den Straßenverkehr in den Städten entlasten, kann aber nur eine Person mit Gepäck befördern.
„Autonome Flugzeuge wie Vahana helfen, Verkehrsstaus zu verringern, und sie tragen dazu bei, die Infrastruktur wie Straßen und Brücken zu schonen und teure Reparaturen zu vermeiden“, sagt der Projektleiter Zach Lovering. Neben der Personenbeförderung könne das autonome Fluggerät auch für den Transport von schweren Ladungen in Katastrophengebiete genutzt werden.
Der erste Testflug ist Ende 2017 geplant. Mit dem Einsatz als autonom fliegendes Taxi mit Menschen an Bord rechnet Lovering aber erst in zehn Jahren: „Es ist eine zentrale Voraussetzung für dieses Projekt, dass wir mit der Vollautomatisierung und damit der Vermeidung menschlicher Fehler eine höhere Sicherheit erreichen, und es gelingt, dass sich mehrere Flugtaxis den Himmel teilen.“
Die rechtliche Grundlage muss erst geschaffen werden
So lange wird es in Deutschland mindestens noch dauern, bis wir per App ein Lufttaxi bestellen können – und wollen. Für einen Lufttaxibetrieb muss zunächst die rechtliche Grundlage geschaffen werden. „Nach geltender Rechtslage dürfen in der Innenstadt nur Polizei- und Rettungshubschrauber starten und landen“, erklärt Stefan Levedag, Direktor des Instituts für Flugsystemtechnik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Braunschweig.
Besonders die dicht bebauten Innenstädte stellen die Ingenieure vor eine technische Herausforderung: „Senkrecht startende Flugzeuge mit kleinen Rotoren müssen sehr viel Luft nach unten beschleunigen. Sie brauchen daher hohe Strahlgeschwindigkeiten“, so Levedag. Gemeint sind die Geschwindigkeiten der durch die Propeller beschleunigten Luft. „Das führt zu viel Lärm und sehr starkem Abwind.“ Die Menschen und Gegenstände in näherer Umgebung würden einfach hinweggefegt. Technisch gesehen ist also noch reichlich Luft nach oben.