Mensch vs. Maschine? Handel der Zukunft braucht strategisches Miteinander

Künstliche Intelligenz wird den Handel in Zukunft verändern – doch wie stark? Wird der Einsatz von Maschinen den persönlichen, menschlichen Service sogar überflüssig machen? Eine fein abgestimmte Zusammenarbeit von Mensch und Maschine ist das Erfolgsrezept, meint Dr. Dominique Ziegelmayer von Trusted Enterprise.

Dr. Dominique Ziegelmayer, Head of IT & Product Trusted Enterprise bei Trusted Shops. (Foto: Trusted Shops)

Künstliche Intelligenz (KI) im E-Commerce – das ist aktuell noch Zukunftsmusik. Doch geben interessante Anwendungen bereits heute einen ersten Eindruck. Wie stark wird Künstliche Intelligenz den Handel zukünftig verändern? Wird der Einsatz von Maschinen den persönlichen, menschlichen Service überflüssig machen? Eine fein aufeinander abgestimmte Zusammenarbeit von Mensch und Maschine ist das Erfolgsrezept, meint Dr. Dominique Ziegelmayer, Director Enterprise Platform bei Trusted Enterprise.

KI-basierte Tools kommen zunehmend im Handel zum Einsatz. Das betrifft auch die autonome Zustellung. Hermes Germany und das europäische Technologie-Start-up Starship Technologies testen aktuell die Paketzustellung per Roboter in Hamburg. Ein ganz anderes prominentes Beispiel für Künstliche Intelligenz ist Amazons Sprachassistenz Alexa. Diese reagiert auf Zuruf. So funktioniert eine Bestellung, ohne dass dabei ein Bildschirm oder ein Mobile Device benötigt wird. Wo ist mein Hermes-Paket? Kunden in Großbritannien erhalten via Alexa auch darauf eine Antwort und können bequem die Sendung nachverfolgen.

Welche weiteren KI-Anwendungen im E-Commerce finden Sie aktuell besonders spannend?

Ziegelmayer: Gerade die Marktführer im Online-Bereich zeigen erste interessante Anwendungen auf. So sind Chat- und Service-Bots vor allem im Online-Handel zu nennen. Diese intelligenten Programme geben zum Beispiel im Live-Chat auf der Händlerseite Auskunft zu Produktdetails, einer Lieferung oder einer Retoure. Besonders beeindruckend ist, dass der Kunde zum Teil gar nicht mehr sicher sein kann, ob er nun mit einem Menschen oder einer Maschine spricht.

Sowohl im Online- als auch im Offlinehandel kommen intelligente Prognosesysteme zum Einsatz. Diese betrachten saisonale Effekte, bilden Käufergruppen und lernen aus vergangenen Bestellungen. So prognostizieren sie den Absatz von Produkten. Im Idealfall wissen sie sogar noch vor den Verbrauchern, was sie als nächstes bestellen werden. Händler sind dadurch in der Lage, die Webseiten auf die entsprechenden Produktgruppen auszurichten, den eigenen Einkauf zu veranlassen, das Lager zu bestücken und am Ende die Versandzeiten zu reduzieren.

Künstliche Intelligenz durchdringt Online sowie Offline

Im Hinblick auf die gesamte Wertschöpfungskette des Handels, in welchen Bereichen werden sich KI-Technologien zukünftig etablieren?

Ziegelmayer: KI-Technologien werden künftig aus keinem Bereich der Wertschöpfungskette wegzudenken sein. Intelligente Prognose- und Preissysteme werden den Einkauf, die Produktion, die Logistik und die Warenwirtschaft beeinflussen. Im Kundenservice werden Maschinen eine wichtige Rolle spielen. Das betrifft nicht allein den Online-Handel: In stationären Geschäften werden in anderen Ländern, inzwischen aber auch in Deutschland, bereits Beratungsroboter in die Kundenbetreuung vor Ort eingebunden. Zum Beispiel ist seit Oktober 2016 ein sprechender Roboter namens Paul im Saturn-Markt Ingolstadt im Einsatz.

KI-Technologien unterstützen die zunehmende Individualisierung von Services – zum Beispiel im Bereich der Bezahlung. Betrugspräventionssysteme ermöglichen es, auf Basis von Verhaltens-, Zahlungs- und Produktdaten in Sekundenschnelle zu entscheiden, welche individuellen Zahlungsarten einem Käufer angeboten werden.

Online oder Offline – Wo wird Künstliche Intelligenz in Zukunft eine größere Bedeutung haben?

Ziegelmayer: Maschinelle Lernverfahren benötigen zwei Dinge: Technologie und Daten. Hier nimmt der besser aufgestellte Online-Bereich eine Vorreiterrolle ein. Die zunehmende digitale Transformation sorgt jedoch dafür, dass Online und Offline in Zukunft zusammenwachsen und eine einheitliche Datenbasis für Algorithmen entsteht.

Die Vorteile eines solchen holistischen Blicks auf den Kunden sehen wir mit Trusted Enterprise bereits heute, denn nur durch die Kombination von Online- und Offline-Daten kann unsere KI für unsere Kunden treffend entscheiden, wann wir einen Konsumenten um Feedback bitten und an welche Systeme und Abteilungen wir dieses weiterleiten.

KI-Expertise bringt Wettbewerbsvorteile

Werden in Zukunft auch kleine Handelsunternehmen in Sachen KI mithalten können?

Ziegelmayer: Durch Cloud-Dienste wie Amazon Webservices wird KI auch für kleinere Unternehmen erschwinglich und anwendbar. Deshalb werden auch kleinere Händler von den Errungenschaften der Software-Anbieter profitieren. Es gibt aber nur zwei Möglichkeiten, um KI als Wettbewerbsvorteil einzusetzen: Entweder bauen Unternehmen die eigene KI-Expertise aus, in Form von Data Scientists und Entwicklern. Die andere Option ist es, mit innovativen Partnern zu kooperieren. Beides erfordert Investitionen. Große Handelsunternehmen sind dabei definitiv im Vorteil.

Wird der Einsatz von Maschinen den persönlichen, menschlichen Service überflüssig machen?

Ziegelmayer: Der Einsatz von Maschinen wird die Art zu Arbeiten klar verändern. Doch ich verstehe KI in der Zukunft eher als „Augmented Intelligence“, also ein System, das unsere eigene Intelligenz noch effizienter nutzbar macht. Heutige Anwendungen deuten das Potential bereits an, Prozesse und Abläufe effektiver zu gestalten sowie die Entscheidungsfindung zu optimieren. So wird ein Service-Mitarbeiter nicht etwa weniger zu tun haben. Das System versetzt ihn in die Lage, Entscheidungen auf Basis von besseren und mehr Informationen zu treffen und sich genau im richtigen Moment um den richtigen Kunden zu kümmern. Es wird in Zukunft sehr stark darauf ankommen, dass die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine überlegt und aufeinander abgestimmt funktioniert.

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