Nachhaltigkeit gewinnt

Egal ob CO2-Ausstoß oder Arbeitsbedingungen, Unternehmen müssen heute auch bei ökologischen und soziale Themen Transparenz schaffen. Der Paketdienst Hermes hat sich hohe Ziele gesteckt – und kommt diesen jeden Tag ein Stückweit näher.

Oliver Lanka, Leiter Zentraleinkauf und Fuhrpark bei Hermes, freut sich, dass der neue Elektro-Sprinter nun auch in Berlin für die alternative Paketzustellung genutzt wird. (Foto: Hermes/Dirk Heckmann)

Egal ob CO2-Ausstoß oder Arbeitsbedingungen, Unternehmen müssen heute auch bei ökologischen und soziale Themen Transparenz schaffen. Der Paketdienst Hermes hat sich hohe Ziele gesteckt – und kommt diesen jeden Tag ein Stückweit näher.

Der größte Profiteur der Aktion ist natürlich anwesend, aber leider unsichtbar, deshalb hat er vorsichthalber eine Nachricht hinterlassen: „Da freut sich die Berliner Luft, Luft, Luft“, steht auf der Seite des Fahrzeugs, das an diesem Vormittag am Brandenburger Tor von der empro Elektromobilität GmbH an den Paketdienst Hermes übergeben wird.

Seit dem 12. Juni ist die Paketzustellung mit Hermes in Berlin wieder ein bisschen CO2-effizienter – und damit ökologischer. Mit einem  Elektro-Sprinter unterstützt der Paketdienst ein Teilprojekt des „Schaufenster Elektromobilität“ des im Land Berlin-Brandenburg, dessen Ziel es ist, den Ausbau von elektrischer Mobilität in Ballungszentren zu fördern.

Das Fahrzeug ist das bislang größte E-Nutzfahrzeug des Hamburger Unternehmens. Es zeichnet sich durch 700 Kilogramm Nutzlast und ein Ladevolumen von 15 Kubikmetern aus. Der elektrische Prototyp  wurde eigens für den Paketdienst konzipiert, durch den Einsatz einer 40 kWh-Lithium-Ionen-Batterie verfügt es über eine Reichweite von rund 120 Kilometern. Hermes CEO  Frank Rausch freut sich über den Neuling in der Flotte: „Hermes hat bei der Erprobung alternativer Antriebe eine lange Tradition. Seit 25 Jahren ist der Einsatz von alternativen Antriebstechniken eine zentrale Säule bei der zukunftsfähigen Ausrichtung unseres Unternehmens“, sagt er, „diesen Weg setzen wir mit dem Schaufensterprojekt nun konsequent fort.“

Das Engagement in Berlin ist aber nur eines von vielen Projekten, mit dem sich Hermes um Nachhaltigkeit bemüht. In den vergangenen Jahren ist es dem Unternehmen gelungen, den CO2-Ausstoß pro zugestellter Sendung um rund 43 Prozent auf dem Weg zum Kunden zu reduzieren. Dazu tragen z.B. die 14.000 Hermes PaketShops in Deutschland bei, die über die Bündelung von Verkehren rund 30 Prozent CO2 im Vergleich zur Zustellung an der Haustür einsparen. Über 20 Hermes Standorte wurden bereits nach dem Standard der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) realisiert. Und zusätzlich engagiert sich Hermes aktiv in namhaften Forschungsprojekten und ist ein gefragter Kooperationspartner der Automobilindustrie, zum Beispiel im Bereich Elektromobilität. Es gibt aber auch ganz andere Projekte: In Zusammenarbeit  mit dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) wurden sechs Insektenhotels aufgestellt, um Wildbienen und Hummeln einen geschützten Unterschlupf zu gewähren. Und das sind nur einige Beispiele.

Die sozialen Rahmenbedingungen spielen eine große Rolle

Nachhaltigkeit hat in den vergangenen Jahren enorm an Fahrt gewonnen, egal ob man es aus politischer, gesellschaftlicher oder unternehmerischer Perspektive betrachtet. „Das Thema ist seit Mitte der 80er Jahre in der Hermes Gruppe ein wichtiges Thema“, sagt Stefan Hinz, Teamleiter Nachhaltigkeitsmanagement der Hermes Logistik Gruppe Deutschland. In den 80er Jahren ging es noch rein um den Umweltschutz, nach der Jahrtausendwende weitete sich das Spektrum schon auf den Klimaschutz aus und spätestens seit den Enthüllungen des Journalisten Günter Wallraff über die Zustände in der Branche spielen auch die sozialen Rahmenbedingungen eine große Rolle. „Da gab es in den letzten Jahren in der Branche der Kurier-, Express- und Paketdienste einigen Nachholbedarf“, sagt Hinz. Seit drei Jahren hat Hermes deshalb als erstes Unternehmen im Markt die Zertifizierung seiner Vertragspartner vorangetrieben. Wer für die Hamburger Pakete ausliefern will, muss eine Prüfung des SGS-TÜV Saar bestehen, in der getestet wird, ob faire Arbeitsbedingungen herrschen. Es geht dabei um die Bezahlung, Arbeitszeit, Urlaubsansprüche und andere Sozialleistungen. „Wir verstehen die Zertifizierung als einen lernenden, stetig wachsenden Prozess“, sagt Hinz. Erste Ergebnisse können sich sehen lassen. Ende vergangenen Jahres überprüfte die Stiftung Warentest fünf großen Paketdienstleister. Beim Thema Umweltschutz und Arbeitsbedingungen landete Hermes auf dem zweiten Platz. „Darauf sind wir natürlich stolz“, sagt Hinz.

Ausruhen kann sich der Paketdienst darauf allerdings nicht. Nachhaltigkeit ist aus den Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Durch die Globalisierung und die Urbanisierung hat das Thema weiter an Präsenz gewonnen. Das hat einerseits die Politik zum Handeln gezwungen, europaweit gilt inzwischen eine Berichtspflicht, das heißt, Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern müssen über ökologische und soziale Themen Rechenschaft ablegen. Hinzu kommt der Druck aus dem Markt. Die Kunden sind beim Thema Nachhaltigkeit inzwischen extrem sensibilisiert. Wer beispielsweise bei Otto ein T-Shirt bestellt, will heute oft alles über das Produkt wissen: Wo die Rohstoffe herkommen, welche Arbeitsbedingungen bei der Herstellung gegeben sind und wie das Produkt am Ende transportiert wird. Der Verbraucher fragt stärker nach und sorgt damit dafür, dass die Verantwortung breiter verteilt wird. Das stellt hohe Anforderungen an die Unternehmen, Nachhaltigkeit entlang ihrer gesamten Lieferketten durchzusetzen und nachzuhalten.

Das Thema Nachhaltigkeit muss Teil der Strategie sein

Auch deshalb wird das Thema „Corporate Responsibility“ (CR) immer stärker in den Unternehmen etabliert. Es ist ein echtes Querschnittsthema geworden, es reicht längst nicht mehr, dass der Vorstand die Notwendigkeit erkennt, sie muss ins Unternehmen hineingetragen werden. „Es ist vor allem wichtig, dass die Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit stärker in ihre Strategie eingliedern“, sagt Jane Ehlers von der Nachhaltigkeitsberatung akzente. „Wichtig auch im Sinne der Glaubwürdigkeit ist es, dass das Thema unternehmerischer Verantwortung raus aus dem reinen Marketing  kommt, und stattdessen weit reichend im Unternehmen verankert wird.“

Die Otto Group, Konzernmutter der Hermes Logistik, ist bei dem Thema Vorreiter. Und auch die Tochter hat große Ziele. Neben den sozialen Aspekten steht vor allem der CO2-Verbrauch im Fokus. Bis 2020 will das Unternehmen im Vergleich zum Jahr 2006 an den Logistikstandorten die Hälfte des CO2 einsparen. Knapp die Hälfte hat das Unternehmen bereits erreicht. Zu schaffen ist das nur durch große logistische Optimierung. Distribution, Beschaffung und Standorte müssen überdacht und neu organisiert werden. So werden Touren inzwischen völlig anders geplant, um sie effizienter zu machen. „Großes Potential hat die Elektromobilität“, sagt Nachhaltigkeits-Mann Hinz. Doch in Deutschland geht die Entwicklung noch schleppend voran. Hermes würde beispielsweise mit mehr Elektrofahrzeugen ausliefern, wenn der Einsatz der Technologie wirtschaftlich und der Paketdienst dafür z.B. die Busspur des öffentlichen Nahverkehrs benutzen dürfte. „Das wäre ein positives Signal für die Entwicklung der Technologie und ein positives Incentive für die Unternehmen“, meint Stefan Hinz. Bisher kann sich die Politik dazu aber nicht durchringen. Und auch die finanzielle Unterstützung für den Umstieg auf elektrische Fahrzeuge hält sich in Grenzen. Bisher sind die Autos noch so teuer, dass es für Unternehmen kaum finanzierbar ist, die komplette Flotte umzustellen.

Die Diskussion wird weitergehen. In England hat die Politik eine extrem hohe Maut für Teile der Hauptstadt eingeführt, um der Überlastung der Straßen Herr zu werden. In London stellt Hermes daher seit dem Sommer 2014 Pakete an Kunden im Innenstadtbereich nur noch mit elektrischen Fahrzeugen zu – und damit zu 100% emissionsfrei. Und wer weiß, vielleicht kann sich auch die Berliner Luft bald noch viel mehr freuen.

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