Ausgereizt

Kolumne von Dr. Klaus Beck Die Steueranreize für den B2C Internethandel hatten in China einen wahren Kaufrausch ausgelöst. Jetzt rudert die Regierung zurück, nach ungewöhnlich kurzer Zeit. Ein heikles Unterfangen.

Dr. Klaus Beck, Rechtsanwalt für nationales und internationales Wirtschaftsrecht. (Foto: Dr. Klaus Beck)

Kolumne von Dr. Klaus Beck

Die Steueranreize für den B2C Internethandel hatten in China einen wahren Kaufrausch ausgelöst. Jetzt rudert die Regierung zurück, nach ungewöhnlich kurzer Zeit. Ein heikles Unterfangen.

Ab dem 8. April gelten in China neue Besteuerungsgrundlagen für importierte Produkte, die private Konsumenten über das Internet beziehen. Laut Mitteilung Nummer 18 (2016) halten die Finanzbehörden die vormals geltende Besteuerung allein anhand der Paketsteuer für ungerecht und wettbewerbsverzerrend. Denn je nach Produkt wurde innerhalb der mittlerweile 12 ausgewiesenen E-Commerce-Sonderzonen lediglich diese einheitliche Paketsteuer in Höhe von 10 bis 50 Prozent erhoben. Sofern die erhobene Steuer nicht über 50 Renminbi lag, entfiel sie sogar ganz. Einzelhändler und sonstige gewerbliche Importeure mussten dagegen mit der üblichen Einfuhrsteuer, der Umsatzsteuer sowie einer Verbrauchssteuer rechnen. Auch wenn 50 Prozent Steuer erstmal viel klingt, war der Preisvorteil für Privatkunden insgesamt enorm – wie in den Beispielen unten zu erkennen sein wird.

Neuerdings werden bei E-Commerce-Importen an Privatpersonen weiterhin einige Abstriche gemacht, doch sie sind der regulären Besteuerung bereits sehr weit angenähert: Bei Sendungen mit einem Wert bis 2.000 RMB entfällt die Einfuhrsteuer, außerdem werden von der Umsatz- und Verbrauchssteuer nur 70 Prozent angerechnet. Werden die 2.000 RMB oder das jährliches Limit von 20.000 RMB überschritten, werden also die regulären Sätze von Einfuhr-, Umsatz- und Verbrauchssteuer erhoben. Eine ähnliche Freigrenze gab es auch schon in den Paketsteuerregeln, dort lag die Grenze aber bei 1.000 RMB.

Zur Erläuterung nun also zwei Beispiele:

Bei einem Kosmetikprodukt für 100 RMB galt vormals der höchste Satz von 50 Prozent. Das Produkt hätte also 150 RMB gekostet. Allerdings konnte die Steuer von 50 RMB ganz entfallen, da sie eben gerade 50 RMB betrug. Der Endpreis betrug damit 100 RMB. Neuerdings werden 17 Prozent Umsatzsteuer erhoben, außerdem für Kosmetika 30 Prozent Verbrauchssteuer. Von den 47 Prozent Steuer werden nur 70 Prozent angerechnet, damit ergibt sich ein Satz von 32,9 Prozent und ein Endbetrag von 132,90 RMB.

Im Fall von Babynahrung lag der Steuersatz bei nur 10 Prozent. Man konnte sie daher bis zu 500 RMB steuerfrei einkaufen. Sofern man nach den neuen Regeln unter einer Bestellung in Höhe von 2.000 RMB liegt, wird nun eine Steuer in Höhe von 11,9 Prozent fällig, das Endprodukt also 559,50 RMB anstatt 500 RMB kosten. Darüber wiederum kommen gar keine Vergünstigungen mehr zum tragen.

Hochpreisige Produkte werden billiger

Natürlich gibt es eine Kehrseite der Medaille, sozusagen die Sonnenseite. Denn wer hochpreisige Produkte besonders aus der vormaligen 50-Prozent-Kategorie erwirbt, wird sich in Zukunft einiges sparen. Gerade Kosmetika werden daher auch in Zukunft keine Absatzprobleme haben. Teurer werden höchstens die beliebten Beautyprodukte aus Südkorea, die einen eher niedrigen Anfangspreis haben. In der zweiten großen Gruppe der Importprodukte werden Lebensmittel zwar grundsätzlich teurer, chinesische Konsumenten sind aber mittlerweile bereit, dafür zu zahlen. Bei Produkten, die unmittelbar den Körper und die Gesundheit betreffen, sind Sicherheit und Qualität die Prioritäten.

So weit so gut, besonders die deutschen Exporteure müssen sich nicht allzu große Sorgen machen. Prekär ist allerdings, dass die ganze Aktion gerade mal ein Jahr gedauert und in der Zwischenzeit Heerscharen von chinesischen Unternehmen hervorgebracht hat, die sich ausschließlich von den Margen ernährt hat, die sich aus der unterschiedlichen Besteuerung ergeben haben. Deren Tage dürften nun gezählt sein.

Aus der Grauzone ans Licht

Ebenfalls skeptisch muss man wohl auch das Problem der Schwarzimporte betrachten. Anlass und Grund für die Errichtung der Sonderzonen, mit ihren Steueranreizen und der verminderten Einfuhrbürokratie, war ja gerade das Bemühen um die Austrocknung dieses Warenschmuggels, nachdem Warensendungskontrollen dem Problem nicht Herr werden konnten. Inwiefern das auch in Zukunft so relativ gut gelingen wird, ist gänzlich ungeklärt. Gleichzeitig zu den Neuregelungen verkündete man sofort auch erhöhte Paketkontrollen. Dieser Ansatz überzeugt jetzt genauso wenig, wie in den Jahren zuvor.

Es gehört zur chinesischen Wirtschaftspolitik, neue Ideen zunächst in Form von Pilotprojekten umzusetzen und mit finanziellen Anreizen zu versehen. In der Regel wird dabei allerdings in Jahrzehnten gerechnet, um eine gewisse Investitionssicherheit zu gewährleisten. In diesem Fall mag es der sprunghafte Anstieg des Internethandels um 30 Prozent und die Aussicht auf 20 Prozent des gesamten Handelsvolumens für 2016 gewesen sein. Oder aber die deutliche Benachteiligung traditioneller Einzelhändler. Die Entscheidung als solche ist meines Erachtens eine richtige. Nicht zuletzt trägt sie dazu bei, den grenzüberschreitenden Internethandel mit China aus einer Grauzone ins Licht zu führen.


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