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Banking ohne Banken

Die etablierten Banken von einst müssen sich neu aufstellen, wenn sie im Wettbewerb mit jungen innovativen Start-ups bestehen wollen. (Foto: All Mauritius images)

Fintechs mischen die Bankenwelt auf. Die Start-ups sind innovativer als die etablierten Geldhäuser. Um den technologischen Anschluss nicht zu verpassen, kooperieren immer mehr Banken mit den jungen Herausforderern.

Am Ende seiner Rede auf der Jahrestagung „Banken im Umbruch“ richtete Jürgen Fitschen noch eine Botschaft an die Fintechs. Deren junge Gründer hatten in den vergangenen Monaten bei jeder sich bietenden Gelegenheit einen „Grabgesang auf die Banken“ angestimmt, weil die Häuser angeblich die digitale Zukunft verschlafen hätten. Anfang September antwortete der Deutsche-Bank-Chef den Herausforderern. Tenor: Was ihr könnt, können wir schon lange!

Ihr seid eine „Bereicherung für unsere Industrie“, sagte Fitschen vor den versammelten Bankenmanagern in gönnerhaftem Ton. Ihr habt ein paar wirklich gute Ideen entwickelt, „die für uns von Nutzen sein können“. Aber vor allem habt ihr uns dazu angeregt, „die Dinge selber zu machen“. Die Banken würden sich von nun an „schneller verändern als in den Jahrzehnten zuvor“.

Wenn die Fintech-Chefs ein Podium betreten, um über die Zukunft des Banking zu sprechen, kommt der Deutschen Bank eine ganz andere Rolle zu: die eines Bollwerks gegen jede Art von Innovation. Und die Botschaft der „Hipsterpreneure“ lautet: Weil ihr Banker die Zeichen der Zeit nicht erkannt habt, seid ihr akut vom Aussterben bedroht. So wie I-Tunes die Musikindustrie und Amazon den Buchhandel umgewälzt haben, so werden wir Fintechs die Bankenwelt aus den Angeln heben.

Angriffslustige Herausforderer

Fintechs, eine Kreuzung aus financial services und technology, sind Start-up-Firmen in der Finanzindustrie. Sie greifen die etablierten Banken mit Internet- und Software-Lösungen an einer Flanke an, wo sie besonders gefährdet sind: im Zahlungsverkehr und im Geschäft mit Privatkunden. „Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert“, sagte die frühere Hewlett-Packard-Chefin Carly Fiorina einmal. Diese Mission in der Bankenbranche zu erfüllen, ist das Geschäft von Fintechs wie Transwise.

Das 2011 in London gegründete Payment-Start-up gehört zu den Stars der Szene und sammelt nach Belieben Geld von Risikokapitalgebern ein. Transwise bietet Überweisungen ins Ausland via App an – und dies zu günstigen Gebühren von 0,5 Prozent. Die jungen Chefs inszenieren sich als angriffslustige Herausforderer. David gegen Goliath. Jung gegen alt. Schnell und wendig gegen behäbig. Offenes Hemd gegen Schlips und Kragen.

Mit dem Slogan „Mach’ Schluss mit Deiner alten Bank!“ ging Anfang des Jahres die Berliner Fintech-Firma Number 26 an den Start, die ihren Kunden ein kostenloses Girokonto zur Verfügung stellt. Alle Transaktionen werden in Echtzeit über das Smartphone abgewickelt. Kostenfrei dazu gibt es eine Mastercard, mit der man weltweit ohne Gebühren Geld abheben kann. Banking ohne Bank? Nicht ganz. Weil Number 26 keine eigene Banklizenz besitzt, liegt das Geld der Kunden auf den Konten des Partners, der Wirecard Bank.

Big Data ersetzt die Schufa

12000 Fintechs gibt es weltweit. Dem Beratungsunternehmen Accenture zufolge sollen wagemutige Geldgeber 2014 mehr als 12 Milliarden Dollar in die kleinen Technologiefirmen gesteckt haben. Anstatt wie eine Sparkasse oder eine Geschäftsbank alle Dienstleistungen aus einer Hand anzubieten, konzentrieren sich die Newcomer auf einzelne Teile der Wertschöpfungskette. Etwa der Vergabe von Kleinkrediten. Zu sehr hohen Zinsen verleiht Kreditech aus Hamburg Geld an Kunden, die von Banken als nicht kreditwürdig eingestuft werden. Eine Bonitätsauskunft wird nicht verlangt, dafür muss sich der potenzielle Kunde komplett durchleuchten lassen. Jeder Spur im World Wide Web wird nachgegangen. Big Data ersetzt die Schufa.

Digitale Plattformen wie Auxmoney oder Lendico bringen Kreditsucher mit investitionswilligen Privatleuten zusammen, die sich schon mit kleinen Summen ab 25 Euro an einem Projekt beteiligen können. In den USA entwickelt sich das Crowdlending rasant, der Markt könnte bis 2050 ein Volumen von 150 Milliarden Dollar erreichen, schätzt der Wirtschaftsprüfer PwC.

Fintechs haben den etablierten Bankhäusern „etwas Entscheidendes voraus“, sagt Sven Korschinowski von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, Experte für Payment, Fintech & Innovation. „Sie nehmen immer den Kunden in den Blick.“ Banken würden traditionell danach fragen, was will der Markt? Fintechs dagegen fragten direkt, was will der Kunde? Nutzerfreundlichkeit sei ihre „stärkste Waffe“. Sie wissen, dass dem Kunden die Bank an sich fremd ist. Daher ist ihr Leitspruch: „We need banking, no banks!“ (Bill Gates).

Banken kooperieren mit den Angreifern

Doch bei aller Lust an der Konfrontation: Die meisten Fintechs suchen die Nähe zu den Konzernen. Sie wollen den Geldhäusern nicht Kunden und Marktanteile rauben, sondern lieber die eigene Software verkaufen. Bei Interesse dürfen die Banken die externe Technologie auch unter eigenem Namen („White-labelling“) verwenden. Die Revoluzzer treibt weniger die Systemfrage an als die Chance, schnell reich zu werden.

Dutzende Banken kooperieren inzwischen mit den Angreifern aus dem Netz. Die einen haben, was den anderen fehlt. Die Fintechs bringen die Innovationen ein, die Vernetzung mit dem Handel über diverse Bezahlsysteme, die Banken die Kundenkontakte, das Geld, das regulatorische Know how und nicht zuletzt das Vertrauen. Darauf basiert Banking, und allen Finanzkrisen zum Trotz können die altehrwürdigen Institute hier noch einen Vorsprung vorweisen. Besonders bei Firmenkunden sind Berührungsängste zu beobachten. Wenn es großen Kreditsummen geht, vertrauen sie dem klassischen Bankangestellten mehr als dem Start-up-Unternehmer mit einer schicken App. Doch die Gründerszene wandelt sich.

„Immer mehr Absolventen hochrangiger Wirtschaftsuniversitäten entscheiden sich dafür, in Fintech-Firmen einzusteigen oder selber zu gründen“, sagt Martin Zander, Kommunikationschef des Bezahldienstleisters Yapital der Otto-Gruppe. Andererseits arbeiten auch in den Bankhäusern „inzwischen viele junge Manager, die mit Smartphone, mit Online und Mobile Banking aufgewachsen sind“. Die Welten näherten sich einander an.

Universalbanken werden in ihre Einzelbereiche zerlegt, einfache Geschäftsbereiche, die digitalisierbar sind, werden ausgelagert und von coolen Fintechs übernommen. „Die Banken müssen ihre Geschäftsmodelle überdenken und sich neu aufstellen“, sagt Martin Zander. „Die einen werden sich zu reinen Geschäftsbanken entwickeln, die anderen auf Privatkunden spezialisieren und weitaus konsumentenorientierter agieren.“ Es sei aber Fakt, dass dem Bankkunden das Gespräch mit dem Berater sehr wichtig ist. „Solange es den Banken gelingt, das Image aufrechtzuerhalten, ihre Kunden persönlich zu betreuen, werden ihnen die Leute nicht in Scharen davonlaufen.“

Eine größere Gefahr für die Häuser könnte sein, wenn alle Einzelteile an einem virtuellen Ort wieder zu einem Ganzen zusammengefügt werden. Man stelle sich vor: Die zehn erfolgreichsten Fintechs treten gemeinsam auf einer digitalen Plattform gegen die Banken an. Mit kundenorientierten Produkten und schlanken internen Abläufen ohne lästige Medienbrüche. Dann würden plötzlich Player das Geschäft machen, von denen Jürgen Fitschen jüngst in Frankfurt sagte, sie würde „aus einem ganz anderen Umfeld“ stammen. Dann könnte sie eines Tages tatsächlich entstehen: die neue Bankenwelt ohne eine einzige Bank.

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