City-Logistik „Ökologisch, schnell und kostenlos – das ist ein Widerspruch“

Metropolen wie Hamburg oder Stuttgart sind wichtige Testmärkte zur Entwicklung einer nachhaltigen Paketlogistik. Gleichzeitig nimmt die Logistik eine zentrale Rolle bei der Stadt- und Verkehrsentwicklung ein. In der Gesellschaft muss diese Rolle noch verankert werden, meint Hermes Germany Geschäftsführer Operations Dirk Rahn.

Umweltverträgliche Logistik-Konzepte für die „Letzte Meile“ in Metropolregionen sind dringend gefordert. (Foto: Hermes)

Hamburg ist die Nummer 1 bei der Digitalisierung der Mobilität – das geht aus einer aktuellen Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Unternehmensberatungsgesellschaft PwC hervor. Untersucht wurden die 25 einwohnerstärksten Städte Deutschlands hinsichtlich der Digitalisierung und Elektrifizierung der Mobilität. Vier Bereiche standen im Fokus: Digitalisierung der Infrastruktur, Sharing, Elektromobilität sowie Öffentlicher Personennahverkehr. Hamburg stach vor allem bei der Infrastruktur hervor und erreichte im Gesamtranking Platz 1 mit 76,7 von 100 möglichen Punkten. Darauf folgt Stuttgart als Vorreiter für Elektromobilität (71,9 Punkte). Rang 3 belegt Berlin (67,1 Punkte).

Aus Sicht der Logistik verdeutlicht das Ergebnis, warum gerade Metropolen wie Hamburg oder Stuttgart ein wichtiger Testmarkt für die Entwicklung und Einführung zukunftsweisender, umweltverträglicher Zustellkonzepte sind. Gleichzeitig leistet die Logistik damit einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Stadt- und Verkehrsentwicklung. Weshalb diese Rolle in der Gesellschaft noch viel stärker verankert werden muss, erläutert Dirk Rahn, Geschäftsführer Operations von Hermes Germany.

Wie hoch ist bei Hermes der Anteil von Paketen im städtischen Raum? Und welche Bedeutung haben umweltverträgliche Konzepte für die „letzte Meile“ in Metropolregionen?

Dirk Rahn: In Deutschland leben rund 75 Prozent der Menschen im Stadtgebiet. Das entspricht in etwa der Verteilung unserer Sendungsmengen. Wobei der Trend zur Urbanisierung anhält. Auch deshalb hat Klima- und Umweltschutz bei Hermes Tradition. Als 100-prozentiges Otto Group Unternehmen verfolgen wir eine ambitionierte Klimapolitik mit klar definierten Zielen, besonders im Bereich der CO2-Reduktion. Gemeinsam mit dem Konzern haben wir uns vorgenommen, unsere CO2-Bilanz bis 2020 gruppenweit zu halbieren. Bis heute haben wir bereits fast 50 Prozent dieser Emissionen pro Paket allein auf der sog. „letzten Meile“ eingespart.

Elektromobilität ist bestimmendes Thema

Mit welchen Maßnahmen versuchen Sie, Ihre Paketauslieferungen umweltfreundlicher zu machen?

Dirk Rahn: Beim Ausbau unseres Fuhrparks ist das Thema Elektromobilität momentan bestimmend. So werden wir ab 2018 in enger Kooperation mit Mercedes-Benz Vans den Einsatz batterieelektrischer Fahrzeuge in Stuttgart und Hamburg starten. Bis einschließlich 2020 sollen insgesamt 1.500 Elektrotransporter deutschlandweit in Ballungsräumen eingesetzt werden. Auch der Test emissionsfrei fahrender Starship-Roboter in Hamburg und London darf hier nicht unerwähnt bleiben.

Zudem investieren wir aktuell in Deutschland bis 2019 rund 300 Mio. EUR in den Aufbau neuer Logistikzentren. Das Plus für die Umwelt: Sämtliche Neubauten werden nach den hohen Standards des DGNB errichtet. Sie verkürzen die Fahrtwege innerhalb Deutschlands und helfen, die Logistikprozesse insgesamt noch effizienter zu gestalten.

Dreh- und Angelpunkt für die Einsparung von CO2 ist aber auch ein kundennaher Service. Nur, wenn der Adressat direkt beim ersten Anlauf angetroffen wird, ist die Lieferung wirklich effizient. Auch PaketShops in unmittelbarer Nähe zum Empfänger helfen dabei, Wege und somit Emissionen zu sparen.

Stellenwert der Logistik gehört gerade gerückt

Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit steigt bei Versendern und Auftraggebern. Doch wie sieht es mit der Wertschätzung für die logistische Leistung aus?

Dirk Rahn: Hier gibt es Handlungsbedarf. In Anbetracht der weiter steigenden Paketmengen gilt es, ein klares Bewusstsein für die zentrale Rolle der Logistik in der Gesellschaft zu verankern. Die Logistik handelt schließlich nie im eigenen Interesse – sondern immer im Kundenauftrag.

Nach dem Willen der meisten Kunden soll die Logistik schnell, flexibel und dabei natürlich sozial und ökologisch verträglich sein – darf aber bitte nichts kosten. Das ist ein Widerspruch, fast eine Doppelmoral. Und diese „Kostenlos-Mentalität“ greift weiter um sich. Dabei wird verkannt, dass die Logistik unser gesamtes gesellschaftliches Leben inklusive Gastronomie und Handel am Leben erhält. Der hohe Stellenwert der Logistik gehört endlich gerade gerückt.

Ist da nicht auch die Politik gefragt?

Dirk Rahn: Aber ja! Sie muss den Rahmen für eine nachhaltige Entwicklung setzen und umweltgerechtes Handeln, vor allem von Unternehmen, stärker incentivieren. Warum werden nicht z.B. die Busspuren des öffentlichen Nahverkehrs für Lieferdienste, die elektrisch mobil zustellen, geöffnet? Ein anderes Thema ist z.B. die Nutzung barrierefreier Flächen der Städte und Kommunen für PaketShop-Angebote, die besonders gut erreichbar und effizient zu entsorgen sind.

Wir danken für das Gespräch.

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