Logistik für Weinhändler Der Weg ins Glas

Der Online-Handel macht auch vor edlen Tropfen keinen Halt. Immer mehr Wein wird übers Internet verkauft. Doch statt um Schnelligkeit geht es hier um Temperatur, Neigungswinkel und die Unversehrtheit der Ware.

Von Volker Kühn

Der Online-Handel macht auch vor edlen Tropfen keinen Halt. Immer mehr Wein wird übers Internet verkauft. Doch statt um Schnelligkeit geht es hier um Temperatur, Neigungswinkel und die Unversehrtheit der Ware.

Der Hergang der Katastrophe lässt sich kaum rekonstruieren. Ein heftiger Sturm? Ein Navigationsfehler? Ein Angriff illyrischer Piraten? Fest steht: Die kostbare Fracht war verloren. 16 Schiffe voller Amphoren edlen Weins aus den römischen Kolonien sanken vor 2000 Jahren auf den Grund eines Flusses im heutigen Bosnien-Herzegowina und geben Historikern Rätsel auf.

Zwar wird Wein längst nicht mehr in Amphoren verschifft, sein Transport aber ist noch immer eine heikle Angelegenheit. Selbst Piratenüberfälle sind nicht auszuschließen, wenn Weingüter aus Südafrika oder Australien ihren Shiraz oder Cabernet Sauvignon durch Suez-Kanal verschiffen lassen, und die Ware die Gewässer am Horn von Afrika passiert. Die eigentlichen Risiken aber sind andere. „Wir müssen vor allem sicherstellen, dass es keine großen Temperaturschwankungen gibt, damit der Wein nicht vorzeitig altert“, sagt Lutz Wempe, der als Head of DB Schenker Beverages verantwortlich ist für den Transport von Getränken bei der Logistik-Tochter der Deutschen Bahn. Sie hat 2013 Wein in einer Menge nach Deutschland importiert, die 100 Millionen Flaschen entspricht. Ein Großteil davon kommt als Bulkware, also in Tankcontainern, Kartons oder anderen Verpackungen. Zu den Absendern zählen Weingüter aus sämtlichen Anbauregionen in Europa und Übersee. Die Empfänger reichen von kleinen Internetshops, die den Wein an Endkunden weiterverkaufen, bis zu Großabnehmern wie Rewe oder Aldi.

Temperatur und Feuchtigkeit online verfolgen

Um die Ware während der mitunter wochenlangen Reise zu überwachen, bietet DB Schenker eine sogenannte „Smartbox“ an: ein graues Kästchen, das an eine Telefonbuchse erinnert, und vollgestopft ist mit Elektronik. Darin befinden sich nicht nur ein GPS-Gerät, das die Position der Ladung angibt, sondern auch Sensoren, die etwa Temperatur, Lichteinfall und Feuchtigkeit messen. „Der Kunde kann alle Daten in Echtzeit im Internet verfolgen“, sagt Wempe. Nur wenn die Ware samt Smartbox zum Beispiel ganz unten im Bauch eines Containerschiffs lagere, könne das Signal ausbleiben.

Kommt es zu Verzögerungen, ist es laut Wempe vor allem wichtig, die Empfänger frühzeitig zu informieren. „Termintreue ist eine der Hauptforderungen unserer Kunden.“ Die lange Erfahrung des Unternehmens sei dabei ein Vorteil: Wer einen Draht zu den Reedereien habe, könne im Zweifelsfall eher dafür sorgen, dass eine Lieferung bevorzugt behandelt werde – und nicht etwa unter sengender Sonne auf die Verladung warte.

Niedrige Bruchquote als Geldbringer

Ist der Wein erst einmal in Deutschland, beauftragt DB Schenker für den letzten Weg zum Kunden Paketdienste wie DHL, Hermes, TNT oder UPS. Auch das Hanseatische Wein- und Sektkontor (Hawesko) bezieht einen Teil seines Weins über DB Schenker, daneben auch über Rivalen wie Kühne + Nagel, Panalpina oder JF Hillebrand. Das börsennotierte Unternehmen, das zwei Weinlager bei Tornesch in Hamburg unterhält, liefert im B2B-Geschäft jährlich 110.000 Paletten an Kunden wie Hotels und Restaurants. Zwei Millionen Pakete gehen daneben an Privatkunden – und die werden laut Hawesko-Geschäftsführer Frank Göbels immer anspruchsvoller. „Für die Kunden ist nichts ärgerlicher, als wenn die Ware nicht zum vereinbarten Zeitpunkt kommt“, sagt Göbels. Dabei verlässt er sich vor allem auf Hermes: 98 Prozent der Hawesko-Sendungen stellt die Otto-Tochter zu.

Um die Qualität der Lieferungen zu kontrollieren, haben beide Unternehmen bestimmte Zielwerte etwa für die Bruchquote oder die Geschwindigkeit vereinbart. Verfehlt Hermes die Vorgaben, muss der Paketdienst eine Entschädigung leisten – übertrifft er sie, erhält er einen Bonus. „Bislang waren es immer wir, die am Jahresende zahlen mussten“, sagt Göbels.

Ein Umstand, mit dem er gut leben kann.

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