Roboter in der Logistik Die neuen Kollegen

Sie stapeln, schleppen, etikettieren: Roboter übernehmen künftig immer mehr Aufgaben in der Logistik. Sie sollen den Menschen nicht ersetzen, sondern unterstützen und nebenbei  im boomenden E-Commerce die Abläufe in den Lagerhallen optimieren.

Der E-Commerce boomt! Um optimale Logistikabläufe garantieren zu können, werden immer häufiger Roboter in Warenlagern eingesetzt, wie z.B. der von der Still GmbH entwickelte cubeXX. (Foto: cubeXX/Still GmbH)

Sie stapeln, schleppen, etikettieren: Roboter übernehmen künftig immer mehr Aufgaben in der Logistik. Sie sollen den Menschen nicht ersetzen, sondern unterstützen und nebenbei  im boomenden E-Commerce die Abläufe in den Lagerhallen optimieren.

Wie übergroße Haushaltsstaubsauger huschen die orangefarbenen Roboter durch die Regalreihen im modernen Logistikzentrum von Amazon in den USA. Selbständig finden sie ihre Fracht in den schmalen Regaltürmen, schieben sich geschickt darunter und bringen die Ware flink an den richtigen Versandplatz. Dort übernehmen ihre menschlichen Kollegen die weitere Abwicklung der Online-Bestellung – alles geht Hand in Hand. 15.000 Maschinen stark ist Amazons neue Roboter-Armee. Sie soll die Mitarbeiter aus Fleisch und Blut nicht ersetzen, sondern dabei unterstützen, noch mehr Ware zu lagern und Bestellungen noch schneller abzuarbeiten. Der amerikanische Versandhändler verspricht sich vom Einsatz der technischen Arbeiter eine Produktionssteigerung um das Drei- bis Vierfache. Neben den sausenden Robotern der Tochterfirma Kiva setzt Amazon feststehende „Robo Stows“ ein: Das sind riesige Roboterarme mit Visualisierungssystemen, die als moderne Gabelstapler fungieren und Güter palettenweise verfrachten.

Die Branche ist unter Zeitdruck

In zehn weiteren Logistikzentren von Amazon sollen die Roboter künftig für mehr Effizienz und Produktivität sorgen, denn die Lagerhaltung gilt als Flaschenhals in der ansonsten so effizienten Logistikkette. Der Druck auf die Branche wächst ständig. Der E-Commerce boomt. Laut einer Studie  der Unternehmensberatung A.T. Kearney stieg der globale Umsatz allein 2014 um 20 Prozent auf mehr als 800 Milliarden US-Dollar. Und immer mehr Kunden erwarten inzwischen, ihre Ware noch am Tag der Bestellung zu erhalten. Kein Wunder also, dass alle Logistiker bis 2019 planen, mindestens eine Roboterlösung einzusetzen. Das ergab eine Online-Befragung des Bremer Instituts für Produktion und Logistik der Universität Bremen (BIBA).

Logistikprofis und Forscher tüfteln jenseits und diesseits des großen Teichs unermüdlich an Lösungen, den Warenfluss effizienter zu gestalten, damit die Logistiker ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern können. So entstehen neuartige Roboter wie beispielweise der „Fetch and Freight“. Das Roboter-Duo des kalifornischen Herstellers Fetch Robotics besteht aus dem einarmigen „Fetch“. Er navigiert mit Hilfe von zwei augenähnlichen Laserscannern in seinem schmalen, blauen Köpfchen selbständig durch die Regale. Mit seinem bis zu einem Meter ausfahrbaren Arm greift er die bestellten Produkte und legt sie in den Korb seines Begleiters, dem kleinen, runden „Freight“. Dieser transportiert bis zu sechs Kilo Waren und folgt auch Kollegen aus Fleisch wie ein Schatten. Sie müssen dann weniger schleppen und können die Waren schneller zusammensuchen. „Fetch and Freight“ soll im in diesem Jahr in den USA in Pilotprojekten getestet werden, eine internationale Markteinführung erfolgt nach Angaben des Herstellers frühestens im kommenden Jahr.

Zahlreiche Forscher tüfteln an Lösungen

In Deutschland haben die Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML aus Dortmund ein neues Fahrzeug mit Behälter für die automatische Bedienung von Kleinteilelagern entwickelt. „RackRacer“ heißt der gelenkige, 52 Kilo leichte Roboter, der sich horizontal innerhalb von Lagergassen bewegen, selbstständig Ebenen wechseln und diagonal durch Regale klettern und dabei 25 Kilo Last transportieren kann. Der große Vorteil des Leichtgewichts: Die Lager-Infrastruktur kann erheblich reduziert werden. Regale müssen nicht mehr so stabil gebaut werden und können flexibel zum Saisongeschäft auf- und danach wieder abgebaut werden.

Auf Flexibilität setzt auch das Bremer Institut BIBA mit seiner Erfindung PaTRo (Paletten-Tagging-Roboter). Zur Hannover Messe ließ es das schmale rechteckige und an einer Seite offene Gerät Palettenstapel hochklettern und dabei jede einzelne Palette automatisch mit zwei Funketiketten zu ihrer Identifizierung versehen. Das ist künftig notwendig, um einen besseren Überblick über die weltweiten Palettenströme zu erhalten. Der maschinelle Klettermaxe ist völlig mobil und lässt sich überall einsetzen, wo Paletten gestapelt sind. Der Vorteil dieser Nachschaltung ist, dass bestehende Produktionsprozesse nicht geändert und somit keine kostenintensiven Änderungen der Prozesse und der Automatisierungstechnik erfolgen müssen.

Flexibilität, Geschwindigkeit und Effizienz

Den Anforderungen der Logistik nach mehr Flexibilität, Geschwindigkeit und Effizienz kommt der Hamburger Flurförderzeughersteller Still mit seiner Roboter-Konzeptstudie cubeXX entgegen. Das Gerät lässt sich über eine iPad-App in sechs Fahrzeugvarianten verwandeln, die in einem Lager notwendig sind: Horizontalkommissionierer, Hochhubwagen, Routenzug, Doppelstockfahrzeug, Niederhubwagen und Gegengewichtsstapler.

Doch es muss nicht immer technisch so anspruchsvoll sein. Häufig sind einfache Lösungen die besten. Das bewiesen die Robotik-Forscher der TU Berlin in Seattle: Amazon lud Ende Mai 20 Teams aus Europa, den USA und Asien zum Robotikwettbewerb „Amazon Picking Challenge“ ein. Die Aufgabe bestand darin, einen Roboter zu entwickeln, der diffizile Produkte wie eine Kekstüte und eine Gummiente in 20 Minuten unbeschadet aus einem Regal greift und in eine Box legt. Die Berliner siegten. Sie bestückten den Greifarm ihres Roboters schlichtweg mit einem Saugnapf.

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