Die Ware kommt mit der Bahn

Die Hermes Transport Logistics befördert Ware aus China auch mit der Bahn nach Europa. Das ist günstiger als mit der Luftfracht und schneller als der Seeweg. Darüber freut sich vor allem die Modebranche.

Chinas Schienennetz soll in den kommenden Jahren für den Gütertransport massiv ausgebaut werden. (Foto: dpa)

Die Hermes Transport Logistics befördert Ware aus China auch mit der Bahn nach Europa. Das ist günstiger als mit der Luftfracht und schneller als der Seeweg. Darüber freut sich vor allem die Modebranche.

Bisher waren Bahnreisen von China nach Europa vor allem etwas für Abenteurer – und Menschen mit sehr viel Zeit. Weil sich die Spurweite der Schienen unterwegs nicht nur einmal verändert, muss der Zug mehrfach aufgebockt werden, damit er für die Weiterfahrt umgerüstet werden kann. Das dauert. Auch die Grenzüberfahrten können gerne mal ein paar Stunden in Anspruch nehmen. Die Beamten lassen es manchmal sehr geruhsam angehen.

Für Touristen besteht ein großer Teil der Attraktivität der Strecke eben in dieser Entschleunigung, für die Logistik war genau das bisher ein Grund, die Strecke auf der Schiene zu meiden. Die Container mussten auf der Reise durch Polen, Weißrussland, Russland und Kasachstan mehrfach umgeladen werden. Auch die Lokomotiven wurden gewechselt. Das klingt nach langen Wartezeiten und komplizierten Abläufen. Doch das hat sich in den vergangenen Jahren geändert.

Die halbe Fahrtzeit macht das Angebot attraktiv

Inzwischen haben sich die Bedingungen für den Güterverkehr stark verbessert. Es gibt für die Verbindung zwischen China und Europa mehrere Anbieter mit staatlichem Hintergrund, die sich für einen synchronisierten Ablauf einsetzen und die Prozesse grenzübergreifend koordinieren. Der Aufwand hat sich enorm reduziert und damit auch die Zeit. Die reine Fahrtzeit zwischen Hamburg und den Städten Suzhou oder Zhengzhou beträgt nun beispielsweise zwischen 14 und 18 Tagen – von Terminal zu Terminal. „Das macht die Sache attraktiv“, sagt Bardo Lehmann-Tolkmitt, Head of Tender Management & Inside Sales bei der Hermes Transport Logistics (HTL).

Deshalb erarbeitete der Logistikdienstleister HTL für die Otto-Group ein Konzept für den Bahntransport zwischen China und Europa, als Alternative zum Seeweg und der Luftfracht. Die zwei wichtigsten Komponenten im Lieferverkehr sind der Preis und die Laufzeit. Die billigste Art Ware von Asien nach Europa zu bringen, ist immer noch die Seefracht, doch die Ware ist auf diesem Weg in der Regel zwischen 30 und 35 Tagen unterwegs. Und das ist für einige Branchen beziehungsweise Produkte heute zu lange.

Vor allem für Produktgruppen, die schnell in den Abverkauf gelangen sollen oder dringend benötigt werden, ist die neue Beförderungsart interessant, dazu gehören beispielsweise Teile für die Autoproduktion oder Laptops. Auch die Modebranche ist interessiert, denn der Zeitfaktor wird bei der Beschaffung der Waren immer entscheidender. Die Ware soll möglichst schnell zum Kunden gelangen, die Ansprüche sind durch den Onlinehandel noch einmal gestiegen.
Kam es bisher zu Verzögerungen in der Lieferkette, konnten die Unternehmen nur auf den Luftverkehr ausweichen, um ihre Termine einhalten zu können. Doch das ist sehr kostspielig. Jetzt können die Firmen auf die Bahn umsteigen. Der Transport ist deutlich günstiger als mit dem Flugzeug und dauert nur halb so lange wie mit dem Schiff.

Der chinesische Staat fördert den Ausbau des Schienennetzes

„Unser Angebot soll aber nicht nur im Notfall zum Einsatz kommen“, sagt Lehmann-Tolkmitt, „sondern auch reguläre Supply Chains mit abdecken.“ Im Moment profitiert vor allem das internationale Modeunternehmen bonprix vom Angebot der HTL. Zweimal wöchentlich macht sich ein Zug aus Suzhou und aus der Acht-Millionen-Stadt Zhengzhou auf den Weg nach Deutschland. Wer den Dienst nutzen will, muss im Schnitt eine Woche im Voraus buchen, vom Vollcontainer bis zu Teilladungen ist alles möglich.

In China sieht man diese Entwicklung gerne. Der Ausbau des Schienennetzes in den zentralen und westlichen Landesprovinzen ist eines der großen Projekte der kommenden Jahrzehnte. Das hat wirtschaftliche Gründe. Seit einigen Jahren verlagern immer mehr Unternehmen ihre Fabriken weg aus den südlichen Provinzen Guangdong und Fujian und der Ostküste rund um den Großraum Shanghai. Es ist dort einfach zu teuer geworden. Bis 2040 sollen alle wichtigen Städte Chinas an das dann 120.000 Kilometer umfassende Schienennetzwerk angebunden sein. „Spätestens dann werden Bahn-Hubs innerhalb des Landes ein transportlogistisches Gleichgewicht zu den noch dominierenden Seehäfen wie Dalian, Shenzen, Tianjin oder Shanghai darstellen“, sagt Stephan Schiller, Geschäftsführer der HTL. „Es wird vermehrt küstenferne Hubs an zentralen und regionalen Knotenpunkten geben, in denen die Ware verschiedener Hersteller containertechnisch konsolidiert und auf die Reise nach Europa geschickt werden können.“ Die großen Onlinehändler Alibaba, Tmall oder JD.com freuen sich ebenfalls über den Ausbau der Infrastruktur, auch in China boomt der E-Commerce.

Nicht nur schnell, sondern auch nachhaltig

Die Seefracht ersetzen kann die Bahn natürlich nicht. Während auf einem Zug etwa 40 Container passen, fassen die neuen Schiffe  ungefähr 10000 Container. Das Angebot schließt aber auf jeden Fall eine Lücke zwischen Schiff  und Flugzeug – finanziell und zeitlich. Der Seeweg ist deutlich günstiger, dauert aber lange und verbraucht die dreifache Menge an CO2. Eine Kombination aus See- und Luftfracht beispielsweise ist nicht wesentlich schneller als die Bahn, aber deutlich teuer und verursacht viel mehr CO2-Emissionen. Die Reduzierung des CO2-Anteils ist Bestandteil der Strategie der Otto-Group, zu der auch bonprix und HTL gehören. „Insofern gehen hier das ökonomisch Sinnvolle und das ökologisch Nachhaltige Hand in Hand“, sagt Schiller.

Bei bonprix sieht man nach der erfolgreichen Testphase großes Potential für den Bahntransport: „Die Schienenfracht ist eine wirtschaftliche Alternative zum Transport mit dem Flugzeug und stellt für uns einen weiteren Hebel bei der Reduktion beschaffungsbedingter CO2-Emissionen dar“, bestätigt Jochen Heuer Abteilungsleiter Supply Chain Controlling bei bonprix die ökonomischen wie ökologischen Vorteile des Konzeptes.

Derzeit bekommen Unternehmen, die Ware mit dem Zug von Europa nach Asien transportieren lassen, besonders günstige Preise angeboten. Der Autobauer BMW nutzt das schon seit vier Jahren und schickt regelmäßig einen Zug mit 40 Containern von seinem Werk in Leipzig nach Shenyang. 23 Tage später erreicht er das BMW-Brilliance-Werk in Nordchina. Doch noch sind die Züge nicht immer voll, wenn sie nach Asien zurückfahren.

Lang kann das nicht mehr dauern. Immer mehr Menschen in Asien bestellen Ware in Europa. Schon jetzt werden Endkundenpakete von Europa nach Asien verschickt. Tendenz steigend. Das ist auch für den Bahntransport interessant. Wer dann schon Erfahrung mit der Strecke hat, ist klar im Vorteil.

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