Containerriesen Der Gigantismus stößt an seine Grenzen

Durch immer größere Containerschiffe wollen die Reedereien Geld sparen, doch die Wasserstraßen und die Infrastruktur sind dem nicht mehr gewachsen.

MSC Oscar im südspanischen Algeciras: Platz für 117 Millionen Paare Turnschuhe. (Foto: MSC)

Durch immer größere Containerschiffe wollen die Reedereien Geld sparen, doch die Wasserstraßen und die Infrastruktur sind dem nicht mehr gewachsen.

Der Weltrekord hielt nur 53 Tage. Schon war die CSCL Globe aus China den Titel des größten Containerschiffs der Welt wieder los. Mit ihren 19.100 Stellplätzen konnte die Globe mehr Container transportieren als jedes andere Schiff. Doch dann lief am 8. Januar 2015 die MSC Oscar aus der Schweiz vom Stapel und packte weitere 125 Container drauf. Auch dieser Rekord ist nicht für die Ewigkeit bestimmt: Wie das „Wall Street Journal“ berichtet, will die dänische Linienreederei Maersk noch im Frühjahr zehn neue Mega-Frachter für 1,5 Mrd. US-Dollar bestellen und dabei die 20000-er Marke knacken. In der Branche wird die erste Order für ein Schiff mit 22000 Stellplätzen erwartet. Das Wettrennen um den weltweit größten Pott hat gerade erst begonnen.

Ins Kartenquartett „Schöne Schiffe“ wird es keiner der Containerriesen schaffen. Eleganz spielt in der auf Effizienz getrimmten Seefahrt keine Rolle. Was die Beobachter vielmehr ins Staunen bringt, sind die gewaltigen Ausmaße dieser 400 Meter langen und 60 breiten Schlachtschiffe. Immer neue Superlative müssen bemüht werden. Vier Fußballfelder hintereinander könnte man auf dem Deck der MSC Oscar anlegen, heißt es, aufgerichtet würde sie das Empire State Building überragen. Ihre Tragfähigkeit von 190.000 Tonnen entspreche dem Gewicht von 19 Eiffeltürmen und an Bord wäre Platz für 117 Millionen Paar Turnschuh. Vom „Giganten der See“ ist die Rede, vom „Koloss der Meere“ und schwimmenden „Monster“.

Bald 30.000 Container auf einem Schiff?

Der Drang nach Größe in der Schifffahrt ergibt sich aus einer einfachen Rechnung: Je größer das Schiff, desto niedriger die Transport-, insbesondere die Brennstoffkosten je Container. Doch dem Gigantismus sind Grenzen gesetzt, weniger durch die Ingenieure und Designer, sondern durch die Wasserstraßen und die Infrastruktur in den Häfen. Fahrrinnen müssen ausgebaggert, Terminals erneuert und die logistischen Anbindungen ans Hinterland verbessert werden, um die Mega-Carrier reibungslos löschen zu können – und die Container per Bahn und Lkw schnell vom Hof zu kriegen.

„Aus schiffbaulicher Sicht wäre es kein Problem, in Kürze bereits 24.000-TEU-Frachter zu bauen“, sagt Direktor Jost Bergmann von der technischen Prüfgesellschaft DNV GL in Hamburg. TEU (Twenty Foot Equivalent Unit) ist die gängige Einheit in der Schifffahrt, ein TEU entspricht einem Standardcontainer mit einer Länge von 20 Fuß. Allerdings würden die immer breiteren Schiffe „an Beschränkungen in der Wasserstraßen- und Seehafeninfrastruktur stoßen“, so Bergmann. „Wir kommen bei der Schiffsgrößenentwicklung langsam an Grenzen.“ Thomas Knudsen vom Schiffsmotorenhersteller MAN Diesel & Turbo hält sogar „eine Annäherung an 30.000 für denkbar“. Die Größe der Schiffe werde nicht durch Restriktionen bei Bau und Betrieb beschränkt werden, sondern von ihren Zugangsmöglichkeiten zu den wichtigsten Schifffahrtsstraßen, sagte Knudsen dem „Hamburger Abendblatt“. Der Suezkanal oder die Straße von Malakka setzten eher Limits „als die statistischen Berechnungen der Schiffsingenieure“.

Entwicklung stößt an ihre Grenzen

Treiber der Entwicklung ist vor allem der Kostendruck. Die Schifffahrt steckt seit  Jahren in der Krise. Vor der Wirtschaftskrise 2008 wurden viele (kleinere) Schiffe bestellt, für die es heute zu wenig Fracht gibt. Um die Laderäume zu füllen, senkten die Unternehmen ihre Frachtraten, also die Preise, um einen Container von A nach B zu bringen. Diese haben sich bis heute nicht erholt. Um zu sparen, gründeten die Reeder Kooperationen oder schlossen Allianzen. Wer noch flüssig war, investierte in neue Schiffe mit mehr als 10.000 TEU, weil die je Container 20 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen. Das schuf neue Überkapazitäten.

„Bei den immer größer werdenden Containerschiffen gibt es einen abnehmenden Grenznutzen“, sagt Rainer Horn, Sprecher der führenden deutschen Reederei Hapag-Lloyd. Ende der Achtziger waren 4.400-TEU-Schiffe das Maß aller Dinge, Ende der Neunziger die 8.200 TEU-Schiffe der Susan-Maersk-Klasse. Auch der Sprung auf 15.500-TEU im Jahr 2006 mit der Baureihe Emma Maersk brachte einen signifikanten Kostenvorteil. Dann wurden die Globe und die Oscar getauft. „Heute müsste man schon sehr große Sprünge machen, um wieder einen Kostenvorteil pro transportiertem Container von 15, 20 Prozent oder mehr herauszuholen. Die Frage ist: Lohnt es sich, solche Größensprünge zu machen?“

Die Flotte von Hapag-Lloyd umfasst rund 200 Container-Schiffe. Die größten sind die zehn Frachter der „Hamburg Express“-Klasse mit einer Kapazität von 13.200 TEU. Das letzte Schiff aus dieser Reihe wurde im April 2014 ausgeliefert. Alle könnten theoretisch ab 2016 durch den vergrößerten Panama-Kanal fahren, im Gegensatz zu den jüngsten Superfrachtern auf den Weltmeeren, die bei allen Kostenvorteilen auch eine Reihe „operativer Nachteile“ mit sich bringen, sagt Horn.

Schiffe mit einem Tiefgang von bis zu 16 Metern wie die MSC Oscar können nicht jeden Hafen anlaufen und liegen länger im Hafen, weil mehr Fracht gelöscht und geladen werden muss. Ist die Infrastruktur im Hinterland nicht mitgewachsen, stauen sich die Container am Terminal – auf Kosten der Reeder. Schon ein 13.000 TEU-Schiff löscht und lädt in einem wichtigen Hafen leicht mehr als 6.000 Container in 36 Stunden. Und: „Um in den Genuss der Kostenvorteile durch Größe zu kommen, müssen die Schiffe schon zu mindestens 80 Prozent ausgelastet sein, sonst rinnen einem die Kostenvorteile schnell wieder durch die Finger.“

Containertransport zwischen Europa und Asien boomt

Die neuen Containerriesen sind für Routen zwischen Asien und Europa ausgelegt. Nach einer Prognose des Marktforschungsinstituts IHS Global Insight werden 2015 rund 15 Millionen Container von Asien nach Europa transportiert. Sieben Millionen Boxen sind es in umgekehrter Richtung. Bis 2019 soll das Transportvolumen um jährlich mehr als fünf Prozent steigen. Horn spricht von einem „gesunden Wachstum in diesem Fahrtgebiet“. Deshalb überlege auch Hapag-Lloyd, ob man den Sprung in die höchste Klasse wagen soll. Eine Entscheidung darüber könne aber nur gemeinsam mit den Partnern, den Linienreedereien der G6-Allianz getroffen werden.

„Der Vorteil einer Allianz ist: Wenn wir sechs Partner jeweils zwei Schiffe einer neuen Größenklasse bestellen, dann wäre ein Dienst zwischen Asien und Europa auf die neue Schiffsklasse umgestellt“, sagt Horn. Ein solcher Dienst sei durchaus vergleichbar mit einer ganz gewöhnlichen Buslinie. „So wie die Busse im Zehnminutentakt fahren, legen unsere Schiffe im Wochentakt ab, wie an einer Perlenkette fahren sie von Hafen zu Hafen. Es gibt ebenfalls feste Haltestellen, nur dass diese bei uns etwas weiter auseinanderliegen.“

Hamburg rüstet auf

Auch die Haltestelle Hamburg rüstet seit Jahren für die Großschiffe auf. „Wir haben neue Containerbrücken angeschafft, die Containerschiffe mit einer Kapazität von mehr als 19.000 Standardcontainern (TEU) abfertigen können”, sagt Torsten Engelhardt, Sprecher der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), des größten Terminalbetreibers der Stadt. „Die Brücken können im Tandembetrieb arbeiten, das heißt, sie heben jedes Mal zwei Container von Bord, um das Löschen und Laden dieser Schiffe zu beschleunigen.“ Schnell rein, runter, rauf, raus, so soll es gehen, wenn ein Schiff ankommt.

Doch neben der Abfertigung der Großschiffe muss die Fracht auch über die Terminals umgeschlagen werden. Wenn 3.000 Container von Bord gehen und 3.000 geladen werden, erklärt Engelhardt, dann heißt das auch, dass hunderte Lkw und dutzende Züge diese Fracht zu den Terminals bringen müssen oder von dort zu den Empfängern im Hinterland transportiert werden müssen. „Wir sprechen dann von Spitzenbelastungen, die auch von der Verkehrsinfrastruktur rund um den Hafen gemeistert werden muss.“ Um den Zu- und Abfluss der Boxen zu beschleunigen, sind deshalb neue Straßen und Schienenwege geplant. Auch dafür wird etwa die A7 durch den Elbtunnel achtspurig ausgebaut.

Streitthema Elbvertiefung

Die Elbe ist 13,5 Meter tief und soll vertieft und verbreitert werden, damit die Zeitfenster für die Anläufe der besonders großen Schiffe im Hamburger Hafen größer werden. Würde die MSC Oscar dennoch im Schlamm der Elbe stecken bleiben? „Sehr große Schiffe kommen nicht immer voll beladen nach Hamburg“, sagt Engelhardt. „Hamburg ist der östlichste Hafen in der Perlenkette von Häfen in der Nordrange.“ Im Übrigen gehe es bei der Fahrrinnenanpassung der Elbe vor allem auch darum, eine weitere Begegnungsstrecke für die großen Schiffe zu schaffen, damit sie beim ein- und auslaufen zwischen Hafen und Elbmündung einander passieren können.

Bald 15 Jahre warten Hafenwirtschaft und Reeder auf eine richterliche Entscheidung zur Elbvertiefung. Umweltschützer haben gegen das Projekt Klage eingereicht. In dieser Zeit hat sich die Kapazität der Containerschiffe fast verdoppelt.

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