Fliegende Händler

 In Ländern wie den USA ist es schon völlig normal auch Lebensmittel online zu kaufen. In Deutschland fängt das Geschäft gerade erst an. Die unterschiedlichen Marktteilnehmer liefern sich derzeit einen Kampf um die beste Ausgangsposition. Es läuft auf einen Zweikampf hinaus: Startups gegen den etablierten Handel.

Wer keine Zeit hat, die Frattoria La Vialla in der Toskana zu besuchen, kann sich die feinen Lebensmittel des Gutes auch nach Hause schicken lassen. (Foto: Petra Brust / action press)

In Ländern wie den USA ist es schon völlig normal auch Lebensmittel online zu kaufen. In Deutschland fängt das Geschäft gerade erst an. Die unterschiedlichen Marktteilnehmer liefern sich derzeit einen Kampf um die beste Ausgangsposition. Es läuft auf einen Zweikampf hinaus: Startups gegen den etablierten Handel.

Frank Schmidt kocht am Wochenende sehr gern für seine Freunde. Doch nach stressigen Arbeitstagen und seinem Sportprogramm hat er abends oft keine Lust mehr auf das Gedränge im Supermarkt inklusive Parkplatzsuche und Schlepperei. Deshalb greift der IT-Berater aus Hamburg dann zu seinem iPad und kauft im Internet bei Food.de ein. „Wenn ich bis elf Uhr bestelle, erhalte ich meine Lebensmittel abends in einer Frischebox an der Wohnungstür“, sagt er. Die Lieferung kostet ihn fünf Euro, den Termin kann er sich innerhalb eines Zeitfensters von zwei Stunden aussuchen.

Schmidt ist kein Einzeltäter. So wie der Hamburger ordert bereits jeder dritte Deutsche schon mal frische Nahrungsmittel über das Internet. Das belegt das aktuelle „Consumer Barometer“, das vom Institut für Handelsforschung IFH zusammen mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG veröffentlicht wird. Und das ist noch lange nicht das Ende. Rund drei Viertel der Befragten quer durch alle Altersgruppen können sich demnach vorstellen, Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch und andere Lebensmittel zukünftig auf diese Art zu erwerben.

Zahlreiche Händler stellen sich nun darauf ein, das Geschäft fängt in Deutschland ja gerade erst an und alle wollen ihren Teil am neuen Umsatz sichern: Im Jahr 2020 soll nach der Studie „Cross Channel – Revolution im Lebensmittelhandel“ der Beratungsgesellschaft Ernst & Young der Online-Marktanteil von frischen Nahrungsmitteln auf zehn Prozent steigen – das wäre ein Umsatz von rund 20 Milliarden Euro. 

Rewe zum Beispiel bietet bundesweit den Kauf per Klick seines gesamten Supermarktsortiments inklusive Sonderangeboten zum selben Preis – nur die Lieferkosten kommen dazu. Rewe-Vorstand Lionel Souque sieht für diese Form des Handels vor allem in Städten und Ballungsgebieten ein großes Potenzial. Kaiser’s Tengelmann versorgt seine Online-Käufer an seinen Supermarkt-Standorten in Berlin und München aus deren Sortiment über den Ableger Bringmeister.de. Aus dem Edeka-Verbund betreibt derzeit erst die Regionalgesellschaft Südwest den Online-Shop Edeka24.de.

Die traditionellen Lebensmittelhändler müssen sich beeilen, denn sie bekommen Konkurrenz von Startups mit neuen Konzepten: Food.de etwa beliefert seine Kunden in 32 Großstädten und deren Ballungszenten aus einem Vollsortiment in speziellen Kühlfahrzeugen und Kühlboxen. Damit diese schnell ans Ziel kommen, hat Karsten Schaal, Gründer und Geschäftsführer, für die Routenoptimierung eigens eine Logistik-Software entwickeln lassen. „Unsere Kunden können die Ware bei Anlieferung prüfen“, sagt er, denn neben dem Preis und der Belieferung innerhalb eines Zeitfenster sei Frische das schlagende Argument für die Akzeptanz beim Kunden. Das Konzept scheint aufzugehen: Das Startup verzeichnet seit der Gründung 2011 zweistellige Wachstumszahlen.

Schlemmertüte.de, im Heimatland Schweden seit Jahren ein Erfolgsmodell bei Familien und seit 2011 auch hierzulande präsent, verschickt deutschlandweit rezeptgenaue Esswaren. In Ballungsgebieten auch mit Lieferzeitfenstern. Das Vertrauen der Kunden zu gewinnen sei derzeit die größte Herausforderung, sagt Geschäftsführer Tobias Foellbach. Wichtig ist vor allem die Frische der Waren: „Wir kaufen nach Bedarf im Großhandel ein, haben keine Lagerhaltung, keine Zwischenhändler und viel kürzere Wege. Dadurch bleibt die Ware frischer“, erklärt er. Ist der Kunde nicht zu Hause, wird die gekühlte Mehrwegtransport-Box mit Abstell-Genehmigung einfach vor die Tür gestellt.

Als Abo-Modell funktionieren die Konzepte von HelloFresh,de und KommtEssen.de. Kunden werden wöchentlich mit Kochboxen samt Rezeptvorschlägen beliefert. Es gibt allerdings einen Mindestbestellbetrag, dafür fallen keine Lieferkosten an. Für Eilige, die schnell per Mausklick das Abendessen einkaufen wollen, ist dieses Modell aber nicht geeignet. Brancheninsider munkeln, dass Amazon mit AmazonFresh auch in den deutschen Online-Lebensmittelmarkt einsteigen will. Näheres will der Online-Versender nicht verraten. Zwei Stärken könnte der US-Konzern ausspielen, meint IFH-Geschäftsführer Kai Hudetz: „Eine hohe Logistikkompetenz und eine sehr starke Marke, der die Konsumenten viel Vertrauen entgegenbringen.“

Eines haben alle neuen Konzepte gemein, sie sind noch sehr stark auf die logistische Lieferkomponente fokussiert. Deshalb beobachtet auch Hermes die Entwicklung sehr genau. Die Strategieabteilung hält die Marktrelevanz im Auge und interagiert mit neuen Anbietern, um gegebenenfalls selbst in das Geschäft einsteigen zu können. „Ob die neuen Geschäftsmodelle im Online-Lebensmittelhandel das ‚Next-Big-Thing’ im eCommerce werden, muss sich noch zeigen. Der Beweis insbesondere für flächendeckende Lieferkonzepte abseits der großen Metropolen ist auch in den USA noch nicht erbracht“, sagt Roger Hillen-Pasedag, bei Hermes Division Manager Yiled & Strategy. „Das Potential dazu hat es aber.“ Schon heute ist Hermes der Logistikpartner in Bereichen des Lebensmittelhandels, bei dem keine Kühlung nötig ist. So liefert Hermes die Produkte von Yagma aus, einem Unternehmen, das online alles vertreibt, was man zum Backen braucht, von Ausstechern über Lebensmittelfarben bis hin zum Backbuch.

Ob Online-Riese, Lebensmittelhändler oder innovatives Startup – wer letztendlich auf diesem aufstrebenden Markt das Rennen machen wird, sei noch völlig offen. „Entscheidend wird sein, wer es zuerst schafft, zielgruppenspezifische Konzepte effizient umzusetzen“, sagt Hudetz. IT-Berater Frank Schmidt ist es nicht so wichtig, wer liefert. Hauptsache er erhält seine bestellten Lebensmittel frisch und bequem nach Hause.

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