Flüchtlingshilfe Hermes packt an

Tausende Hamburger überrollten das Abendblatt mit Spenden für Flüchtlinge. Getreu seinem Motto „Hermes-WE DO!“ half das Hamburger Unternehmen spontan mit LKWs bei der Verteilung der Spenden und mit dringend benötigtem Lagerraum. Am heutigen Freitag sorgt Hermes erneut für den Transport von Hilfspaketen zu zwei Flüchtlingsinitiativen im Stadtgebiet.  

Die drei Musketiere von Hermes: Der Pole Jozef Czarnynoga, der Spanier Hipólito Martin-Reyes und der Hamburger Marc Lissak, mit Vater aus Gambia, stehen stellvertretend für die internationale Belegschaft von Hermes (Foto: Hermes/Maurice Kohl)

Tausende Hamburger überrollten das Abendblatt mit Spenden für Flüchtlinge. Getreu seinem Motto „Hermes-WE DO!“ half das Hamburger Unternehmen spontan mit LKWs bei der Verteilung der Spenden und mit dringend benötigtem Lagerraum. Am heutigen Freitag sorgt Hermes erneut für den Transport von Hilfspaketen zu zwei Flüchtlingsinitiativen im Stadtgebiet.

Aus den Fenstern der achten Etage des Gebäudes in der Bannwarthstraße 5 hat man einen atemberaubenden Blick über Hamburg: Alster, Rathaus, Michel, Elbphiharmonie, sogar Kräne am Ufer der Elbe kann man sehen.
Doch viel interessanter ist in diesen Tagen der Blick ins Innere der Hermes Fulfilment, denn auf dieser Etage offenbart sich die Herzlichkeit der Hamburger: Berge von Koffern, Taschen und Säcken gefüllt mit Kleidung, stapelweise Kartons mit Schuhen, dutzende Fahrräder, darunter neu gekaufte direkt aus dem Laden. Wäsche und Hygieneartikel, Regenschirme, Spielzeug für jede Altersgruppe, Fußbälle, sogar Gehhilfen lagern dort fein säuberlich aufgereiht in ordnungsgemäßem Abstand, wie es der Brandschutz vorschreibt. „Das ist nur der Rest der Spenden, die nicht gleich in die Flüchtlingsunterkünfte gebracht werden konnte“, erklärt Thomas Herrlich, Herr über diese rund 350 Quadratmeter große Etage und Leiter des Retourenbetriebs von Hermes Fulfilment.

Überwältigende Teilnahme

Vor einigen Tagen, als Brandanschläge auf Flüchtlingsheime in Bayern und Baden-Württemberg die Schlagzeilen beherrschten, hatte das Hamburger Abendblatt seine Leser um dringend benötigte Sachspenden für die Flüchtlinge gebeten. Abzugeben montags, von 11 bis 19 Uhr, direkt am Verlagsgebäude am Großen Burstah in der Nähe des Rathauses. Chefredakteur Lars Haider hatte vorgesorgt, seine Redakteure in Schichten eingeteilt, die Waren entgegenzunehmen und zu sortieren und zwei LKWs für den Weitertransport in die Flüchtlingsheime organisiert. Zwar hatte auch der Schauspieler und Wahl-Hamburger Til Schweiger auf seiner Facebook-Seite für den Spendenaufruf geworben, doch die Erwartungen der Organisatoren waren eher verhalten. „Als morgens die ersten Redakteure auf dem Weg zur Arbeit ihre Spenden mitbrachten, dachte ich noch: Da passiert nicht viel. Doch ab neun Uhr wurden wir förmlich überrannt!“, freut sich Sven Shirazi, Hausmeister beim Abendblatt und Koordinator der Aktion.

Die hilfsbereiten Hamburger strömten in Scharen zum Verlagshaus, parkten in Viererreihen zum Ausladen, ein Polizist musste kommen und die Busse an den parkenden Autos vorbeilotsen. „Und es riss nicht hab“, sagt Shirazi. Er bat seine Partnerin Michaela Rose um Hilfe. Auch die vorgesehenen Schichtpläne der Redakteure wurden über den Haufen geworfen. Jeder, der konnte machte mit, auch viele Spender packten gleich mit an. „Eigentlich sollten die Spenden sofort sortiert werden“, sagt Michaela Rose. „Doch das war gar nicht mehr möglich, wir luden einfach alles nur noch in die LKWs.“ Die waren im Zweistundentakt voll, doch die Schlange wurde und wurde nicht kleiner.

Über 40 Tonnen Spenden

Schon bald war klar: Sie brauchten Verstärkung! Der Chefredakteur fragte bei Hermes Logistik an, die schnell drei Siebeneinhalbtonner samt Fahrern für den Transport der Hilfsgüter zu den Unterkünften zur Verfügung stellten. Doch auch in den Flüchtlingsunterkünften in Jenfeld, Altona, Wilhelmsburg und Harburg ging bald nichts mehr. Das Gymnasium am Lerchenfeld bot spontan seine Turnhalle als Zwischenlager an, ein weiteres stellte die Stiftung Alsterdorf zur Verfügung. Aber auch dort wurde der Platz schnell knapp. Bis 21 Uhr brachten rund 10.000 Hamburger ihre Spenden vorbei, statt der erwarteten zehn waren über den Tag rund 40 Tonnen zusammengekommen. „Die Spendenfreudigkeit der Hamburger hat uns alle überrascht, wir hatten mit drei bis vier LKW-Ladungen gerechnet, am Ende waren es 25!“, sagt Shirazi.

Klar, dass bei dieser Resonanz beim Abendblatt Land unter herrschte. Der Platz wurde knapp: Ein neues Zwischenlager musste her und erneut kam die Hermes Gruppe zur Hilfe. Diesmal brachte die Hermes Fulfilment in Bramfeld die Lösung: Dort stellte man besagte achte Etage mit Ausblick für die Zwischenlagerung Verfügung. Aus den beiden anderen Lagern am Lerchenfeld und in Alsterdorf wurden die Spenden nun mit vereinter Kraft in das zentrale Lager nach Bramfeld gebracht. „Für uns war eine Selbstverständlichkeit, spontan zu helfen“, sagt Retourenbetriebsleiter Herrlich. „Wir haben hier selbst eine sehr bunte Truppe, die Hälfte mit Migrationshintergrund aus 40 Nationen, die sich bereits bei der Arbeit täglich gegenseitig helfen.“ Unterstützt von der Marketingabteilung kümmerte er sich beim Vermieter, der Otto Group, um alle Formalitäten für die kostenlose Anmietung inklusive Licht und Strom der freistehenden Etage und benannte ein Team von Verantwortlichen. Wenige Stunden später konnte es losgehen.

Viele Hermes-Mitarbeiter haben eine Migrationshintergrund

Jetzt schlug die Stunde der drei Hermes-Musketiere: Ein Spanier, ein Pole und ein gebürtiger Hamburger mit Vater aus Gambia. „Wir haben selbst Migrationshintergrund und helfen sehr gerne“, sagt Hipólito Martin-Reyes, Gruppenleiter Retourenbetrieb, der die Hermes Fulfilment-Helfer einplant. Er kennt die Flüchtlingsproblematik aus Spanien durch das angrenzende Marokko. „Wenn jeder einen kleinen Beitrag leistet, dann geht das Ganze“, ist er überzeugt. „Auch hier haben wir Kollegen aus Afrika, die sich sehr gut integriert haben.“ Der in Ostpreußen geborene Jozef Czarnynoga arbeitet bei Hermes Fulfilment als Assistent der Gruppenleitung Warenein- und -ausgang. Er kann sich gut an die Zeiten erinnern, als die Mauer noch stand und die Waren im Osten knapp waren. „Wir waren damals auch froh, dass andere uns geholfen hatten“, sagt er. Czarnynoga übernimmt die Koordination vor Ort, besorgt den Schlüssel, sorgt dafür, dass die Räume immer offen sind, wenn die Helfer zum Sortieren kommen und die Spenden nach und nach in die Flüchtlingsunterkünfte bringen.

Die Spenden aus den beiden ersten Zwischenlagern wurden vorletzten Samstag im Zwei-Schichtenbetrieb zu Hermes Fulfilment nach Bramfeld gebracht, aus den LKWs geladen, ohne den laufenden Betrieb zu stören. Lagerarbeiter Marc Lissak lud in der ersten Schicht unermüdlich Koffer, Kisten, Taschen, Tüten, Räder und Kartons in Coletten genannte Gitterwagen, die er dann auf Elektrowagen zu dem Aufzug und schließlich in die achte Etage brachte. 60 Coletten waren es insgesamt. „Schön, dass so enorm viel gespendet wird! Man liest ja sonst nur Negatives im Zusammenhang mit den Flüchtlingen!“ freut sich Lissak.

Die Flüchtlinge benötigen eine Grundausstattung

Die Lage ist für die meisten Flüchtlinge desolat, oftmals müssen sie in provisorischen Zeltunterkünften hausen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geht in seiner aktuellen Prognose dieses Jahr von einem Zugang von mindestens 400.000 Personen in Deutschland aus, nach einem vorgegebenen Schlüssel nimmt das Bundesland Hamburg rund 2,5 Prozent der Asylbewerber auf. Im vergangenen Jahr waren es über 6.600 Flüchtlinge, in diesem Jahr rechnet die Innenbehörde mit rund 11.000 in Hamburg einreisenden Flüchtlingen. Die meisten kommen aus Syrien, der Balkanregion und Somalia, gefolgt von Russland und dem Irak. Neben menschenwürdigen Unterkünften benötigen sie eine Grundausstattung zum Leben. Dabei helfen ihnen die zahlreichen Spenden der Hamburger. „Was wir bislang gesehen haben, war alles in sehr gutem Zustand“, sagt Shirazi. Lediglich ein Paillettenkleid musste er aussortieren.

Für den Hermes Fulfilment Retourenbetriebsleiter Thomas Herrlich ist dies nicht die erste Hilfsaktion, an der sich sein Unternehmen und seine Mitarbeiter beteiligen. Zuletzt packte seine Mannschaft beim Elbhochwasser vor zwei Jahren tatkräftig mit an. Für die Abendblatt-Hilfsaktion steht die achte Etage in der Bannwarthstraße 5 vorerst zwei Monate lang zur Verfügung. „Im Notfall finden wir immer eine Lösung“, sagt Herrlich. Passender könnte das Motto von Hermes derzeit wohl kaum sein: „Hermes-WE DO!“


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Privater Wohnraum für Flüchtlinge

Welcome Dinner Hamburg

Stiftungen für Hamburg – Fonds „Flüchtlinge & Ehrenamt“

Hamburg hilft – Spenden für Flüchtlinge

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