Hinter den Kulissen: Logistiker sind Spezialisten für schnelle Wege
Die Logistikbranche boomt. Die globalen Warenströme zu managen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe geworden. Logistiker arbeiten im Hintergrund und sorgen dafür, dass Produkte zur richtigen Zeit am richtigen Ort ankommen. Dahinter verbergen sich komplexe Arbeitsschritte, die keiner sieht, die Logistiker aber jeden Tag lösen.
Ein Auto besteht heute aus 10000 Einzelteilen. Um alle Teile zusammen zu bekommen, brauchen die Hersteller inzwischen die Mithilfe von bis zu 5000 Zulieferern. Die Herausforderung: Jede Dichtung, jede Schraube, jeder Reifen muss zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein. Wenn die Bremsbelege aus Ulm, die Klimaanlage aus Brasilien und die Nockenwelle aus Ungarn nicht pünktlich geliefert werden, gerät die Produktion ins Stocken. Das verursacht enorme Kosten. Eine besonders zentrale Rolle übernehmen deshalb die Logistiker, die jedes einzelne Bauteil um die Welt bewegen.
Nicht nur in der Autoindustrie nehmen die Logistikprozesse einen immer wichtigeren Stellenwert ein. Es geht schon lange nicht mehr nur darum, Waren von A nach B zu bringen. Logistiker transportieren nicht nur Produkte, sondern sie organisieren die komplette Lieferkette. Sie müssen Liefertermine mit Warenbeständen koordinieren, wissen immer ganz genau, wo sich die Ware befindet und müssen schnell reagieren können.
Planung bis ins kleinste Detail
Nach jedem Online-Klick, der eine Bestellung auslöst, beginnt eine Vielzahl von Menschen, alles auf den richtigen Weg zu bringen – jeder Vorgang, jeder Handgriff ist bis aufs Kleinste festgelegt. Dabei ist es egal, ob es sich um ein Paar Socken, ein Smartphone oder eine komplette Wohnungseinrichtung handelt. Bis der Zusteller an der Tür klingelt, haben unter anderem Speditionskaufleute, Logistik-Manager, Logistik-Ingenieure, IT-Spezialisten sowie Kaufleute für Kurier-, Express- und Paketboten dafür gesorgt, dass die Waren wie selbstverständlich oft schon nach 24 Stunden ankommen. Die Kunden erwarten heute individuell auf sie zugeschnittene Lösungen und sie erwarten eine schnelle Lieferung. Die Geschwindigkeit ist so wichtig geworden, dass sich auch die Logistik-Forschung mit dem Thema auseinandersetzt. „Wir befassen uns in der Forschung stark mit dem Risikomanagement in der Supply Chain, das heißt wie man Störungen in der Lieferkette verhindern kann, wenn zum Beispiel wie kürzlich in Bayern durch Unwetter Straßen nicht befahrbar sind und dadurch die Produktion unterbrochen wird,“ sagt Professor Wolfgang Kersten vom Institut für Logistik und Unternehmensführung der Technischen Universität Hamburg-Harburg.
Umgang mit Datenmengen
Die Logistikbranche erlebt derzeit einen regelrechten Boom. Auf deutschen Straßen wurden 2015 mehr Güter transportiert als jemals zuvor, meldet das Bundesamt für Statistik. Die Globalisierung hat ihren Teil dazu beigetragen. Die Folge: Die Warenströme zu koordinieren und zu steuern wird immer komplexer. Es gibt kaum ein großes Unternehmen, das heute nicht an mehreren Standorten produziert. Bis zum Beispiel ein Turnschuh, nach einem langen Seeweg bei seinem Besteller ankommt, haben bis zu 300 Menschen entlang der gesamten Wertschöpfungskette daran gearbeitet. Der Nike Air Sportschuh etwa wird in den USA entwickelt, die Technik kommt aus Taiwan, die einzelnen Teile kommen aus Japan, Taiwan, Südkorea und den USA, produziert wird der Schuh in Indonesien.
Ein weiterer Grund ist das Kaufverhalten im Internet. Socken können in zwanzig verschiedenen Farben ausgewählt, komplette Küchen per Mausklick zusammengestellt oder gleich das Traumhaus inklusive Inneneinrichtung bestellt werden. Um die steigende Variantenvielfalt von Produkten logistisch managen zu können, entwickeln Software-Spezialisten flexible IT-Lösungen, die dafür sorgen, das Waren und Daten bei allen Schritten miteinander vernetzt sind. Anders wäre es gar nicht mehr möglich, diese Datenmengen zu verarbeiten. „In der Logistik werden immer mehr Fachkräfte gesucht, die mit diesen Daten auch umgehen können und intelligente Systeme entwickeln“, sagt Professor Kersten. Damit kurzfristige Lieferzeiten überhaupt funktionieren, müssen die Waren auch verfügbar sein. „Je nachdem von wem auf der Welt die Waren kommen, können die Vorlaufzeiten Wochen oder gar Monate betragen. Die Otto Group hat dafür eine Prognosesoftware mit einer sehr genauen Vorhersagetechnik entwickelt“, erklärt Kersten.
Ungeschriebene Gesetze des E-Commerce
Genauso wie die Daten digital gebündelt werden, die früher auf einem Frachtbrief standen, werden heute Paketsendungen oder Retouren über Computersysteme bearbeitet. Die Retouren-Bearbeitung hat sich zu einem eigenen Geschäftsfeld innerhalb der Logistik entwickelt. In Hamburg betreibt die Hermes Fulfilment das größte Retourencenter Europas. Damit eine solche Logistikmaschine reibungslos funktioniert ist alles bis auf kleinste Detail optimiert. Technik und Menschen arbeiten Hand in Hand, computergesteuerte Kameras erkennen Waren, auf elektronischen Bändern rutschen Kisten durch ein rollendes Wegenetz zu den Mitarbeitern. „Logistiker müssen sich immer wieder auf neue Szenarien einstellen und die Logistikkette in ihrer Gesamtheit verstehen und nicht nur eine einzelne Technik“, so Kersten. Ob Digitalisierung, Globalisierung oder die ungeschriebenen Gesetze des E-Commerce, die Welt der Waren verändert sich in einem rasanten Tempo und mit ihr auch der Beruf des Logistikers.