Neue Hochgeschwindigkeitszüge: Schneller als Fliegen
Der Jubel der Ingenieure und Politiker war groß: Mit 603 Kilometern in der Stunde – das ist nahezu die halbe Schallgeschwindigkeit – zischte der Hochgeschwindigkeitszug Maglev am 21. April über seine Teststrecke westlich von Japans Hauptstadt Tokio. Damit knackte die modernste Magnetschwebebahn ihren eigenen, zuvor aufgestellten Weltrekord von 500 Stundenkilometern. Wer als Fahrgast bei diesem Tempo aus dem Abteilfenster schaut, kann gewiss nicht die Landschaft genießen, sondern riskiert eher einen Schwindelanfall. Aber bei den Zügen der Zukunft geht es nicht um das Reisen an sich, sondern um pure Effizienz: Wie kommt man am schnellsten von A nach B?
Und es geht auch um ganz praktische Lösungen, zum Beispiel dem steigenden Personen- und Warenverkehr Herr zu werden. Ab 2027 will die japanische Bahngesellschaft Central Japan Railway die Fahrgäste zwischen Tokio und der Industriestadt Nagoya in den Geschwindigkeitsrausch versetzen, auch wenn der Maglev – der Name leitet sich von „magnetische Levitation“ also Magnetschwebebahn ab – im Regelbetrieb „nur“ 500 Stundenkilometer schnell sein soll. Immerhin erreichen Passagiere und Fracht ihr 286 Kilometer entferntes Ziel in 40 Minuten. In 30 Jahren soll die Magnetschwebebahn ausgebaut sein und die Distanz zwischen Tokio und der 500 Kilometer entfernten Millionenstadt Osaka auf knapp eine Stunde verkürzen. So können Geschäftsleute öfter und schneller zwischen den Ballungszentren pendeln.
In zwei Tagen nach China
Die Züge der Zukunft haben kaum noch etwas gemein mit den Intercitys unserer Zeit. Sie ähneln mit ihren ergonomisch geformten Schnauzen und ihrer Leichtbauweise eher Raketen. Sie fahren auch nicht mehr auf Schienen, sondern schweben auf Magnettrassen. Diese, wie auch die Tunnel, müssen eigens für den Maglev gebaut und gebohrt werden. Die Kosten werden auf rund 66 Milliarden Euro geschätzt. Das deutsche Pendant, der Transrapid, wurde 2006 hierzulande nach einem schweren Unfall auf Eis gelegt. In Shanghai ist er bereits seit 2004 im Regelbetrieb und verbindet mit 430 Stundenkilometern in nur acht Minuten das 30 Kilometer entfernte Messegelände mit dem Flughafen.
Jetzt schwebt den Chinesen ein größeres Projekt vor: In 20 Jahren sollen Hochgeschwindigkeitszüge rund 13.000 Kilometer über die sogenannte „China-Russia plus America Line“ bis nach New York flitzen, 200 Kilometer davon unter der Beringsee. Bei einer im Vergleich zum Maglev eher moderaten Geschwindigkeit von durchschnittlich 350 Stundenkilometern würden Waren in nicht einmal zwei Reisetagen deutlich schneller als auf dem Seeweg von China über Sibirien, Alaska und Kanada in die USA gelangen. Was sich wie Größenwahn anhört, ist nur eins von drei geplanten, grenzüberschreitenden Hochgeschwindigkeitsprojekten, mit denen China seine Wirtschaft langfristig ankurbeln will. Die Kosten für das bombastische Langstreckenprojekt bezifferte die staatliche Tageszeitung China Daily Anfang des Jahres auf mehrere Billionen Dollar, die es erst einmal aufzubringen gilt.
30 Minuten bis L.A.
Während das China-Projekt noch Zukunftsmusik ist, wird in den USA eine ähnliche, auf den ersten Blick wahnwitzige Idee vorangetrieben: das Hyperloop-Projekt des Multimilliardärs und Unternehmers Elon Musk. Der gebürtige Südafrikaner hat in der Vergangenheit schon mehrere tollkühne Visionen umgesetzt, etwa den Elektro-Sportwagen Tesla oder die Weltraumtransportfirma SpaceX. Sie versorgt mit ihren Dragon-Raumfähren bereits die ISS mit Waren und soll bald Touristen ins All befördern.
Durch die Weltraumtechnik inspiriert, will Musk jetzt mit seinem 2013 angekündigten Projekt namens Hyperloop Menschen und Fracht in Kapseln stecken und in einer Röhre mit niedrigem Luftdruck auf Luftkissen energieschonend an ihr Ziel bringen. In seiner 57-seitigen Design-Studie beschreibt er den Hyperloop im Detail und liefert jede Menge Skizzen, Berechnungen und Möglichkeiten: Die Röhre steht auf hohen, erdbebensicheren Stelzen und wird durch Solarpaneele auf der Strecke umweltschonend mit Energie versorgt. Die rund 600 Kilometer weite Reise von San Francisco nach Los Angeles – es ist die meist befahrene Strecke im Westen der USA – soll bei einer Höchstgeschwindigkeit von streckenweise 1.220 Stundenkilometer nur 35 Minuten dauern. Das wäre schneller als Fliegen. Die Baukosten der zwei nebeneinander verlaufenden Röhren – eine für jede Richtung – und 40 Transportkapseln bezifferte Musk in seiner ersten Analyse auf lediglich sechs Milliarden US-Dollar. Das wären weniger als ein Zehntel des ebenfalls auf dieser Strecke bis 2029 geplanten Hochgeschwindigkeitszugs „California High Speed Rail“. Der Zug wäre nicht nur teurer, sondern auch fünfmal langsamer als der Hyperloop.
Elon Musk legte seine Rohrtransport-Idee in seinem Konzept von 2003 ausdrücklich als „Open Scource“-Projekt an, an dem sich alle Interessierten beteiligen können. Er selbst twitterte Anfang des 2015, dass er eine Hyperloop-Teststrecke in Texas bauen wolle. Daneben tüftelt eine weitere Firma, Hyperloop Technologies, an dem Röhrentransportsystem. Dahinter stehen Investoren und Unternehmer aus dem Silicon Valley. Am weitesten fortgeschritten ist Hyperloop Transportation Technologies (HTT). Dirk Ahborn, der deutscher Mitgründer der Crowdsourcing- und Crowdfunding-Plattform JumpStartFund, leitet das kalifornische Startup, das zu seiner Holding gehört. Er nutzt die Intelligenz der Massen: Bereits rund 300 Entwickler von namhaften Organisationen und Unternehmen – darunter NASA, Boeing und Cisco sowie Mathematik-Studenten von Harvard und Architekturstudenten der University of California – engagieren sich in ihrer Freizeit, damit Hyperloop die Rohrpost das nächste große Ding im Transport wird. Im Gegenzug erhalten sie Aktienanteile, denn das Startup will noch in diesem Jahr Nägel mit Köpfen machen und an die Börse gehen. Hyperloop ist beileibe keine Science Fiction mehr: Im kommenden Jahr sollen die Bauarbeiten der ersten, acht Kilometer langen Testrecke im Quay Valley zwischen San Francisco und Los Angeles beginnen. Schon drei Jahre später soll dort die erste Riesen-Rohrpost abgehen.