Interview Essen im Internet: Same Day im Fokus der Zustellung

Der Online-Lebensmittelmarkt gilt in Deutschland als noch wenig erschlossen. Große und kleine Player intensivieren jedoch massiv ihr Engagement. Auch Liefery rüstet sich nun für eine verstärkte Kooperation mit dem Lebensmittelhandel.

Morgens im Internet Lebensmittel bestellt und noch am gleichen Abend geliefert. (Foto: Liefery)

Innovationen, Gründergeist und Neues ausprobieren, dabei schneidet Deutschland im internationalen Vergleich eher zurückhaltend ab. Anders ist es mit der Offenheit gegenüber dem Lebensmitteleinkauf im Internet. Einer aktuellen Studie von TNS im Auftrag des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft zur Folge hat bereits jeder dritte Deutsche (33 Prozent) Lebensmittel im Internet eingekauft und würde es auch wieder tun. Einige Indikatoren deuten darauf hin, dass der Online-Lebensmittelmarkt in Zukunft an Umsatzstärke gewinnen wird. Die relevanten Player im E-Commerce rüsten sich in jedem Fall dafür. Auch der Kochboxenversender Hellofresh  hat sich viel vorgenommen. Im vierten Quartal 2018 will er die Gewinnschwelle knacken. Damit es mit der Auslieferung des steigenden Bestellvolumens klappt, hat Hellofresh seine Kooperation mit Liefery intensiviert. Seit Januar 2018 stellt das Start-up, an dem die Hermes Germany 68 Prozent der Anteile hält, verstärkt in deutschen Metropolen zu. Im Interview spricht Liefery Gründer Nils Fischer über die Herausforderungen im taggleichen Zustellservice und das Engagement im E-Food-Bereich.

Laut jüngsten Bilanzmeldungen hat Hellofresh für den deutschen Markt ein Wachstum um 25 bis 30 Prozent für das laufende Jahr ausgerufen. In Berlin, Hamburg, Köln und Düsseldorf werden Hellofresh-Boxen von euren Kurieren jetzt auch in den Morgenstunden geliefert. Was erhofft ihr euch davon?

Nils Fischer: Wir freuen uns, die Zusammenarbeit mit HelloFresh ausweiten zu können und somit weiteres Volumen im Bereich FMCG (Fast Moving Consumer Goods) zu übernehmen. Durch die morgendlichen Auslieferungswellen generieren wir zusätzliche Umsätze, können unsere Auslastung weiter optimieren und zu geringeren Kosten anbieten. So festigen wir unsere Position als etablierter Player im Food Delivery Markt.

Same Day Lieferung und E-Food gehört das zwingend zusammen? Auf welche Produkte setzt ihr noch für die taggleiche Lieferung?

Nils Fischer: Zwingend nicht, nein. Aber es passt sehr gut zusammen: Wer morgens auf dem Weg zur Arbeit in einem Rezepte-Blog stöbert und etwas Leckeres entdeckt, kann durch die Kombination von E-Food und Same Day Delivery noch am selben Abend zu Hause den Kochlöffel schwingen – das ist schon ziemlich cool. Dennoch ist Same Day Delivery aus unserer Sicht nur eine Option, die sich in einen großen Lösungsraum einfügt. Wir sehen im Markt und durch Gespräche mit Händlern, dass insbesondere die Aspekte Planbarkeit, Transparenz und Flexibilität momentan für die Empfänger den höchsten Stellenwert einnehmen. Das Thema Geschwindigkeit rückt dabei etwas in den Hintergrund. Der große Familieneinkauf muss nicht zwingend sofort an der Haustür eintreffen. Als Zustellpartner des Handels gilt es vielmehr für eine exakte und planbare Zustellung im gewünschten Zeitfenster des Empfängers zu sorgen. Für Same Day Delivery bieten sich grundsätzlich insbesondere drei Produktkategorien an: Food, Fashion und Consumer Electronics.

Warum seid ihr insbesondere in den Metropolen aktiv? 

Nils Fischer: Unser Anspruch ist, schnelle, bequeme, flexible, planbare und innovative Last Mile Services für den Kunden im urbanen Raum zu realisieren. Durch unsere hohe Auslastung in den Metropolregionen können wir dem Handel attraktive Preise für hochwertige Leistungen anbieten. In ländlichen Regionen ist die Sendungsdichte deutlich niedriger, so dass die damit verbundenen Stoppkosten maßgeblich höher ausfallen. Das heißt für die Stadt: Schneller, bequemer, flexibler und transparenter Lieferservice zu erschwinglichen Preisen – und für das Land: Sekundäre Preisgestaltung mit höheren Tarifen für die schnelle Lieferung oder moderaten Tarifen für die Standardlieferung.

Hinzu kommt, dass wir momentan eine ganze Reihe innovativer City Logistik Lösungen testen, um für die Herausforderungen des stetig steigenden Paketvolumens, des Zustellermangels sowie der notwendigen ökologischen Nachhaltigkeit bestens gewappnet zu sein. Wir sehen uns in diesem Zusammenhang innerhalb der Hermes Gruppe als der Produktinnovator in Metropolregionen und Marktführer beim Thema Same Day Delivery.

Sind die Stoppkosten mit aktuell 12 Euro nicht zu teuer?!

Nils Fischer: Neben dem intensiven Wettbewer, preissensiblen Kunden und niedrigen Margen, stellen die hohen Logistikkosten (ca. EUR 12,- / Lieferung) und die geringe Stopp-Dichte zentrale Herausforderungen im E-Food Business dar. Daher bietet es sich für den Online-Lebensmittelhandel an, die letzte Meile auszulagern, um sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren und somit Kosten einzusparen. Genau hier setzt unsere FMCG Lösung an: Durch geschickte Konsolidierung mehrerer Händler bei Einhaltung der Food spezifischen Prozesse können wir bereits heute zu deutlich niedrigeren Kosten anbieten und profitieren durch die Konsolidierung auch von einer signifikant höheren Stoppdichte im Vergleich zur Eigenproduktion des Handels. Darüber hinaus wollen wir zukünftig Food Delivery Touren mit Non-Food Paketen anreichern, um die Stoppdichte noch weiter zu erhöhen.

Wie bewertet ihr die Entwicklung im deutschen E-Food-Geschäft insgesamt? Wohin geht der Trend in 2018?

Nils Fischer: Lebensmittel sind der Wachstumstreiber des Online-Handels. In zwei Jahren werden die Onlineumsätze mit Lebensmitteln jährlich 1,7 Mrd. EUR erreichen. Eine Studie von Oliver Wyman geht sogar davon aus, dass der Onlineumsatz mit Lebensmitteln 2020 in Deutschland zwischen 6 und 10 Mrd. EUR betragen wird. Das Marktpotential in Deutschland wird übrigens auch durch einen Blick nach UK bestätigt. Dort ist die Onlinebestellung von Lebensmitteln bereits sehr etabliert.

Dies ist natürlich eine sehr positive Entwicklung eines Marktes, der noch lange nicht erschlossen, geschweige denn gesättigt ist. Wir beobachten zurzeit, dass viele Händler – egal ob groß oder klein – verschiedene Ansätze verproben. Hier sind beispielsweise myEnso oder Picnic  neben den großen Playern wie Amazon zu nennen. Das zeigt: Es tut sich momentan eine Menge im deutschen E-Food-Geschäft. Wir sind davon überzeugt, dass sich insbesondere im Bereich Logistik in diesem Jahr einiges tun wird und die Händler ihren Kunden bessere Services anbieten werden – sei es beim Thema Geschwindigkeit der Lieferung oder der Auswahlmöglichkeit noch engerer Zeitfenster.

Same Day Delivery: Geht der Trend für die komplette Handels- und Logistikbranche dahin?

Nils Fischer: Millennials, mit rund-um-die-Uhr-Zugriff auf das Internet, erwarten ein in Echtzeit personalisiertes Einkaufserlebnis sowie Services, die sich voll auf ihre Bedürfnisse einstellen. Ich persönlich möchte dabei als Kunde in Zukunft aus einer Vielzahl von Zustelloptionen wählen können – ganz so, wie es zu mir bzw. zu meinem sich häufig ändernden Tagesablauf passt. Es wird also in Zukunft einmal mehr um Geschwindigkeit, Bequemlichkeit, Flexibilität, Planbarkeit und Transparenz auf der letzten Meile gehen. Same Day Delivery ist dabei jedoch nur ein Teil der Lösung und fügt sich aus unserer Sicht in ein großes System unterschiedlicher Lösungen ein: Dazu gehört neben einer maximalen Track & Trace Transparenz und proaktiver Email- und SMS Kommunikation insbesondere auch das Thema Next Day Delivery mit einem sehr späten Order-Cut-Off, also einer Online Shop Bestellung bis Mitternacht, gefolgt von einer garantierten Next Day Feierabend Zustellung.

Welchen Stellenwert hat Same Day Delivery heute, in einem Jahr, in fünf Jahren?

Nils Fischer: Wir gehen davon aus, dass Same Day Delivery als Oberbegriff für die oben genannten Leistungen in den nächsten Jahren einen noch deutlich höheren Stellenwert haben wird als heute, da sich die Kundenerwartungen rasant verändern. Eine umfangreiche Studie von Deloitte hat gezeigt, dass 2014 eine Zustellung innerhalb von vier Tagen als schnell empfunden wurde. 2016 waren es dann nur noch zwei Tage. Heißt: Wer in Zukunft als schnell gelten möchte, muss innerhalb eines Tages an der Haustür des Kunden auftauchen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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