Autonome Zustellfahrzeuge, die eigenständig von Logistik-Centern und Verteilzentren bis zum PaketShop oder an die Haustür fahren: Für Mobilitäts-Expert*innen ist dies kein allzu fernes Szenario. Besonders für die Paketlogistikbranche sind die sich bietenden Möglichkeiten der autonomen Zustellung interessant: Sie steht der Herausforderung eines akuten Fahrermangels gegenüber, der sich weiter verschärfen wird. Denn laut aktueller KEP-Studie werden trotz des derzeit gedrückten Konsumklimas in den kommenden Jahren grundsätzlich steigende Sendungsmengen prognostiziert. Dr. Henriette Cornet (Senior Manager Knowledge & Innovation, Connected and Cooperative Automated Mobility, UITP – International Association of Public Transport) forscht zum Thema autonomes Fahren und sieht vor allem politische Entscheidungsträger*innen in der Pflicht, notwendige Leitplanken der Regulierung zeitnah auf die Straße zu bringen.
Laut aktueller Prognos-Studie, die in einem Artikel vom ADAC aufgegriffen wird, werden sich autonom fahrende Autos erst ab 2040 in Deutschland durchsetzen. Bevor es so weit ist, klingt das Szenario auf den Straßen wie eine Verheißung: Warum die Hände am Lenkrad haben und konzentriert auf den Verkehr achten, wenn man die Zeit auch viel sinnvoller für andere Tätigkeiten nutzen könnte? 2020 lag der Anteil von Autos, bei denen sich Fahrer*innen von ihrer Fahraufgabe auf Autobahnen abwenden konnten, immerhin bei 2,4 Prozent. Assistenzsysteme in modernen Modellen sorgen dafür, dass man bei längeren Touren in gleicher Richtung nur partiell das Steuer übernehmen muss. Bis 2050 soll der Anteil autonomer Assistenzsysteme in deutschen Autos auf rund 70 Prozent steigen. Der Autopilot für den Pkw auf deutschen Straßen? Die KEP-Branche, die 2022 4,2 Milliarden Sendungen transportierte – die große Mehrheit davon per Transporter –, könnte wohl für diese Möglichkeiten des technologischen Fortschritts zu begeistern sein.
Autonom fahrende Autos sind bereits auf den Straßen unterwegs
In der neuen Folge von „Lieferzeit. Der Logistik-Podcast“ diskutieren Moderator David Siems und Dr. Henriette Cornet die Möglichkeiten, die autonome Zustellfahrzeuge für die Branche mit sich bringen würden: „Autonome Fahrzeuge sind bereits auf unseren Straßen unterwegs, allerdings nur im Rahmen von Pilotprojekten. In den USA oder China sind autonome Autos bereits Bestandteil im Straßenverkehr einiger Städte. Für die Logistikbranche würden sich ganz verschiedene Möglichkeiten ergeben. Je nach Geschäftsmodell müsste man schauen, an welcher Stelle der Lieferkette die Arbeitskraft des Menschen aktuell nicht optimal ausgeschöpft wird. Autonome Zustellfahrzeuge könnten etwa nachts oder frühmorgens im Einsatz sein. Die Technologie kann hier helfen, die Menschen zu entlasten“, sagt die Expertin.
Dass es auch politisches Bestreben gibt, das Thema auf die Überholspur zu bringen, zeigt der Blick in die jüngere Vergangenheit: Im Mai 2021 haben Bundestag und Bundesrat einem Gesetz zugestimmt, das vollständig autonomen Fahrzeugen erlaubt, in Deutschland grundsätzlich am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Die konkreten Ausführungsbestimmungen folgen aber erst in den kommenden Jahren – auch deshalb, weil die Automobilindustrie, laut ADAC-Recherchen, doch noch nicht die bahnbrechend-technischen Fortschritte gemacht hat, die man vor ein paar Jahren noch prognostiziert hatte. Hinzu kommt eine grundsätzliche Skepsis in der (autofahrenden) Bevölkerung. Laut Umfragen zweifeln 45 Prozent der Autofahrer*innen an der Verlässlichkeit der Fahrzeugtechnologie oder haben Angst vor Hackern. Befürworter*innen argumentieren unter anderem, dass autonome Pkw eine Reihe von Möglichkeiten und Chancen eröffnen würden, etwa den Menschen, die aus Gründen der Beeinträchtigung nicht am Straßenverkehr teilnehmen können.
Keine Frage der Technik, sondern des politischen Willens
Für die Logistikbranche gibt es derweil verschiedene Szenarien: Eines davon ist das fahrerlose Fahrzeug auf der Langstrecke, das von amerikanischen KEP-Unternehmen bereits auf Highways zum Einsatz kommt. Ein ähnliches Szenario ist auch auf europäischen Straßen in Planung. Bis autonome Fahrzeuge auf der Letzten Meile zum Einsatz kommen, etwa als mobile Paketstation, wird es noch eine Weile dauern. Dr. Henriette Cornet sagt: „Ich denke, dass wir in fünf bis zehn Jahren die ersten autonom fahrenden Fahrzeuge auf deutschen Straßen erleben werden. Das liegt aber sehr stark am Willen der Politik und der Städte und Kommunen. In meinen Augen ist das keine Frage der Technik, sondern eine Frage der Regulierung. Die Politik muss sich fragen: Wie können wir autonome Fahrzeuge in unsere Verkehrskonzepte integrieren? Wenn dieser Wille da ist, kann es sehr schnell gehen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie auf unseren Straßen fahren.“
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