Podcast „Lieferzeit“ „Ich glaube an eine deutlich höhere Automatisierung – anders werden wir es nicht schaffen“

Alexander Graf meets „Lieferzeit. Der Logistik-Podcast“: In der neuen Folge diskutieren der E-Commerce-Experte und Host des Podcasts „Kassenzone“ und Dennis Kollmann, Chief Sales Officer bei Hermes Germany, fünf Thesen zur Zukunft der Paketlogistik – und ob der E-Commerce dann immer noch so eine tragende Rolle spielen wird wie in den letzten Jahren.

(Foto: Hermes Germany)

2021 wurden laut Branchenverband BIEK (Bundesverband für Paket- und Expresslogistik) über 4,5 Milliarden Sendungen durch Deutschland geschickt, ein Großteil davon waren B2C-Sendungen. Vor allem die Textil- und Sportbranche gehört zu den großen Treibern der steigenden Sendungsmengen, da der Online-Handel und Retailer in den vergangenen Jahren immer weitere Geschäftsfelder erobert haben. Die Gründe dafür sind mannigfaltig: Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 hat sich der Konsum verstärkt in den Online-Markt verlagert und zu verändertem Verhalten auf Kundenseite geführt. Während der stationäre Einzelhandel in den Zentren vieler deutscher Großstädte teilweise nicht mehr als zukunfts- und geschäftsfähig eingestuft wird und viele Läden schließen, investieren Retailer, aber auch die KEP-Branche verstärkt in digitale Geschäftsmodelle.

Alexander Graf (Foto: Privat)

In der neuen Folge von „Lieferzeit. Der Logistik-Podcast“ sprechen Dennis Kollmann, Chief Sales Officer bei Hermes-Germany, und E-Commerce-Experte und Unternehmer Alexander Graf, seines Zeichens Host des Branchen-Podcasts „Kassenzone“, über mögliche Zukunftsszenarien – und diskutieren, in welche Richtung sich die verschiedenen Bereiche des Lieferverkehrs entwickeln könnten. „Ich glaube, es wird in Zukunft ein bis zwei Unternehmen geben, die das Thema E-Commerce als Plattformanbieter für den Long-Tail beherrschen werden. Aber es wird immer auch Raum für segmentspezifische Spezialisten geben, die einen inspirieren und beraten, wie es etwa beim Thema Home & Living oder Mode der Fall ist. Im Bereich der Distribution müssen Händler und Logistiker substanziell enger zusammenwachsen, als sie es heute tun. Da darf im Check-out nicht stehen: Dein Paket kommt in ein bis drei Tagen. Unser Anspruch muss es sein, die Optionen deutlich präziser zu kommunizieren, so wie es Player zum Beispiel in Skandinavien zum Teil schon gut hinbekommen: Morgen um 15:30 Uhr ist dein Paket im Locker Malmö 3 oder übermorgen zwischen 17:00 und 18:00 Uhr bei dir zu Hause“, sagt Dennis Kollmann. Und Alexander Graf betont bei dem Gespräch: „Ich glaube an eine deutlich höhere Automatisierung und an eine Welt, in der wahrscheinlich deutlich weniger manuelle Arbeitskräfte in der Logistikkette involviert sind, weil wir es anders gar nicht schaffen können.“

Lieferverhalten: Wird die Geschwindigkeit weniger relevant?

Ein boomender E-Commerce hat die Paketlogistikbranche zuletzt Jahr für Jahr vor neue Herausforderungen gestellt, um nicht nur Versorgungssicherheit zu garantieren, sondern auch attraktive und verlässliche Lieferzeiten zu gewähren. Dabei geht es nach Ansicht von Alexander Graf für viele Konsument*innen nicht mehr primär um Geschwindigkeit und eine schnelle Overnight-Zustellung, sondern um punktuelle Lieferungen, auf die man sich einstellen kann: „Ich habe eine sehr große Paketbox im Garten, da würde sogar ein Fahrrad reinpassen. Mir würde es völlig ausreichen, wenn ich weiß, dass ich jeden Freitag oder Samstag meine Artikel geliefert bekomme und nicht an anderen Tagen“, sagt Alexander Graf.

Dennis Kollmann (Foto: Hermes)

Dass sich die Ansprüche der Empfänger*innen und damit auch das Lieferverhalten in Zukunft verändern werden, ist der Branche bewusst. Hinzu kommt, dass die Paketdienstleister sich auch auf lange Sicht weiter auf steigende Paketmengen einstellen müssen: Laut BIEK-Studie ist bis 2026 mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum des Sendungsvolumens von 4,7 Prozent auf 5,67 Milliarden Sendungen zu rechnen. Auch wenn in diese Prognose die diesjährigen Entwicklungen rund um den Ukraine-Krieg mit Energiekrise und Inflation, die derzeit auf Konsumentenseite für Zurückhaltung im Kaufverhalten sorgen, nicht mit eingeflossen sind, so geht der BIEK dennoch von einem weiteren Wachstum für den Online-Handel aus. So ist sich auch Dennis Kollmann sicher: „Im Delivery-Prozess wird sich in den nächsten 20 Jahren substanziell etwas ändern – die Anforderungen der Konsumenten werden sehr hoch bleiben, aber der Prozess dahinter wird sich massiv verändern und automatisiert werden.“

Nachhaltigkeit, Retouren und autofreie Innenstädte

In der aktuellen Folge von „Lieferzeit. Der Logistik-Podcast“ sprechen Dennis Kollmann und Alexander Graf auch über weitere Themen wie die Sinnhaftigkeit von staatlichen Besteuerungen für Produkte, über Fragen der Nachhaltigkeit und ob etwa regionale oder nationale Anbieter automatisch die bessere Wahl sind. Daneben geht es um Retouren als elementaren Bestandteil des E-Commerce und autofreie Innenstädte, um den Lieferverkehr zu erleichtern: „Ich glaube nicht, dass das Verbot von Autos zu einer schöneren Innenstadt führt. Ich glaube, eine besser gemanagte Innenstadt-Infrastruktur führt zu weniger Autos“, so der Unternehmer. „Es braucht gute Angebote, die es für mich und Lieferverkehre attraktiver machen, das Auto stehen zu lassen. Das ist genauso wie mit der Arbeitskultur in Büros: Viele Unternehmen denken immer noch, dass es reicht, einen Tischkicker und Freigetränke anzubieten und alles wird gut. Kultur ist aber ein Ergebnis und keine Ursache. Offene und flache Hierarchien führen zu guter Arbeitskultur, genauso ist es beim Thema autofreie Innenstädte.“


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