Re-Commerce Alt ist das neue Neu

Re-Commerce im E-Commerce: Immer mehr Kunden und Onlinehändler entdecken das Geschäft mit Gebrauchtwaren. Ob Kamera, Kleidung oder Smartphone: Verschiedene Beispiele zeigen, dass Alt das neue Neu ist.

Wer liest schon ein Buch mehrmals? Der Internethändler Momox hat sich auf den Wiederverkauf von Büchern spezialisiert. (Foto: Gerhard Westrich/momox)

Re-Commerce im E-Commerce: Immer mehr Kunden und Onlinehändler entdecken das Geschäft mit Gebrauchtwaren. Ob Kamera, Kleidung oder Smartphone: Verschiedene Beispiele zeigen, dass Alt das neue Neu ist.

Das Potenzial von ausrangierten Dingen hat Lawrence Leuschner schon sehr früh erkannt. Mit zehn Jahren durchstöberte er regelmäßig die Lagerhalle des Import- und Exporthandels seines Stiefvaters nach brauchbaren Waren. Sein erster Erfolg: Er verkaufte defekte Hängematten auf dem Flohmarkt.

Inzwischen ist er über 30 und finanziert mit dem Verkauf von Gebrauchtwaren über 500 Mitarbeiter. Seine Firma ReBuy hat sich vor allem auf gebrauchte Elektronik wie Smartphones und Tablets spezialisiert und setzt damit jährlich über 60 Millionen Euro um. „ReBuy ist nicht nur eine unkomplizierte Möglichkeit fürs Ausmisten, sondern wirkt auch aktiv der Wegwerfmentalität entgegen“, sagt der Unternehmer im Interview mit Gründerszene. „Wir erhoffen uns, das Bewusstsein der Verbraucher dadurch langfristig zu verändern.“

Geld sparen und den Keller entrümpeln

Re-Commerce ist ein Trendthema im Internethandel. Vor einigen Jahren konnte man alte, rare Bücher nur über Antiquariate beziehen oder gebrauchte Handys auf dem Flohmarkt kaufen. Doch immer mehr Onlinehändler wagen sich seit ein paar Jahren an das Geschäft mit Gebrauchtwaren. Und die modernen Trödler bedienen damit eine Nachfrage, die sich vom Flohmarkt immer mehr in die digitale Welt verlagert. Inzwischen gehören der deutschen Re-Commerce-Szene mehr als 50 Portale an, Tendenz stark steigend. Über ein Drittel der Deutschen findet laut einer Umfrage von Internet World Business die Wiederverwendung von Konsumgütern auf verschiedenen Online-Plattformen einen „super Service zum Geldsparen und Kellerentrümpeln“. Alt ist das neue Neu.

Ob Bücher, Elektronik, Kleidung, Kinderspielzeug oder Computerspiele, gefragt ist so ziemlich alles, was noch brauchbar ist. Egal, ob Momox, ReBuy, Flip4new oder Wirkaufens, die Vorgehensweise ist fast überall die gleiche. Im Unterschied zu herkömmlichen Verkaufsplattformen können Kunden beim Re-Commerce ihre nicht mehr benötigten Artikel zum Festpreis verkaufen. Der Verkäufer tippt den Artikelnamen ein oder liest die ISBN-Nummer ein. Darauf erscheint ein Ankaufspreis. Akzeptiert der Anbieter diesen, muss die Ware nur noch per Post weggeschickt werden. Einige Unternehmen übernehmen das Porto oder lassen die Pakete sogar an der Haustür abholen. Der Ankäufer prüft die Ware und bereitet sie für den Weiterverkauf auf. Der ursprüngliche Besitzer bekommt dann sein Geld – allerdings meist deutlich weniger, als ein Verkauf auf einer herkömmlichen Plattform wie Ebay eingebracht hätte.

Umweltbewusstsein der Verbraucher unterstützt den Trend

Denn die Tatsache, dass die Plattformen den gesamten Verkaufsprozess inklusive Risiko übernehmen, lassen sie sich natürlich bezahlen. Die durchschnittliche Marge für den Weiterverkauf der gebrauchten Gegenstände liegt bei 40 Prozent. Die Käufer freuen sich dennoch, weil sie hochwertige Ware teilweise sehr günstig erstehen. Mittlerweile ist der Handel mit der Gebrauchtware derart lukrativ, dass sich auch immer mehr Großkonzerne für das Thema begeistern. Ebay ging 2011 eine Kooperation mit Flip4new ein, Amazon startete kurz darauf seinen „Trade-in“-Service. Saturn und Media Markt, beide Töchter der Metro-Gruppe, haben sich an Flip4new beteiligt.

Für ein ausreichendes Warenangebot dürfte langfristig gesorgt sein, denn die Produktzyklen werden immer kürzer. Die Hersteller sorgen mit neuen Funktionen, Features und Designs dafür, dass die Verbraucher nie das Interesse verlieren. Um stets das neueste zu besitzen, ersetzen sie ihre Geräte oft, obwohl sie noch funktionieren.

Der Second-Hand-Markt profitiert aber auch vom stetig wachsenden ökologischen Bewusstsein der Verbraucher. Das lässt sich bei elektronischen Geräten, aber vor allem auch bei Kleidung beobachten. Statt ein neues billig produziertes Stück zu erwerben, gehen immer mehr Menschen dazu über, gebrauchte Kleidung zu kaufen oder mit anderen zu tauschen. Inzwischen sind zahlreiche Plattformen entstanden, auf denen sich modebewusste Konsumenten eindecken können: zum Beispiel Kleiderkreisel.de, Kirondo.de, Kleiderkorb.de oder Mädchenflohmarkt.de. In ganz Deutschland gibt es inzwischen Kleidertauschpartys, auf denen sich vor allem Frauentreffen, um sich gegenseitig mit hochwertigen Kleidungsstücken zu beglücken. Mit dem Kauf oder Tausch von gebrauchten Produkten lässt sich nicht nur Geld sparen, sondern auch das Gewissen beruhigen.

Weiterlesen
Nächster Artikel