Schlaues Heim: Wohnen via App
Heizung, HiFi, Jalousie, Notfallruf bei Stürzen –Smart-Home-Anlagen können all diese Funktionen miteinander verknüpfen. Noch sind viele Systeme nicht miteinander kompatibel und die Nutzerzahlen niedrig. Doch Experten sind sich einig: das wird sich sehr bald ändern. Die Otto Group investierte jüngst in das Start-up Smartfrog. Eine Lösung, die verspricht, das Alltagsleben der Menschen bequemer und sicherer zu gestalten.
Was für ein schönes Gefühl: Mitten im Winter von der Arbeit nach Hause kommen und die Wohnung ist bereits mollig warm. Nicht, weil man die Heizung einfach tagsüber laufen gelassen und damit eine Menge Energie verschwendet hat. Nein, das Smartphone hat der Heizung mitgeteilt, dass man auf dem Weg nach Hause ist – und die Temperatur hochgefahren. Gut für die Umwelt, gut für die Heizkosten. Das sieht auch eine Gruppe von Investoren so, die Anfang Oktober 15,2 Millionen Euro in das Münchner Start-up Tado investiert hat, das die Technologie entwickelte. Sie teilen die Einschätzung von Tado-Chef Christian Deilmann: „Wir sind überzeugt, dass in Zukunft jede Heizung und Klimaanlage mit dem Internet verbunden sein wird und per App vom Smartphone gesteuert werden kann.“
Energiesysteme intelligent miteinander vernetzen – das ist nur ein Aspekt, der unter dem Begriff Smart Home eingeordnet wird. In Bürogebäuden etwa werden schon seit Jahren die Beleuchtung oder das wetterabhängige Auf- und Herunterfahren von Jalousien geregelt. Meist über Kabel oder Funksignale, die von Zwischensteckdosen aus mit einer zentralen Station kommunizierten. Diese Station ist heute oft ein internetfähiges Gerät wie ein DSL-Rooter, ein Smartphone oder der heimische PC. So werden inzwischen auch HiFi-Anlagen und Lautsprecher in sämtlichen Räumen eines Gebäudes miteinander vernetzt. Und Haustür, Herd oder Garagentor können aus der Ferne gelenkt werden. „Die zukunftsträchtigsten Aspekte sind für mich aber die Themen Energiesparen und Gesundheit“, sagt Alexander Schaper, Geschäftsführer des Vereins „SmartHome Initiative Deutschland“ und Inhaber der Beratungs- und Planungsgesellschaft „the smart building company“ in Oldenburg.
Dazu gehören das intelligente Zusammenschalten von Heizungen und Klimaanlagen, wie im Fall von Tado. Aber auch technische Hilfen, die ermöglichen, dass ältere und behinderte Menschen in den eigenen vier Wänden bleiben können, statt in ein Heim zu ziehen. Solche „Ambient Assisted Living“-Systeme können einen Notruf ans Krankenhaus weiterleiten, wenn der Bewohner abends kein Licht in der Wohnung anschaltet oder nicht zur gewohnten Uhrzeit die Kaffeemaschine anstellt. Weitergehende Lösungen gehen bis hin zu Sensoren in Fußboden und Matratzen, die registrieren, ob jemand gestürzt ist oder morgens nicht mehr aufsteht. „Diese Themen werden durch die demographische Entwicklung immer wichtiger“, sagt Schaper.
Auch die Konzerne haben den Trend längst für sich entdeckt. Die Otto Group beispielsweise beteiligt sich am Start-up Smartfrog. Via Smartphone, Tablet oder Notebook kann man rund um die Uhr und von überall in die eigenen vier Wände einsehen. Man muss nur die Kamera installieren und die App herunterladen, schon lässt sich von unterwegs ins Kinderzimmer schauen oder die Medikamenteneinnahme der Großeltern kontrollieren. „Wir sehen im Internet der Dinge einen der großen Zukunftsmärkte, der jetzt gerade durchstartet. Der Verbraucher erwartet dabei wirklich sinnvolle, einfach zu bedienende und günstige Lösungen. Hier überzeugt Smartfrog mit seiner schnell und einfach zu installierenden Komplettlösung“, sagt Lars Finger, Direktor E-Commerce Competence Center Otto Group zum Engagement seines Konzerns. Das Start-up legte bei der Entwicklung der Smart Home Lösung großen Wert auf den Mehrwert für den Nutzer. „Wir freuen uns, die Otto Group als eines der führenden Handelshäuser und E-Commerce-Anbieter an unserer Seite zu haben“, sagt Susanne Ardisson, PR-Direktorin bei Smartfrog. „Das Otto Group User Experience Team mit dem Usability Lab hat dabei sehr geholfen, unser Produkt noch einfacher und nutzerfreundlicher zu gestalten.“
Noch ist die Zahl der Nutzer in Deutschland aber mehr als überschaubar. Während in den USA bei einer Umfrage der Agentur Harris Poll jeder dritte Befragte angab, bereits smarte Technologie einzusetzen, war es in Deutschland bei einer Umfrage der Unternehmensberatung Deloitte gerade mal jeder siebte. Aber: 82 Prozent glauben, dass sich die Technik in naher Zukunft durchsetzen wird. Und das Bundeswirtschaftsministerium geht in einer Studie davon aus, dass sich der Umsatz von rund 2,3 Milliarden Euro bis 2025 auf 19 Milliarden Euro jährlich katapultieren wird. Denn es tut sich etwas.
Bislang schreckt viele Interessierte die Unübersichtlichkeit der Angebote ab. Energieversorger wie RWE bieten ebenso Smart-Home-Lösungen an wie der HiFi-Spezialist Sonos, das IT-Unternehmen Devolo oder der Haushaltsgerätehersteller Miele. Meist für Insellösungen, die nur bestimmte Gerätegattungen miteinander verbinden. Hinzu kommt, dass viele Geräte nur mit solchen desselben Herstellers kompatibel sind.
Große US-Hersteller versuchen darum, Standards zu setzen. Mit dem Apple HomeKit etwa sollen Geräte verschiedener Hersteller über eine einzige App laufen. Google wiederum übernahm 2014 Nest Labs – eine Firma, die smarte Thermostate, Rauchmelder und Überwachungskameras herstellt. Ab kommenden Jahr soll die Nest-Software Entwickler anderen Firmen offen stehen und so für die Vernetzung mit anderen Geräten sorgen.
Noch sei vieles davon nur im Planungsstadium, sagt Alexander Schaper: „Aber ich glaube ohnehin nicht, dass sich die Masse ein zu 100 Prozent vernetztes Heim wünscht.“ Wichtiger sei, einzelne Bereiche wie Energie oder Sicherheitstechnik miteinander zu verbinden. „Dafür braucht man einen Server mit einer sogenannten Middleware, die wie ein Übersetzer zwischen den Sprachen der verschiedenen Bereiche vermittelt.“ Und das böten schon jetzt beispielsweise das deutsche Unternehmen Digitalstrom oder die Firma bootUp aus der Schweiz. „Seit drei, vier Jahren gibt es eigentlich alles auf dem Markt, was nötig ist.“ Dabei können die verschiedenen Geräte zudem unabhängig von Internetverbindungen miteinander kommunizieren. Das verhindert den Zugriff von außen auf die dabei ausgetauschten Daten. Ein entscheidender Punkt auf dem heimischen Markt. „Die Deutschen sind in der Tat zurückhaltend, was die Weitergabe ihrer Smart Home-Nutzungsdaten angeht“, sagt Gunther Wagner, Experte für Smart Homes bei Deloitte. Auch das habe die Befragung des Beratungsunternehmens gezeigt. „Lediglich zwölf Prozent würden Smart Home-Daten grundsätzlich teilen“, sagt er: „Die gute Nachricht für deutsche Unternehmen: Zwei Drittel der Befragten würde einheimische Unternehmen vorziehen. Diese können also gezielt mit dem Thema Datenschutz und Datensicherheit punkten.“
Das könnte Sie auch interessieren: