Singles‘ Day 2016 Big Business in China

20 Milliarden Dollar Umsatz in nur 24 Stunden: Diesen neuen Weltrekord soll morgen der chinesische Onlineshopping-Großkampftag Singles Day aufstellen. Alibaba-Gründer Jack Ma will das Rabattspektakel zum weltweiten Phänomen aufbauen.

Mitarbeiter der chinesischen Online-Plattform Tmall feiern begeistert die vielen Bestellungen der Kunden am Singles-Day. (Foto: ddp images)

20 Milliarden Dollar Umsatz in nur 24 Stunden: Diesen neuen Weltrekord soll morgen der chinesische Onlineshopping-Großkampftag Singles‘ Day aufstellen. Dabei hat der Handelskonzern Alibaba erst 2009 damit begonnen, den einst von Studenten erfundenen Feiertag als Marketing-Plattform zu nutzen. Alibaba-Gründer Jack Ma inszeniert den Singles Day in einer mit internationalen Stars besetzen Live-Gala – er will das Rabattspektakel zum weltweiten Phänomen aufbauen.

Wie, was, schon wieder zum Supersonderpreis einkaufen? Da hat man sich gerade an das aus den USA importierte Rabattschlacht-Doppel namens Black Friday und Cyber Monday gewöhnt – und schon soll das nächste Spektakel Teil des Konsumkalenders werden: Der chinesische Singles Day, einst eine Spaßveranstaltung von Studenten der Nanjing-Universität, aus dem der Handelsriese Alibaba inzwischen das umsatzstärkste Shoppingereignis der Welt gemacht hat.

Singles‘ Day kann man sich vorstellen wie Chinas Online-Version von Sommer- und Winterschlussverkauf zusammen, in einen Tag gepresst – und dann ist man noch nicht mal nah dran. 14,3 Milliarden Dollar Umsatz in nur 24 Stunden meldeten Alibabas Handelsplattformen nach dem Singles‘ Day 2015, ausgelöst durch Rabatte von 30, 50, 70, 90 Prozent auf alles von Billigelektronik und Lebensmitteln über Markenkleidung und Kosmetik bis hin zu Premium-Limousinen. Für den diesjährigen Singles‘ Day am 11.11. rechnen Analysten mit 20 Milliarden Dollar Umsatz. Noch ist das Event vor allem ein chinesisches Phänomen, doch Alibaba-Gründer Jack Ma will daraus ein globales Event machen.

Singles‘ Day soll weltweites Phänomen werden

Bereits jetzt können experimentierfreudige Auslandskunden auf Alibabas Plattform Aliexpress einkaufen, auch Mitbewerber wie Gearbest werben mit Singles-Day-Rabatten auf alles, was die Fabriken von Shenzen ausspucken – meistens unter obskuren Marken, von denen hierzulande noch niemand gehört hat, und zu Preisen, die den westlichen Kunden schon ohne Rabatte stutzen lassen. Darunter sind aber auch Marken, die international einen guten Ruf haben, etwa Chinas neuer Smartphone-Star Xiaomi. Auch der Bezahldienstleister PayPal bewirbt Singles‘ Day-Rabatte auf Partner-Plattformen mit verheißungsvollen Namen wie Joybuy.com und Banggood.com.

Ein Bericht des Testportals Notebookcheck.com verweist auf die Risiken des Direkteinkaufs über chinesische Handelsplattformen: Teilweise fehlende oder gefälschte CE-Kennzeichen, fehlerhafte Importpapiere, Komplikationen beim Zoll und teure Zwangspausen beim Logistik-Dienstleister. Manche Versender versuchten ihre Sendungen an den Behörden vorbeizulotsen, etwa indem sie die Fulfillment Center von Logistik-Dienstleistern wie Amazon oder Ebay nutzten.

Alibaba-Gründer Jack Ma tritt als leidenschaftlicher Gegner von halbseidenen Geschäftspraktiken und Produktpiraterie auf, spricht im amerikanischen Börsenfernsehen über Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit. Er will seinen in New York börsennotierten Konzern einer internationalen Premiummarke und den Singles Day zu einem weltweiten Phänomen machen, in diesem Jahr weitet er Alibabas Logistik-Infrastruktur zum ersten Mal auf Hongkong und Taiwan aus. Er hat den Popstar Katy Perry als internationale Singles Day-Botschafterin verpflichtet; die mehrstündige Live-Gala, die am 11.11. den dramaturgischen Höhepunkt setzt, wird vom selben Regisseur inszeniert, der auch die Oscar-Verleihungen verantwortet. Auf der Bühne wird unter anderem auch der deutsche Nationalspieler Thomas Müller stehen.

Wegweiser für den Einzelhandel

Zwar sind Analysten skeptisch, ob auf den westlichen Einzelhandelsmärkten Platz für noch ein Groß-Shopping-Ereignis im Herbst ist. Aber schon jetzt ist der Singles Day in mehrfacher Hinsicht weltweit wegweisend für den Einzelhandel.

Da ist die Infrastruktur, die hinter dem Ereignis steht. Wenn die größte Bevölkerung der Welt innerhalb von 24 Stunden zum Online-Schlussverkauf anrückt, bedeutet das eine enorme Belastung für die Server. Und auf den Klick folgt die Logistik: Alibaba verspricht den Festlandschinesen, dass ihre Singles Day-Einkäufe zum Teil schon innerhalb weniger Stunden zugestellt werden. Auf eine Milliarde Pakete schätzt Chinas Postbehörde das Versandvolumen für den diesjährigen Singles Day, jedes Jahr machen Fotos von Verteilzentren die Runde, in denen die Mitarbeiter durch Berge von Paketen waten.

Da sind die neuen Vertriebswege: Shopping ist in China sehr stark über soziale Medien getrieben; sich mit seinen Einkäufen zu präsentieren, gehört zum Erlebnis dazu. Viele Online-Anbieter präsentieren ihre Ware zusätzlich in Showrooms, auch um kritischere Kunden zu erreichen. Und wie viele asiatische Märkte ist China dem Westen im Bereich Mobile Business um Jahre voraus. Während Facebook gerade die ersten Versuche startet, in seinem Messenger-Dienst Anzeigen zu schalten oder Kaufvorgänge aus Instagram heraus zu starten, erledigen chinesische Kunden komplette Shopping-Vorgänge samt Bezahlung und Versandabwicklung im populären Chatdienst WeChat ab. 2015 fanden schon 70 Prozent der Singles Day-Umsätze auf Mobilgeräten statt. Und in diesem Jahr setzt Alibaba auf die neuen Digitaltrends Augmented Reality und Virtual Reality: In einem Pokémon Go-artigen Spiel können Kunden das Maskottchen der Alibaba-Plattform Tmall durch Geschäfte und Restaurants jagen, und mithilfe von Virtual Reality-Brillen können sie sich in Boutiquen in Metropolen wie New York versetzen.

Wichtiges Tor für ausländische Unternehmen

Überhaupt ist der Singles Day für Handelskonzerne und Markenhersteller wie Macy`s, Apple, Metro, Costco, Audi oder Uniqlo zu einem wichtigen Tor zum chinesischen Markt geworden. Sie nutzen die Dienste von Alibaba – oder seiner Konkurrenten wie JD.Com – um ohne eigene Infrastruktur an die neue Kundschaft heranzukommen. Zwar drücken die extremen Rabatte stark auf die Marge, doch zur Markenbildung und Marktforschung sei der Singles Day sehr wertvoll, wird etwa Metros China-Chef Jeroen de Groot zitiert.

Als stärkste ausländische Anbieter wurde 2015 der US-Einzelhändler Costco genannt, der in einer einzigen Stunde 3,14 Millionen Umsatz gemacht haben soll. Nachprüfen lässt sich das nur schwer, Alibabas Singles Day-Umsatzzahlen beruhen auf eigenen Angaben und werden immer wieder in Zweifel gezogen. Umstritten ist etwa, wie viele der zuletzt 14,3 Milliarden Dollar Umsatz wirklich zustande gekommen sind. Alibaba beteuert, der Anteil stornierter Bestellungen und geplatzter Zahlungen sei minimal, externe Analysten schätzen die Ausfallquote auf bis zu 25 Prozent – womit der Singles Day aber immer noch um ein mehrfaches umsatzstärker wäre als die US-Großkampftage Black Friday und Cyber Monday.

Sowohl in den USA als auch in China selber beobachten die Aufsichtsbehörden das Geschäft sehr genau. Die chinesische Industrie- und Handelsbehörde SAIC hat sich vor dem Singles Day mit Vertretern von Alibaba, JD.com, Amazon, Baidu und anderen Handelskonzernen getroffen, um sie öffentlichkeitswirksam zu warnen vor Umsatzfälschungen, Plagiaten oder dem Anheben von Listenpreisen kurz vor dem Singles Day, um die Rabatte attraktiver erscheinen zu lassen.

Dabei gibt es erste Anzeichen, dass genau die lautstark beworbenen Rabatte allmählich ihren Reiz verlieren – vor allem bei jungen Kunden, die inzwischen von so vielen Rabattaktionen überreizt seien, dass der Singles Day etwas von seiner Sonderstellung verliere, meldet der chinesische Digitalmarketing-Dienstleister Admaster – Anbieter sollten weniger auf Rabatte und mehr auf das Markenerlebnis setzen. Dass Alibaba die Singles Day-Dramaturgie inzwischen schon lange vor dem 11.11. hochfährt, halten manche Analysten hier für einen Schritt in die falsche Richtung. Dem Grande Finale auf Jack Mas Showbühne wird das keinen Abbruch tun.

Weitere Informationen zum Singles‘ Day 2016 finden Sie hier.

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