Zuhause ist es doch am Schönsten

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Garten ihrer Datsche Kartoffeln angepflanzt und kocht in der Abgeschiedenheit der Uckermark gerne Eintopf für sich und ihren Ehemann. Früher wäre sie dafür belächelt worden. Heute gibt es nicht wenige Landsleute, die sie um diesen Rückzugsort beneiden. Was in den siebziger Jahren für junge Leute noch das Grauen war, weil es als Symbol einer vernagelten Welt erschien, ist heute wieder begehrenswert. Ob Bausparvertrag oder Schrebergarten, diese biederen Sehnsüchte geben vielen Menschen Halt in einer instabilen Welt, die von Gräueltaten, Wirtschaftskrisen und Terrorangst geprägt ist. Der Trend ist klar: raus aus dieser Welt, rein ins kuschelige Heim.

Auch Mitbewohner wie diesen Gartenzwerg sieht man in den Grünanlagen wieder häufiger. (Foto: Fotolia)

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Garten ihrer Datsche Kartoffeln angepflanzt und kocht in der Abgeschiedenheit der Uckermark gerne Eintopf für sich und ihren Ehemann. Früher wäre sie dafür belächelt worden. Heute gibt es nicht wenige Landsleute, die sie um diesen Rückzugsort beneiden. Was in den siebziger Jahren für junge Leute noch das Grauen war, weil es als Symbol einer vernagelten Welt erschien, ist heute wieder begehrenswert. Ob Bausparvertrag oder Schrebergarten, diese biederen Sehnsüchte geben vielen Menschen Halt in einer instabilen Welt, die von Gräueltaten, Wirtschaftskrisen und Terrorangst geprägt ist. Der Trend ist klar: raus aus dieser Welt, rein ins kuschelige Heim.

Der Rückzug ins Private ist durch alle Altersklassen hindurch derzeit das gängige Mittel, den globalen Schrecken zu begegnen. Inzwischen ist rund um dieses Thema eine ganze Bewegung entstanden. Zahlreiche neugegründete Zeitschriften befassen sich mit „Achtsamkeit und positiver Psychologie“, versprechen „gute Ideen und schöne Gedanken“ oder propagieren „mehr Zeit fürs Wesentliche“. Fernsehsender strahlen Slow-TV-Ereignisse wie Holzhacken oder Lachsfischen in Echtzeit aus. Es gibt Näh-, Strick- und Häkelkurse. Die Handarbeitsbranche ist im vergangenen Jahr um 13 Prozent gewachsen und erwirtschaftete einen Umsatz von 1,3 Milliarden Euro.

Selbstversorger, Selbermacher, es gibt eigentlich nichts, was es nicht gibt. Für die einen ist es eine Flucht aus einer Arbeitswelt, die sich immer schneller dreht, verlangt, antreibt, fordert. Andere eigenen sich vorsichtshalber verloren gegangene Kompetenzen wieder an, aus Sorge, die Welt, für die sie ausgebildet wurden, könnte es bald nicht mehr geben.

Wohlfühlen hat höchste Priorität

Mittelpunkt dieser Entwicklung sind die eigenen vier Wände. Das zeigt auch die „Wohnstudie 2015“, die der Versandhändler Otto in Zusammenarbeit mit TNS Infratest herausgegeben hat. Die Konsumforscher befragten nicht nur Wohnpsychologen und Trendforscher, sondern auch über 1330 Verbraucher. Unterteilt wurden die Konsumenten in sieben Gruppen, von „Jungen Single“ bis zum „Empty Nester“, womit ein Paar gemeint ist, dessen Kinder bereits aus dem Elternhaus ausgezogen sind.

Das Wohlfühlen, das hat die Studie ergeben, hat demnach für die Deutschen höchste Priorität. Das Zuhause ist ihr Rückzugsort, ihr Nest, der Ort, an dem sich auch Gäste wohl fühlen sollen. Das kuschelige Heim ist ihnen sogar noch viel wichtiger als ein regelmäßiger Urlaub, das neueste Smartphone oder ein tolles Auto.

Und dafür geben sie auch jede Menge Geld aus. Der Preis der Einrichtung spielt nicht einmal für jeden zweiten Befragten eine entscheidende Rolle. Viel wichtiger ist es den Konsumenten, dass die Möbel gut aussehen, funktional sind und schadstofffrei.

Zunächst wurde der Trend des Rückzugs ins Private als Cocooning bezeichnet, was vor allem eine Art Einigeln beschreibt, den Rückzug aus der Zivilgesellschaft und der Öffentlichkeit. Inzwischen hat sich das Zuhause zum sozialen Mittelpunkt entwickelt, statt im Restaurant oder im Kino trifft man sich nun mit Freunden reihum im trauten Heim. Dort wird gemeinsam gekocht, gegessen, gebastelt, gespielt oder ein Film angeschaut.

Onlinemöbelhandel gilt als nächste große Hoffnung

Das ist auch der Wirtschaft nicht verborgen geblieben. Neue Produkte und Services werden entwickelt. Der Onlinemöbelhandel ist schwer im kommen. „Unser erklärtes Ziel im Bereich Möbel und Einrichten ist es, bis 2016 zusätzlich Umsätze in dreistelliger Millionenhöhe zu generieren“, sagte Michael Heller, Bereichsvorstand bei Otto, nach Veröffentlichung der Studie. Das wäre ein ziemlicher Sprung. Doch Ott ist mit seinen Wachstumsplänen nicht alleine. Das Segment gilt nach Bekleidung, Büchern und Unterhaltungselektronik als nächste große Hoffnung im Internetgeschäft. Allein 2013 stieg der Umsatz im Möbelversand nach Zahlen des Kölner Handelsforschungsinstituts IFH um rund 40 Prozent. Und es gibt noch reichlich Raum für Entwicklung: Der Onlineanteil liegt gerade mal bei knapp vier Prozent. Bis 2020 soll er auf 20 Prozent anwachsen, was einem Marktvolumen von sechs Milliarden Euro entspräche.

Noch ist es nicht selbstverständlich, Möbel im Internet zu kaufen. Die befragten Konsumenten erfreuen sich zwar schon jetzt an der Bequemlichkeit des Kaufs per Klick, der besseren Vergleichbarkeit und der großen Auswahl. Doch sie scheuen dabei die umständliche Rückgabe und ihnen fehlt das Shopping-Erlebnis.

Natürlich gibt es auch jede Menge Menschen, die den Rückzug ins Private kritisieren, weil er die Bevölkerung unpolitisch werden lässt und sie sich nur noch um sich selbst und ihr Zuhause dreht.

Ein Blick in die Vergangenheit könnte für Gelassenheit sorgen. 1853 ist die Zeitschrift Gartenlaube auf den Markt gekommen, das illustrierte Familienblatt. Die Publikation war ein voller Erfolg, die erste wirkliche Massenzeitschrift. Die Gartenlaube hat das traute Heim und die Familienharmonie zelebriert.

Die Menschen haben sich aber auch danach noch für Politik und Wirtschaft interessiert.

https://www.otto.de/unternehmen/de/newsroom/dossiers/OTTO-Wohnstudie.php

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