3D macht Druck
3D-Drucker revolutionieren die Produktion von Gegenständen – und zwingen zugleich die Logistikbranche zur Suche nach neuen Geschäftsideen. Denn der Transportbedarf wandelt sich gravierend.
Trend-Forscher bezeichnen den 3D-Druck bereits als die dritte industrielle Revolution. Aus gutem Grund: Ersatzteile, Autos, Brücken, Prothesen und Lebensmittel wie Nudeln oder Fruchtgummis lassen sich bereits mit ihnen herstellen. 3D-Drucker reproduzieren sogar menschliches Gewebe und Herzklappen. Die Ideen, was sich dreidimensional drucken lässt, werden immer wilder – und größer: Ein russisches Unternehmen stellte jüngst mit seinem „Apis Cor“ einen Drucker vor, der an Ort und Stelle ein Haus mit einer Fläche von 60 Quadratmetern an nur einem Tag druckt.
Mit einem Gewicht von 2,5 Tonnen, fünf Metern Breite und anderthalb Metern Länge ist dieser Riesendrucker ein Koloss. Der mit dem Druckkopf verbundene Roboterarm steht in der geplanten Mitte des Neubaus und bringt den Beton um sich herum direkt an den programmierten Stellen, Schicht für Schicht auf. Der Hausbau per Riesendrucker soll nicht nur schneller, sondern auch ressourcenschonender mit weniger Material und Energiekosten funktionieren. Der Hersteller will ihn überall dort einsetzen, wo schnell kostengünstiger Wohnraum entstehen soll.
Der dreidimensionale Druck ist von einer Zukunftsidee zur Realität geworden. Mittlerweile gibt es kaum etwas, was nicht gedruckt werden kann. „Der 3D-Druck kann unsere Wirtschaft nachhaltig verändern“, sagt Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Digitalverbands Bitkom. Das bekommen auch Logistikunternehmen zu spüren. Denn wenn Hersteller ihre Produkte zunehmend vor Ort drucken, statt sich damit beliefern zu lassen, verschwinden viele heute notwendige Transporte. Logistiker stehen vor einem tiefgreifenden Wandel ihres Geschäfts – das nicht unbedingt weniger werden muss, wenn sie clever agieren.
Das Geschäft der Logistiker wird aufgewirbelt
„Die Fabrik im Wohnzimmer“ bewegt die Logistiker bereits, zeigt Zukunftsforscher Heiko von der Gracht mit drei Co-Autoren im gleichnamigen Kapitel seines Buchs „Wie wir uns morgen bewegen werden.“ Seine Botschaft: Die Transporte werden nicht unbedingt weniger, sondern verteilen sich neu: „Auch wenn die Verbraucher – oder Unternehmen – ihre Produkte selbst via 3D-Druck herstellen, müssen doch zumindest die Rohstoffe transportiert werden“, sagt von der Gracht.
Denn so ganz passt der Begriff „drucken“ nicht auf die neue Technik. Vielmehr werden flüssige oder pulverförmige Werkstoffe genau nach Vorlage von computergenerierten Daten Schicht für Schicht aufgebaut oder mit einem Laser nach und nach in die vorgegebene Form gebracht. Dabei schmelzt und härtet das Gerät nach und nach die in Kartuschen oder auf Spulen aufbewahrten Materialien für den Bau des Objekts ¬– bei einfachen Anwendungen meist Kunststoff, für Profis eher Kunstharz, Keramik, Holz und Metall.
Gerade diese Materialien sind es, die Logistikern neue Geschäftschancen ermöglichen werden. Zukunftsforscher von der Gracht ist sicher: Durch den 3D-Druck könnten die regionalen Handelsströme sogar steigen. Das Rohmaterial für Privatanwender könnten künftig Tankstellen oder Supermärkte bereithalten, ähnlich wie die Kohle für den Grill.
Logistiker könnten sogar selbst intensiv in 3D-Drucker-Technologie investieren und ihren Kunden den Druck als Dienstleistung anbieten. Die Idee: Sobald ein Kunde etwas bestellt, wird der Gegenstand innerhalb kürzester Zeit im nächsten Lager gedruckt und kann über einen lokalen Paket-Dienstleister zum Kunden transportiert werden. „Logistikern bietet der Wandel enorme Chancen“, betont von der Gracht. Sie können etwa ihr Geschäftsfeld erweitern, diese Rohmaterialien selbst anbieten oder als Datenmanager fungieren und die Daten der Konstruktions- und Designvorlagen für 3D-Drucker vorhalten und verwalten. „So könnten sie ihre eigene Wertschöpfungskette über den klassischen Transport hinaus erweitern“, sagt der Zukunftsforscher.
Billig und leicht – der 3D-Markt wächst enorm
Unternehmen quer durch alle Branchen rechnen mit einem enormen Wandel durch die neue Druck-Technik. Kein Wunder: Noch vor zwei Jahrzehnten war sie so teuer und kompliziert, dass sie nur investitionsstarken Branchen wie der Automobilindustrie oder Medizintechnik vorbehalten war. Jetzt sinken die Preise der Geräte – und inzwischen profitiert die gesamte Industrie davon. Profi-Geräte von Herstellern wie MakerBot, 3D Systems, Stratasys, Ultimaker oder XYZPrinting werden selbst für mittelständische Unternehmen immer erschwinglicher.
Die Zahl der weltweit verkauften 3D-Drucker, die weniger als 100.000 Dollar kosten, hat sich laut US-Marktforscher Gartner zwischen 2012 und 2014 von 38.000 auf 98.100 beinahe verdreifacht. Das weltweite Marktvolumen für 3D-Drucker werde sich mehr als verdoppeln ¬– von 6,9 Milliarden im Jahr 2015 auf 16,2 Milliarden in 2018. Das lockt bereits neue Anbieter: Kürzlich kündigte 2D-Druckexperte Canon an, mit Geräten von 3D Systems in das dreidimensionale Geschäft einzusteigen. Canon zielt auf Ingenieure, Architekten und Unternehmen im produzierenden Gewerbe.
Vor allem mit dem geringeren Gewicht der gedruckten Bauteile überzeugt die neue Drucktechnik. „Mit 3D-Druckern ist es möglich, auch komplexe Gitterstrukturen zu drucken. Diese ersetzten das Vollmaterial, was sonst wegen der erforderlichen Steifigkeit eingesetzt werden musste“, sagt Christian Hinke vom Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT und Geschäftsführer des Forschungscampus Digital Photonic. Das schone die Ressourcen bei der Herstellung. Es falle kein Verschnitt an, und Branchen wie der Luft- und Raumfahrt, wo jedes Kilo zählt, profitierten von den leichteren Bauteilen.
Genau das hilft Airbus. In seinem niedersächsischen Werk in Varel startete der Flugzeugbauer in diesem Jahr mit dem 3D-Druck doppelwandiger Benzinrohre aus Titan, deren Gewicht so teils halbiert werden kann. Mitte des Jahres sollen auch Bauteile aus Edelstahl, ab 2017 aus Aluminium hinzukommen, die bis dato von Zulieferern bezogen wurden.
Der 3D-Druck spart Airbus nicht nur Gewicht – er spart dem Konzern auch Transporte. Denn so druckt der Flugzeugbauer Teile nach Bedarf, statt Tausende von Lieferanten zu ordern und auf Lager zu halten. Es werde weniger Transporte geben, sagte Airbus-Manager Peter Sander kürzlich in einem Fernsehinterview.
Die neuen Drucker locken selbst Privatkunden
Mit weniger Transporten – zumindest von fertigen Produkten – rechnen Experten auch durch das private Drucken. Geräte für den Hausgebrauch von Anbietern wie MakerBot, Ultimaker oder XYZPrinting, die Kunststoff verarbeiten, gibt es bereits für ein paar hundert Euro. Zusammen mit entsprechender Software lassen sich diverse Kleinteile wie Smartphone-Hüllen, Spielfiguren, Schmuck und individuelle Deko-Artikel am Computer entwerfen und im Handumdrehen herstellen.
Marktforscher gehen daher davon aus, dass in fünf bis zehn Jahren der 3D-Drucker so selbstverständlich bei uns zu Hause stehen wird, wie heute der Kopierer. „Die Entwicklung wird analog zu der des Kopierers sein“, sagt Zukunftsforscher Heiko von der Gracht. „Zu Beginn musste man für das Ausdrucken von Dokumenten noch zum Copyshop gehen. Durch die fallenden Preise hatte jeder einen Drucker zu Hause – zumindest für einfache Ausdrucke.“
Wie sich solch eine Nachfrage nach 3D-Druck nutzen lässt, zeigt der US-Internet-Riese Amazon. Der Konzern spielte bereits neue Lieferszenarien durch und meldete vergangenes Jahr mehrere Patente für eine Art „Druck Truck“ an. Die Idee: Ein online bestelltes Produkt wird sofort in einem mit einem 3D-Drucker ausgestatteten Lieferwagen auf dem Weg zum Kunden hergestellt. So erhält der Kunde seine Bestellung wesentlich schneller und Amazon spart die Lagerhaltung.