Ärger über Paketzusteller Die Verhältnismäßigkeit von Kritik

6.500 Beschwerden über deutsche Paketdienste hat ein Online-Portal der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen gesammelt - innerhalb eines Jahres. Berechtigte Kritik an den Zustellern oder postfaktische Debatte? Ein Blick auf die Tatsachen.

Paketzustellung an der Haustür. (Foto: Hermes)

Ein Paket zu spät oder gar beschädigt zu erhalten ist ärgerlich, gar keine Frage. Aber wie oft und in welchem Verhältnis zur täglich beförderten Gesamtmenge ist das in Deutschland eigentlich der Fall? Vor einem Jahr startete die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen das Beschwerdeportal www.paketaerger.de – und zog nun eine erste Bilanz: Mit 6.500 eingegangen Beschwerden. Nach Einschätzung der Initiatoren kommt die Anlaufstelle für verärgerte Paketempfänger damit sehr gut an. Und das meldeten Dutzende Medien dann auch sehr schnell.

Doch genau das ist ärgerlich, weil schlichtweg unkritisch, einseitig und bar jedes Bezugs zur Gesamtsituation. Und in Anbetracht der Sendungszahlen, die ja nicht mehr nur zur Weihnachtszeit, sondern im Zuge des E-Commerce-Booms mittlerweile ganzjährig von den Paketdiensten in Deutschland bewegt werden, haben wir es hier offensichtlich mit einer „postfaktischen“ Debatte zu tun. Denn schon 2015 wurden fast 3 Milliarden Sendungen in Deutschland zugestellt. Bei einer durchschnittlichen Länge von 40 Zentimetern würde diese den Erdball übrigens fast 30-mal umrunden. Für 2016 erwartet der Bundesverband Paket & Express Logistik (BIEK) einen weiteren Mengenanstieg um bis zu 5,5 Prozent. Betrachtet man dabei ausschließlich die an den Privatkunden gehenden 2C-Lieferungen, werden sogar acht Prozent Mehrmenge prognostiziert.

Täglich: 8 Millionen Pakete in Deutschland

Martin Frommhold. (Foto: Hermes)

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ja, auch bei Hermes passieren manchmal Fehler, auch wir sind nicht perfekt. Da gibt es den Zusteller, der das Paket in der Mülltonne deponiert, der keine Benachrichtigungskarte hinterlässt oder einen Spruch über die Lippen bringt, der einfach gar nicht geht. Das ist ohne Frage ärgerlich. Nicht nur für den Kunden und den versendenden Onlineshop – sondern auch für uns als Paketdienst. Denn jede Beschwerde ist eine zu viel.

Dennoch: In der Gesamtbetrachtung sind das (ärgerliche) Einzelfälle. Täglich werden hierzulande zwischen sechs bis acht Millionen Pakete zugestellt, vor Weihnachten gerne auch mal 50 Prozent mehr als sonst. Der Anteil von Hermes an dieser Gesamtmenge liegt bei rund 1,2 Millionen an normalen Tagen, aktuell im Dezember bei über zwei Millionen. Im Schnitt erhält jeder Bundesbürger also alleine von den für Hermes tätigen Zustellern jedes Jahr wenigstens vier Pakete. In dieser Relation wirken 6.500 Beschwerden (über alle Paketdienste hinweg, wohl gemerkt) plötzlich gar nicht mehr so viel. Zumal der bedeutende Großteil unserer Sendungen problemlos zugestellt wird.

Schäden passieren – und werden reguliert

Natürlich, auch bei uns gehen hin und wieder einzelne Pakete verloren oder werden beschädigt. In solchen Fällen legt sich dann unser Kundenservice ins Zeug – per Telefon, E-Mai, Twitter. Ein Blick in die aktuelle Statistik aber beweist anschaulich: Auch das sind Einzelfälle, gerade einmal 3 von 10.000 Sendungen sind betroffen. Das entspricht einer Schaden- und Verlustquote von 0,03 Prozent, wobei hier auch kleinste Beschädigungen ohne Auswirkungen auf den Inhalt festgehalten werden.

Zudem besteht für alle Sendungen selbstredend eine Haftung. Insofern ist der dem Empfänger entstandene materielle Schaden in der Regel nicht vorhanden bzw. sehr gering. Dass trotzdem Ärger entsteht, bleibt gleichwohl verständlich. Schließlich hat man sich auf das erwartete Paket gefreut und schlimmstenfalls sogar den persönlichen Tagesablauf auf dessen Empfang angepasst.

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So kommen Sendungen gut an

Die Sortierung und Verladung von Paketsendungen erfolgt heutzutage weitgehend maschinell sowie automatisiert in technisch hochmodern eingerichteten Paketzentren. Der Umschlag ist derart organisiert, dass sogar sehr zerbrechliche Güter verarbeitet werden können, z.B. hunderttausende Weinkartonagen jährlich. Die sog. „Letzte Meile“ – die Zustellung von Paketen an den Kunden – ist dagegen ein Teilstück, auf dem viel mit der Hand gearbeitet wird und der „Faktor Mensch“ unter Zeitdruck Sendungen bewegen, aufnehmen und absetzen muss. Es braucht nicht viel Phantasie dafür, dass hier auch mal ein Missgeschick passieren kann.

Doch genau daran gilt es zu erinnern, wenn sich jetzt vor Weihnachten wieder tausende Zusteller ins Zeug legen, damit alle Sendungen rechtzeitig unter dem Weihnachtsbaum liegen. Zwar bewegen die Kollegen keine Schlitten, sondern meist Transporter. Doch Weihnachtsmann und Christkind würden ohne sie trotzdem verdammt alt aussehen.

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