Interview Technische Herausforderung: Das steckt hinter der Ladeinfrastruktur am neuen E-Mobility-Hub

Damit aus dem ambitionierten Vorhaben in ganz Hamburg emissionsfrei zuzustellen Realität wird, muss an vielen Stellschrauben gedreht werden. Wir haben mit Andreas Maak, Technical Energy Manager bei Hermes Germany, gesprochen. Er ist für den technischen Aufbau der Ladeinfrastruktur für „Green Delivery Hamburg“ zuständig.

E-Fahrzeuge von Hermes beim Laden (Foto: Hermes Germany)

Damit Ende 2023 die Sendungen des Paketlogistikers Hermes Germany in ganz Hamburg lokal emissionsfrei mittels E-Fahrzeugen abgeliefert werden können, bedarf es einiger grundlegender Voraussetzungen, wie zum Beispiel einer belastbaren Ladeinfrastruktur. Gar nicht so einfach, wenn diese – anders als bei Diesel- und Spritfahrzeugen – nicht ausreichend öffentlich für die gewerbliche Nutzung vorhanden ist und damit komplett selbst aus dem Boden gestampft werden muss. Das musste auch Andreas Maak feststellen. Als Projektleiter hat er maßgeblich dazu beigetragen, dass die Ladeinfrastruktur am neu errichteten E-Mobility-Hub von Hermes Germany an der Billstraße innerhalb kurzer Zeit steht. Der Hub ist neben dem city-nahen Logistik-Center in Billbrook ein Dreh- und Angelpunkt für die emissionsfreie Zustellung in Hamburg. Im Interview gibt er einen Einblick in das Projekt.

Andreas, knapp 30 Fahrzeuge sind inzwischen ab dem E-Mobility-Hub in der Billstraße zu 100 Prozent elektrisch unterwegs. Vor ein paar Monaten wäre das noch undenkbar gewesen, warum?

Andreas Maak: Es stand schlichtweg keine Ladeinfrastruktur zur Verfügung, die wir für eine emissionsfreie Zustellung in ganz Hamburg hätten nutzen können. Ursprünglich hatten wir geplant, an unserem Logistik-Center in Billbrook weitere Ladesäulen zu installieren, aber aus Platzgründen war das nicht möglich. Daher waren wir auf der Suche nach einer geeigneten Fläche, die wir letztlich an der Billstraße gefunden haben. Dort war allerdings keinerlei öffentliche Ladeinfrastruktur vorhanden, sodass wir ab dem Frühjahr 2022 selbst mit den Planungen zum Aufbau einer Ladeinfrastruktur auf dem Gelände begonnen haben.

Was gab es dabei zu beachten?

Andreas Maak, Technical Energy Manager bei der Hermes Germany GmbH

Andreas Maak: Bei einem derartigen Großprojekt steht und fällt alles mit der Energieversorgung. Kann das Stromnetz-Hamburg noch genug Leistung liefern, damit bis zu 130 Fahrzeuge gleichzeitig an einem Ort laden können? Das musste im Vorfeld erst einmal überprüft werden. Die nächste Herausforderung kam auf uns zu, als es darum ging, die vorhandene Energie auf der großen Fläche zu verteilen, damit möglichst wenig Leistungsverlust entsteht. Im Zuge dessen haben wir eine zweite Trafoanlage eingeplant, um die Ladeinfrastruktur so effizient wie möglich mit Strom zu versorgen.

Die Anordnung der Parkplätze, Schleppkurven der LKW sowie der Lieferverkehr spielen in den Planungen ebenfalls eine große Rolle, damit der Platz möglichst effizient genutzt wird. All das hat natürlich Auswirkungen auf die Anzahl der Ladepunkte, die installiert werden können. Sollte der Bedarf unserer Servicepartner steigen, können wir jetzt problemlos aufstocken, da alle Leitungen zur Energieversorgung nun entsprechend auch für einen weiteren Ausbau vorbereitet im Boden liegen. Wir arbeiten somit bedarfsorientiert, sodass wir entsprechend agil reagieren können.

Last-Management für maximale Ladekapazität

Am E-Mobility-Hub in der Billstraße und am Logistik-Center am Billbrookdeich sollen auch E-LKW geladen werden können. Braucht es dafür eine andere Technologie als für Transporter?

Andreas Maak: Definitiv. Für die elektrifizierten Transporter verwenden wir standardmäßige AC-Wallboxen mit 22 kW-Ladeleistung. DC-Lader, die eine weitaus höhere Ladeleistung haben, eignen sich weniger für Lieferfahrzeuge, da die Lebenszeit der Batterie durch die hohe Ladeleistung deutlich abnimmt. Diese DC-Ladestation setzen wir für den ersten E-LKW ein, den wir nun bei Hermes hier ab Hamburg im Einsatz haben. Dieser hat eine deutlich höhere Batterieleistung, die nur über einen DC-Lader bedient werden kann. Wir prüfen, ob wir gegebenenfalls eine weitere DC-Ladestation am E-Mobility-Hub installieren können, damit die LKW auch dort geladen werden können. Derzeit ist dies nur am Logistik-Center in Billbrook möglich.

Was passiert, wenn mehr Fahrzeuge gleichzeitig laden müssen und damit mehr Energie benötigt wird als das, was an Gesamtenergieleistung für die Billstraße zur Verfügung steht?

Andreas Maak: Wir haben ein Lastmanagement implementiert, wodurch wir die Fahrzeuge strategisch so laden können, dass wir die insgesamt geplanten 130 AC-Ladepunkte gleichzeitig nutzen und die Kapazitäten so optimal ausschöpfen können. Wenn die Grenze der Leitung erreicht ist, schaltet sich das Lastmanagement ein, das die Fahrzeuge mit mehr Ladeleistung priorisiert. Diese Komplettauslastung erreichen wir dank unseres Fahrplans derzeit aber ohnehin noch nicht.

Wie erfolgt die Priorisierung der Fahrzeuge?

Andreas Maak: Das System misst anhand der Ladeströme aus den Wallboxen, welches Fahrzeug fast komplett geladen ist und reduziert dann die Leistung. Über ein Energiemanagement werden wir monitoren können und Erkenntnisse daraus ziehen, wie sich Prozesse gegebenenfalls noch weiter optimieren lassen. Wenn wir etwa 1500 kVA an der Billstraße als Maximalleistung zur Verfügung haben, dann können sogenannte „Großverbraucher“, die noch wenig Ladebedarf haben, aus dem Kreis herausgenommen und später vollgeladen werden. Zuhause kennt man dasselbe Prinzip mit dem Smartphone. Dort zieht die Ladung, wenn der Akku beinahe leer ist, auch am meisten Leistung. So etwa funktioniert es auch mit den Ladeprozessen der Fahrzeuge.

Das Aufladen von Lieferfahrzeugen dauert deutlich länger als das von Smartphones. Wie lang ist ein Ladezyklus?

Andreas Maak: Wenn das Fahrzeug komplett leer ist, dann dauert es ca. acht Stunden. Die Ladung der Fahrzeuge ist je nach Strecke und Tour unterschiedlich. Je mehr Restladung vorhanden ist, desto kürzer wird die Ladezeit. Bei etwa 50 Prozent Restkapazität reduziert sich der Prozess auf vier bis sechs Stunden. Dadurch, dass unsere Fahrzeuge nachts zehn bis zwölf Stunden nicht im Einsatz sind, stellt das perfekte Ladezyklen für unseren Bedarf dar. Damit sind sie am nächsten Tag wieder voll einsatzfähig.

Wie viele Kilometer können mit einer vollen Ladung zurückgelegt werden?

Andreas Maak: Nach der Faustregel reicht eine Ladung für rund 100 Kilometer. Es spielen natürlich auch Faktoren wie das Fahrverhalten, der Verkehr und die Jahreszeit eine Rolle. Gerade bei kaltem Wetter kann die Reichweite auf 80 Kilometer sinken, da logischerweise die Heizung genutzt wird. Die Fahrer*innen sollen schließlich nicht frieren. Um möglichst viel Reichweite mit einer Akkuladung zu erreichen, sollen die Fahrer*innen ein gesondertes Training erhalten. Dazu gehört etwa, die Bremsenergie des Fahrzeugs zu nutzen, um Energie zurückzugewinnen. Inzwischen werden die Fahrzeuge immer besser. Wir haben Modelle unterschiedlicher Hersteller im Einsatz, um genau die passenden für unseren Gebrauch herauszufinden. Dabei sprechen wir auch mit den Zusteller*innen und fragen nach ihren Erfahrungen. Das Feedback berücksichtigen wir für künftige Planungen. Insgesamt muss man sagen, dass Reichweiten, Ladezyklen und das Fahrverhalten bei unterschiedlichen Fahrzeugherstellern auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Hier kann man in naher Zukunft sicherlich noch deutlich bessere Ergebnisse erwarten.

Spezialanfertigung als Standardlösung

Inwieweit haben Materialengpässe und Inflation die Realisierung des E-Mobility-Hubs beeinflusst?

Andreas Maak: Insgesamt hat der Aufbau der Ladeinfrastruktur mit der Grundsatz- sowie der Ausführungsplanung und der operativen Umsetzung aller Gewerke fünf Monate gedauert, was auch den äußeren Bedingungen geschuldet ist. Vor allem der Materialmarkt ist stark ausgedünnt. Zum Beispiel beträgt die Lieferzeit eines Trafos, der vor zwei Jahren nach acht Wochen installiert war, inzwischen fast ein Jahr. Deshalb haben wir für den Aufbau der Ladeinfrastruktur keine Sonderanfertigungen verwendet, sondern mit dem gearbeitet, was die Hersteller im Bestand anbieten. Wir haben zum Beispiel für die Montage der Ladepunkte ein Leitplankensystem verwendet. An einem handelsüblichen Leitplankensystem haben wir ein Metallblech befestigt, an dem wiederum die Wallbox montiert wird. Ständer, Halterungen, Befestigungen und Adapterstücke für die unterschiedlichen Montagebedingungen können alle vom Lieferanten je nach Bedarf geordert werden. Aufgrund dieser gängigen Systembauweise aus dem Straßenbau, ist das Material kurzfristig verfügbar und gleichzeitig auch noch kosteneffizient. Mit diesem System haben wir für uns bei Hermes Germany eine Blaupause geschaffen, die wir so auch in anderen deutschen Städten für den Rollout der emissionsfreien Zustellung anlegen können.

Vielen Dank für das Gespräch!

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