Digitalisierung Neue Jobs für die Logistik

„Lightening the age of transformation” lautet das diesjährige Motto der Marketing-Fachmesse dmexco, an der Hermes erstmals teilnimmt. Die digitale Transformation ist für den Logistikdienstleister ein zentrales Thema. In der Branche ist sie längst in vollem Gange – und verändert zahlreiche Berufsbilder. Wird der Paketbote bald vom Roboter ersetzt?

(Foto: Alberto Incrocci)

„Lightening the age of transformation” lautet das diesjährige Motto der Marketing-Fachmesse dmexco, an der Hermes erstmals teilnimmt. Die digitale Transformation ist für den Logistikdienstleister ein zentrales Thema. In der Branche ist sie längst in vollem Gange – und verändert zahlreiche Berufsbilder. Wird der Paketbote bald vom Roboter ersetzt?

Christian Fölster versteht die ganze Aufregung nicht. Früher musste der Landwirt mit seinen Mitarbeitern zweimal täglich seine 300 Kühe melken – oft zu nachtschlafenden Zeiten. Seit Kurzem haben vier Melkroboter diese Aufgabe auf dem Bauernhof in Kisdorf übernommen. Das freut nicht nur Fölster, sondern auch seine Kühe, denn die können jetzt selbst entscheiden, wann sie gemolken werden möchten. Für sie ist die Digitalisierung ein Segen. Andere halten sie für die Pest.


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Selbstfahrende Lastwagen, Roboter als Krankenpfleger, virtuelle Steuerberater: Internationale Studien prophezeien, dass die Digitalisierung jeden zweiten Job bedroht. In Deutschland sind nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vor allem Fertigungsberufe betroffen, hier könnten heute schon 70 Prozent aller Tätigkeiten von Computern übernommen werden.

Die Jobs der Zukunft gibt es noch nicht

Immer mehr Maschinen, glauben Pessimisten, werden Menschen ersetzen. Optimisten halten dagegen: Zwar wird sich die Art zu arbeiten grundlegend ändern. Aber ohne Menschen wird es auch in Zukunft nicht gehen. Es werden ganz neue Berufe entstehen. „65 Prozent unserer Kinder werden 2035 in Berufen arbeiten, die es heute in dieser Form noch gar nicht gibt“, sagt Marcus K. Reif, Personalexperte der Managementberatung Kienbaum.

Auch für die Logistik gibt es futuristische Szenarien: Drohnen, die selbstständig die Inventur durchführen, Datenbrillen und intelligente Handschuhe, die viele Handgriffe überflüssig machen, Roboter, die Pakete sortieren und ausfahren.  Noch hält sich die Aufregung in der Branche jedoch in Grenzen. Die Logistik ist in Deutschland inzwischen ein riesiger Wirtschaftszweig. In den etwa 60.000 Unternehmen, die meist dem Mittelstand angehören, arbeiten rund drei Millionen Beschäftige. Und laut einer Umfrage des Digitalverbandes Bitcom sind 43 Prozent der Unternehmen davon überzeugt, dass die Zahl durch die Digitalisierung sogar noch steigen wird.

Neue spannende Aufgabenstellungen

Branchenkenner gehen davon aus, dass im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung auch in der Logistik einzelne Jobs verschwinden werden. Allerdings werden auch ganz neue Aufgabenstellungen dazukommen. Und damit auch Arbeitsplätze. Wenn Menschen, Maschinen, Logistik und Produkte miteinander kommunizieren und kooperieren, dann sind plötzlich ganz andere Qualifikationen gefragt.

Besonders gefragt dürfte auch in der Logistik künftig der Data Scientist sein. Seine Aufgabe ist es, aus der oft unstrukturierten Datenflut nützliche Informationen für anstehende Fragestellungen oder Zielvorgaben herausfiltern. Er verwendet Daten aus unterschiedlichen Quellen, um umfangreiche Analysen herzustellen. Mit den Ergebnissen lassen sich Verfahren verbessern. Um diese Zusammenhänge zu durchschauen, sind vor allem Fähigkeiten in der Ursachenanalyse gefordert. Schon jetzt gilt der Data Scientist als der attraktivste Beruf des 21. Jahrhunderts.

Klar ist, dass die Logistiker der Zukunft völlig anders arbeiten werden als bisher. Zum einen wird ein Großteil der Arbeit weniger raum- und zeitgebunden sein. Ob von Zuhause oder von irgendwo über das Internet – flexible Arbeitseinsätze werden weiter zunehmen. Außerdem wird es immer weniger Arbeit geben, die isoliert betrachtet und verrichtet werden kann. Die Mitarbeiter müssen sich in moderne Produktionsprozesse einbringen, mitdenken, entscheiden, vernetzen, unterstützen.

Selbst wenn alles automatisiert ist, beispielsweise nur noch selbstfahrende Transporter unterwegs sind, wird es Risiken geben und werden Unfälle passieren. Doch wer trägt dann die Schuld? Das einzuschätzen und zu berechnen wird die Aufgabe von Algorithmus-Versicherern sein. Sie werden eng mit Daten-Spezialisten zusammenarbeiten und sich mit einer völlig neuen Rechtsprechung auseinandersetzen müssen.

Die Komplexität nimmt weiter zu

Nach einer Studie des Branchenverbandes Bitkom setzen bereits 20 Prozent der deutschen Unternehmen in ihren Logistikprozessen fahrerlose Gabelstapler und Smart Container ein. Bald werden auch Lagerroboter sowie intelligente Regale und Paletten zum Alltag gehören. Lagerungen müssen schon heute mit Datenbrillen und intelligenten Handschuhen umgehen können. In Zukunft werden die Systeme immer weiter verzahnt werden und die Komplexität wird steigen. Deshalb wird es bald Roboterkoordinatoren geben, die den Einsatz der Maschinen planen und überwachen.

Rechtlich ist die Sache immer noch recht unübersichtlich, doch trotzdem glauben viele daran, dass Drohnen in der Logistik bald eine große Rolle spielen werden. Die Stellenausschreibungen für die Entwicklung von Drohnen hat sich jedenfalls verdoppelt. Gesucht werden in diesem Zusammenhang vor allem Ingenieure, Softwareentwickler sowie Sales Manager.

Solange Menschen die Maschinen bedienen, wird es auch Missverständnisse geben. Einerseits vielleicht weniger, weil Maschinen keine Widerworte geben. Andererseits vielleicht mehr, weil Computer zwar viel über Menschen wissen, aber nicht jede Reaktion vorhersehen können. Es wird also eine Art Dolmetscher gebraucht, der Maschinen die Reaktionen von Menschen erklärt. Das kann zum Beispiel in der Logistik auf der letzten Meile interessant werden: Ein Lieferroboter, der ein Paket an die Haustür bringt, begegnet auf dem Weg vielen Passanten, deren Verhalten er richtig einschätzen muss. Umgekehrt ist das allerdings auch nicht viel anders: Neue Roboter müssen den Menschen erklärt werden.

In Kisdorf bei Landwirt Fölster haben sich Tier und Maschine inzwischen ganz gut aneinander gewöhnt. 90 Prozent der Kühe gehen freiwillig zu den Melkrobotern. Die restlichen bringt der Bauer persönlich vorbei. Trotzdem kann er jetzt über eine Stunde später aufstehen. Und Arbeit gibt es immer noch genug.

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