E-Commerce: Wie Baumärkte um digitale Kunden buhlen
Heimwerken und Garten – Für Tipps und Tricks rund ums Werkeln und Selbermachen im eigenen Heim gibt es immer mehr Angebote auf digitalen Kanälen. Was wünscht sich der Hobby-Heimwerker von morgen? Das einheitliche Einkaufserlebnis, egal auf welchem Vertriebskanal , steht aktuell im Fokus der Baumärkte.
Wer gerne in den eigenen vier Wänden den vielseitig begabten Handwerker spielt, kann sich auf der Internetseite des toom-Baumarktes getreu dem Markenmotto „Respekt, wer’s selber macht“ dazu umfangreiche Tipps abholen. In verschiedenen Videos sind sogenannte Selbermacher zu beobachten, wie sie ihr Bad fließen, Parkett verlegen oder ihren Garten neu gestalten. Passend dazu gibt es ausführliche Anleitungen.
Mit dieser Strategie ist toom nicht alleine – die meisten großen Player in der Branche bieten Beratungsangebote im Netz, um einerseits vom Do-it-yourself-Trend zu profitieren, aber auch, um sich einen neuen Markt und den Kundenkreis der digitalen Einkäufer zu erschließen.
Wettkampf um die digitalen Kunden
Nach der Insolvenz von Max Bahr und Praktiker im Jahr 2014 brach der Umsatz der großen Bau- und Heimwerkermärkte von 18,8 auf 17,6 Milliarden Euro ein, das hat der Handelsverband Heimwerken Bauen Garten (BHB) errechnet. Zwar gab es 2015 eine Erholung auf knapp 18 Milliarden und für 2016 rechnet der Verband mit einem erneuten Wachstum. Die Branche erholt sich also – doch ein Teil des Umsatzes wurde nicht innerhalb des Vertriebskanals kompensiert, sondern im E-Commerce.
2015 setzten der stationäre Handel, der Versandhandel und die reinen Onlineanbieter in Deutschland online rund 2,24 Milliarden Euro mit DIY-Sortimenten um – zehn Prozent mehr als noch im Vorjahr. Der Anteil der E-Commerce-Umsätze am gesamten Marktvolumen des DIY-Kernmarkts ist mit 5,3 Prozent noch nicht sehr hoch, doch bis 2020 rechnet der BHB sogar mit einem Anstieg auf rund zehn Prozent des Umsatzes.
Im Moment stehen die großen Baumärkte vor einem ganz anderen Problem: Auch Amazon hat diesen Trend erkannt und baut seinen Anteil im E-Commerce mit seinem großen DIY-Sortiment Stück für Stück aus. Eine Studie zum Thema Customer Journey im Bereich „Heimwerken und Garten“ des Instituts für Handelsforschung Köln belegt, dass der Online-Riese auch in diesem Bereich schon heute die wichtigste Anlaufstelle ist: Bei jeder vierten Produktrecherche kommt der Kunde mindestens einmal mit Amazon in Kontakt. Doch der Anbieter punktet nicht nur bei der Recherche: Jeder sechste Kunde, der sich bei Obi informiert, kauft anschließend bei Amazon, fand die Befragung von 2000 Konsumenten heraus.
Über die beiden Kaufkanäle online und stationär hinweg ist Branchenprimus Obi zwar mit einem Anteil von 14 Prozent weiter der bedeutendste Anbieter – dicht gefolgt aber von Amazon mit 12 Prozent. Schaut man sich dagegen nur den Onlinehandel an, wird dieser in der Konsumentenbefragung mit 43 Prozent der Käufe von Amazon dominiert.
Einheitliches Einkaufserlebnis auf allen Kanälen
Der Wettbewerber lockt die etablierten Baumärkte zwangsläufig aus der Komfortzone: Sie versuchen ihren Kunden auch das einfache und bequeme Einkaufserlebnis zu ermöglichen, mit dem Amazon punktet. Sie konzentrieren sich dabei vor allem auf zwei Aspekte.
Zum einen verfolgen die Baumärkte einen Multi-Channel-Ansatz, der den Kunden ein einheitliches Einkaufserlebnis ermöglichen soll, egal auf welchem Vertriebskanal – stationär, online oder mobil. „baumarkt direkt“, ein Joint Venture, das die Vertriebserfahrung der Otto Group und das Baumarkt-Fachwissen von Hagebau kombiniert, hat diese Notwendigkeit erkannt: „Der Kunde findet im Hagebaumarkt auch Kataloge und bestellt dann über den digitalen Weg. Oder er informiert sich vorher im Online-Shop, unabhängig vom Endgerät, oder im Katalog und kauft dann in einer Filiale von Hagebau. Diese durchlässigen Vertriebskanäle fördern das ‚Channel-Hopping’ und erfahrungsgemäß deutlich höhere durchschnittliche Umsätze pro Kunde“, sagt Geschäftsführer Volker Treffenstädt.
Um auch die Kunden anzusprechen, die am liebsten direkt vom mobilen Endgerät aus shoppen, brachte „baumarkt direkt“ nach einem Mobile-Shopping-Portal eine Ipad-App und Ende 2016 eine spezielle App für Smartphones heraus. Der Aufwand, ein Angebot zu entwickeln, das leicht nutzbar, einfach zu bedienen ist und mit geringen Ladezeiten auskommt, hat sich zuimndest bei „baumarkt direkt“ schon gerechnet: „Aktuell kommen rund 50 Prozent der Nutzer über mobile Devices auf hagebau.de, über das Smartphone allein sind es heute bereits 35 Prozent“, sagt Treffenstädt.
Beratungsleistung wird ins Internet verlagert
Die stationären Märkte wollen vor allem mit Service im Netz punkten: So gibt es bereits Ansätze, online bestellte unhandliche Produkte auch ohne hohe Versandkosten zu liefern – und zwar schneller als reine Onlineanbieter, da die Artikel sich ja bereits in der Region befinden. Auch Click-and-Collect-Services, bei denen der Kunde online kauft und seine Ware dann im Markt abholt, finden immer größere Verbreitung. „Bei „baumarkt direkt“ testen wir gerade den ‚Same day delivery-Service’. Wer also noch Farbe für die Renovierung der Wohnung braucht, kann diese bestellen und noch am gleichen Tag nutzen“, sagt Treffenstädt. Experten sprechen hier vom Do-it-for-me- statt vom Do-it-yourself-Trend: Die Kunden möchten zwar gerne viel selber machen, aber möglichst viel soll schon vom Experten vorher zugeschnitten oder bearbeitet und geliefert werden.
Dazu gehört für viele Hobby-Handwerker auch die Beratung im Baumarkt. Das ist der zweite Punkt, an dem die traditionellen Baumärkte ansetzen. Ihre Kunden sollen auch online nicht auf die Tipps und Beratungsleistung verzichten. Sie können die „Selbermacher“ Daniella und Dennis beobachten, bei Obi ein vierminütiges Video zum Thema „Laminat verlegen“ ansehen oder sich an der Anleitung „Waschbecken montieren in 12 Schritten“ orientieren. Bei Hornbach können an einem online abgebildeten Haus Projekte ausgewählt werden, beispielsweise „Fußbodenheizung verlegen“. Natürlich mit dem Link zum passenden Sortiment.
Auch der Austausch unter den Hobbyhandwerkern wird gefördert: „Wir haben eine eigene Facebook-Community und bauen konsequent das Videoangebot in unserem Shop aus, um den Kunden einen Mehrwert anzubieten. Wir sprechen Empfehlungen aus, geben Expertentipps und vermitteln so Kompetenz und Service “, sagt Volker Treffenstädt von „baumarkt direkt“. Doch es ist wie immer mit Projekten rund um Haus und Garten: Es gibt immer was zu tun. Für die Kunden und für die Baumärkte.