E-Mobilität Ladeinfrastruktur: Strom aufladen während der Fahrt – eine großflächige Lösung?

Der Strom kommt aus der Straße, das E-Auto lädt sich beim Fahren auf. Zu dieser Technik laufen gerade weltweit Tests. Welche Vorteile brächte die Technologie, auch für KEP-Dienstleister?

(Foto: Shutterstock)

Der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist zentral für die E-Mobilität. Insbesondere im Hinblick auf Langstreckenfahrten könnte sich eine neue Technologie durchsetzen: Das Aufladen der Akkus während der Fahrt. Die Idee klingt einfach, bei der Umsetzung gibt es jedoch Hürden. Dennoch gibt es aktuell einige Projekte, die sich mit der Idee beschäftigen.

Das Aufladen von Akkus ohne Kabel hat längst Einzug in unseren Alltag gehalten – ob Handy oder elektrische Zahnbürste. Lässt sich dieses Prinzip auch auf E-Autos übertragen? Der Autobauer Renault und die Technikunternehmen Qualcomm und Vedecom wollen die Reichweitenproblematik mit einem entsprechenden Straßenbelag und der passenden Fahrzeug-Ausrüstung in den Griff bekommen. Das Prinzip: Induktion – genau wie beim Induktionsherd. Die Technik soll die Akkus eines bis zu 100 km/h schnell fahrenden Elektroautos laden können – mit der Ladeleistung einer Schnelladesäule. Getestet wurde das Ganze bereits auf einer hundert Meter langen Versuchsstrecke im französischen Versailles.

Dort zeigte sich, dass die Technik wohl nur auf viel befahrenen und stauanfälligen Straßen in der Innenstadt und den am stärksten befahrenen Autobahnabschnitten Sinn macht. Angesichts der Kosten von rund 8.000 Euro pro zwei Meter langem Bodenelement stellt sich hier die Frage, ob eine großflächige Anwendung überhaupt mittelfristig zu stemmen wäre. „Das Problem ist, dass Straßen alle paar Jahre erneuert werden und die relativ teure Lösung von Platten im Boden auch neu eingesetzt werden müsste“, sagt Rachid Ait Bouhou, wissenschaftlicher Beirat beim Bundesverband eMobilität e.V. (BEM).

Die Ladestraße wird bereits erfolgreich in Schweden und Israel erprobt

Auch in Israel gibt es bereits eine Teststrecke: Das Unternehmen Electreon (ehemals Start-up Electroad) untersucht seit 2017, wie Busse – ebenfalls nach dem Prinzip Induktion – Strom aus den Spulen in der Fahrbahn abnehmen können. Die Fahrzeuge haben nur noch einen kleinen Akku, um die Strecken ohne Induktionsmöglichkeiten zu überbrücken. Bis zu elf Meilen sollen zwischen der Stadt Eilat und dem Ramon International Airport mit der Technik ausgestattet werden.

In Schweden werden E-Autos und E-Trucks bereits während der Fahrt geladen, hier wird aber nicht auf Induktion gesetzt: Ein beweglicher Arm dockt unten an das E-Auto an und lädt es während der Fahrt auf. Die zwei Kilometer lange Strecke befindet sich in der Nähe von Stockholm. Endet die Ladestrecke, wird der Arm automatisch vom E-Auto getrennt. Schweden will mit dem Test zum Ziel beitragen, bis 2030 komplett unabhängig von fossilen Brennstoffen zu sein.

50 Millionen Euro für Teststrecken in Deutschland

Auch hierzulande wird mit dem Laden während der Fahrt experimentiert – doch derzeit beschränkt auf LKW: Seit Anfang Mai 2019 fahren auf der A5 in Hessen zwischen Langen/Mörfelden und Weiterstadt verschiedene Hybrid-Lastwagen. Sie docken mit Stromabnehmern an Oberleitungen an, die in beiden Fahrtrichtungen auf einer Strecke von je fünf Kilometern installiert wurden. Bis 2022 sollen Daten gesammelt werden, die dann über einen weiteren Ausbau entscheiden sollen. Auch in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg entstehen ähnliche Strecken, in die das Bundesumweltministerium rund 50 Millionen Euro investiert.

Rachid Ait Bouhou vom BEM steht diesem teuren und aufwändigen Projekt allerdings skeptisch gegenüber: „Von den Tests mit Oberleitungen bin ich überhaupt nicht überzeugt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man die Straßen oder zumindest Autobahnen in Deutschland großflächig mit der Technologie ausstatten kann und will.“

Problem: Kompatibilität aller Autos und Ladetechnologien

Dass sich das induktive Laden während der Fahrt wohl auch in nächster Zeit nicht durchsetzen wird, erklärt Rachid Ait Bouhou: „Das größte Problem ist, alle Stakeholder an einen Tisch zu bekommen. Für den fließenden Verkehr braucht man ja eine Normierung und die ist sehr zeitaufwändig. Alle Fahrzeugtypen von allen Herstellern müssen mit dem gleichen System ausgestattet sein, Strahlung und Sicherheitsaspekte müssten abgestimmt werden.“

Dennoch sieht er Ansätze, bei denen man mit solchen Tests starten könnte, etwa bei Taxis: „In der Standzone hat der Taxifahrer mit dem E-Auto ja keine Kabeltrommel dabei. Über induktives Laden könnte er die ganze Zeit, die er in der Standzone verbringt, sinnvoll nutzen.“ Auch beim Carsharing oder bei KEP-Dienstleistern sieht Rachid Ait Bouhou Chancen: „Überall dort, wo Fahrzeuge immer wieder länger an einem Ort stehen, wird sich das induktive Laden durchsetzen. Stationäre induktive Lösungen sind dort in den nächsten fünf Jahren zu erwarten.“

Noch eine Zukunftsvision: Leitender Beton aus München als Lösung?

Eine Innovation, die das Laden während der Fahrt ermöglicht, hat laut Rachid Ait Bouhou das Münchner Unternehmen Magment entwickelt: „Das ist eine spannende Lösung mit leitendem Beton: Straßenzüge, die erneuert werden, könnten gleich mit leitendem, statt normalem Beton, erneuert werden“, sagt er. Die patentierte Materialtechnologie verwendet magnetisierbaren Beton, der aus Zement und magnetischen Partikeln aus recyceltem Elektronikschrott hergestellt wird. Die Energie wird drahtlos übertragen und könnte E-Autos somit während der Fahrt laden – ohne dass Bodenplatten eingebaut und ausgetauscht werden müssen. Derzeit entwickelt die Firma mehrere Projekte in Deutschland, Finnland und China.

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