Frauen in der Logistik: „Ich wollte mich nie in einen Frauenberuf reindrücken lassen“
Die Logistik gilt nach wie vor als Männerdomäne. In unserer Serie „Frauen in der Logistik“ stellen wir regelmäßig Mitarbeiterinnen aus den unterschiedlichsten Bereichen vor. Diesmal: Diana Eberhardt aus der LKW-Abfertigung am Logistik-Center Friedewald.
„Rauer Ton? Ich bin freundlich“
Diana sitzt an vorderster Front: Wer mit dem LKW auf den Hof des Hermes-Logistikzentrums Friedewald fahren möchte, muss an ihr und ihren Kolleg*innen vorbei. Vier Frauen, drei Männer – hier an der Pforte ist die Logistik nicht komplett in männlicher Hand. Weibliche LKW-Fahrer sind aber immer noch eine Seltenheit, von den Fahrern bekommt Diana auch mal einen Spruch gedrückt. „Natürlich ist da der Ton manchmal rauer, aber ich habe mir eine harte Schale aufgebaut und kann das gut an mir abprallen lassen. Außerdem sage ich mir dann: Der meint nicht mich persönlich, sondern hat sich über etwas anderes geärgert“, sagt Diana. „Zum Beispiel, wenn gerade kein Platz auf dem Hof ist oder die Tour des Fahrers nicht sofort im System zu finden ist, kommt es schon vor, dass jemand ungeduldig wird. Aber wo andere zurückschrecken, mache ich einen Schritt nach vorn.“ Wenn sie dann ganz freundlich antwortet, ändert sich die Stimmung schon von ganz allein.
Im Logistik-Center ist Multitasking gefragt
Die meisten Fahrer sind nett und freundlich – und manche haben zur Freude der Hundeliebhaberin sogar ihre vierbeinigen Kollegen dabei. Viel Zeit für einen kurzen Tierplausch bleibt selten. Bei bis zu 150 LKW pro Schicht ist viel zu tun: Diana und ihre Kolleg*innen kümmern sich um den Warenein- sowie -ausgang und kontrollieren bei jedem LKW, ob Ladung und Frachtbriefe mit den Daten im System übereinstimmen. „Da ist oft Multitasking gefragt, aber das können wir Frauen ja sowieso besser“, sagt sie mit einem Schmunzeln. „Wenn viel los ist, werde ich eher ruhig, beende erst einmal eine Sache und widme mich dann der nächsten Aufgabe. Wenn man zu hektisch wird, passieren leicht Fehler“, sagt sie.
Ihre Malerkarriere scheiterte an einem banalen Grund
Der Job macht ihr Spaß, ursprünglich kommt sie aber aus einer ganz anderen Ecke. Ihre Ausbildung hat sie in einem Maler- und Lackierbetrieb gemacht. „Typische Männerberufe und viel Handwerk fand ich schon immer interessant. Am Schreibtisch im Büro habe ich mich überhaupt nicht gesehen: In so einen klassischen Frauenberuf wollte ich mich nie reindrücken lassen.“ In der Malerei ging es dann aber für sie nicht weiter, aus einem banalen Grund: „Es hätte auf den Baustellen getrennte Toiletten für Männer und Frauen geben müssen – das war zu kompliziert. Heute unvorstellbar, aber so war das Ende der 90er.“ Also ging es mit anderen „Männerberufen“ weiter: Sprinterfahren im Elektro-Großhandel, verschiedene Jobs bei einem Zeitarbeitsunternehmen, Staplerfahren in der Halle bei einem Logistiker.
„Ich will nicht in meiner Komfortzone bleiben“
2013 kam sie zu Hermes – und blieb. „Das war spezieller und sehr hautnah am Kunden, das fand ich gut“, sagt sie. Angefangen hat sie im Lager, beispielsweise beim Be- und Entladen von Wechselaufbaubrücken. Anschließend kümmerte sie sich im Bereich Parcel Clearing um Retourensendungen, die nicht mit den Scannern gelesen werden konnten. Wegen ihrer kaufmännischen Weiterbildung konnte sie im Sommer 2018 in die Abfertigung wechseln. Wenn es nach ihr geht, muss das nicht die letzte Station sein. Im Leitstand und in der Disposition gäbe es noch einige Jobs, die ihr gut gefallen würden. Sie hat sich auch schon beworben – dass es beim ersten Mal nichts wurde, demotiviert sie nicht: „Ich gebe nicht so schnell auf. Wenn sich eine Chance bietet, näher am Geschehen zu sein, ergreife ich sie. Ich will nicht in meiner Komfortzone bleiben“, sagt Diana. Sie erlebt, dass viele Männer mit mehr Leichtigkeit an die Sache herangehen, wenn es zum Beispiel darum geht, dass eine Stelle eine ganz neue Tätigkeit verlangt. „Männer sagen: Ich kann das. Frauen oft: Ich weiß nicht. Ich sage: Für mich ist das eine Herausforderung, die würde ich gerne für mich selber annehmen.“
In Friedewald ist rund um die Uhr zu tun
Bis sich etwas Neues ergibt, ist sie in ihrem Job an der Pforte absolut zufrieden – weil er auch spannende und einmalige Seiten hat: „Wir bedienen ja auch das sogenannte Ultra-Netz: Bis 24:00 Uhr übergebene Sendungen gehen nachts im Sprinter raus zu den Standorten und werden am Folgetag ausgeliefert.“ Da als Rädchen in diesem großen Mechanismus mitzuwirken, spornt Diana an. Nicht nur dadurch ist am Standort immer was los. Deshalb arbeitet sie in drei Schichten, „das ist mit Familie manchmal anstrengend, aber das ist ja in jedem Job so, der im Schichtsystem funktioniert.“
Familie, Hund und Haus als Ausgleich
Weil sie dadurch nicht jeden Donnerstag pünktlich nach Feierabend einen Sportkurs besuchen kann, ist ihr Hund der Ausgleich: „Mit ihm muss ich ja raus, dann gehen wir eine Runde in den Wald, das tut gut.“ Er habe sich schon voll auf ihr Schichtsystem eingestellt: „Er weiß genau, wann wir rausgehen. Wenn ich Nachtschicht hatte, lässt er mich schlafen, das ist faszinierend.“ Doch Diana hat noch einen zweiten Ausgleich: Sie hat ein paar Kilometer von Friedewald entfernt ein Haus gekauft. Da es 1974 gebaut wurde, ist sie gerade dabei, es zusammen mit ihrer Familie zu renovieren. „Da kann ich dann richtig handwerkern und anpacken“, sagt sie.