Frauen in der Logistik „Für die Reduzierung unserer CO2-Emissionen brauchen wir Daten“

Lena Pinkerneil (32) arbeitet als IT Product Owner Carbon Accounting bei Hermes Germany – eine wichtige Schnittstelle in puncto Klimaschutzmaßnahmen. Anhand von gesammelten Daten kann sie Rückschlüsse ziehen, damit sämtliche Bereiche von Lieferketten bis Letzte Meile nachhaltiger gestaltet werden.
Lena Pinkerneil von Hermes Germany

Lena Pinkerneil, IT Product Owner Carbon Accounting bei Hermes Germany (Foto: Hermes Germany)

Die Logistik gilt nach wie vor als Männerdomäne. In unserer Serie „Frauen in der Logistik“ stellen wir regelmäßig Mitarbeiterinnen aus den unterschiedlichsten Bereichen vor. Diesmal: Lena Pinkerneil, IT Product Owner Carbon Accounting.

Lena, du arbeitest seit Anfang 2022 bei Hermes als IT Product Owner Carbon Accounting. Was verbirgt sich hinter deinem Jobtitel genau?

Lena Pinkerneil: Ich bin dafür verantwortlich, dass das CO2-Reporting bei Hermes Germany technisch funktioniert: Dazu zählt die Weiterentwicklung und der Betrieb unserer Softwarelösung sowie die Bereitstellung von CO2-Reportings und Analysen für unsere Stakeholder. Beispielsweise stellen wir Auftraggebern bereits seit Längerem detaillierte Reportings zur Verfügung. Sie erhalten damit einen Einblick in die CO2-Emissionen, die durch den Transport ihrer Sendungen entstehen.

Was hast du vor deiner Zeit bei Hermes Germany gemacht?
Lena Pinkerneil: Ich habe Wirtschaftsinformatik studiert und war knapp fünf Jahre in einer Unternehmensberatung angestellt. Ich habe mich um verschiedene Bereiche gekümmert, unter anderem um Software-Entwicklung und IT-Architektur.

Bleiben wir mal beim aktuellen Job: Wie umfangreich sind diese CO2-Reportings, für die du verantwortlich bist?

Lena Pinkerneil: Wir berechnen die Emissionen für jeden einzelnen Transportabschnitt einer Sendung. Diese werden für verschiedene Zwecke benötigt, etwa wie erwähnt für Auftraggeber-Reportings, das Hermes interne CO2-Reporting und zukünftig auch für verpflichtende Berichterstattungen wie etwa die Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz CSRD. Leitfragen dabei lauten: Wie entwickeln sich unsere CO2-Emissionen? Wie wirken sich die verschiedenen Einflussfaktoren auf unsere CO2-Emissionen aus? Wo können wir CO2-Ausstoß reduzieren und welchen Effekt haben initiierte Reduktionsmaßnahmen? An dieser Stelle sei auch einmal erwähnt, dass wir bei CO2-Emissionen eigentlich immer von CO2e-Emissionen sprechen. CO2e steht für CO2-Äquivalente. Das heißt, dass wir nicht nur Kohlenstoffdioxid, sondern auch andere Klimagase in unsere Reportings einbeziehen, umgerechnet in CO2-Äquivalente.

Wie ist denn der „CO2-Fußabdruck“ definiert?

Lena Pinkerneil: Das ist eine sehr gute Frage. Wir berechnen den CO2-Fußbabdruck pro Sendung, allerdings gibt es ja verschiedene Arten von Sendungen. Umfasst der CO2-Fußbabdruck nur Zustellsendungen oder auch – die meist leichteren – Retouren, handelt es sich eher um leichte oder schwere Pakete, gehören auch Briefe dazu? Das Problem bei der Kennzahl „CO2 pro Sendung“ sehe ich in der fehlenden Information zum Paketgewicht – ohne diese Information ist eine Vergleichbarkeit nicht gegeben. Wir sind dazu übergegangen, dass wir uns zusätzlich auch die CO2-Emissionen pro Kilogramm Sendungsgewicht anschauen.

„Wir erfassen die CO2-Emissionen für jede einzelne Sendung“

Wie kommt ihr zu euren Daten? Und welche sind für euch relevant?

Lena Pinkerneil: Ganz vereinfacht gesagt benötigt man die zurückgelegte Distanz jeder Sendung, das Sendungsgewicht und Informationen über den Kraftstoffverbrauch der eingesetzten Fahrzeuge. Wir verwenden dafür unter anderem die Scans einer Sendung, gemessene Gewichte, Informationen zu den Transporten auf der Langen Strecke, Distanzen und Auslastungen der Letzte-Meile-Touren, die Fahrzeugflotte, Auftraggeber-Zuordnungen, Emissionsfaktoren und Verbräuche der logistischen Standorte. Diese Daten liegen in unterschiedlichen Quellsystemen vor und werden von uns in einem Data Warehouse integriert und für die Berechnung der CO2-Emissionen aufbereitet.

Noch einmal nachgefragt: Ihr erfasst wirklich diese Daten für jede einzelne Sendung?

Lena Pinkerneil: Ja, genauer gesagt für jeden einzelnen Transportabschnitt einer Sendung. Dies ermöglicht uns detailliertere Analysen und Auswertungen.

Lena Pinkerneil von Hermes Germany
Lena Pinkerneil ist dafür verantwortlich, dass das CO2-Reporting bei Hermes Germany technisch funktioniert (Foto: Hermes Germany)

Laut KEP-Studie wurden 2022 in Deutschland rund 4,2 Milliarden Sendungen transportiert. Von wie vielen Daten sprechen wir bei Hermes?

Lena Pinkerneil: Zur Einordnung der Datenmenge: Da wir für jede Sendung mehrere Datensätze erzeugen, sprechen wir hier von Milliarden von Datensätzen pro Jahr.

Einmal für Laien erklärt: Wie kann man Milliarden von Daten analysieren? Ihr schaut bestimmt nicht in jeden einzelnen Datensatz rein, oder?

Lena Pinkerneil: Bei uns werden die Daten in der Cloud in einem Data Warehouse gespeichert. Wir nutzen primär die Datenbanksprache SQL sowie Python zur Datenintegration, -transformation sowie für die Berechnung der CO2-Emissionen. Dadurch entstehen die erwähnten großen Datenmengen, die wir dann für verschiedene Zwecke aggregieren, sodass performante Abfragen erstellt werden können. Die Bereitstellung von Reportings und Analysen erfolgt dann bedarfsgerecht über ein Visualisierungs-Tool, das zum Beispiel die Erstellung von Diagrammen, Tabellen und auch interaktives Arbeiten mit den Daten ermöglicht.

„Es ist schön zu sehen, wie groß das Interesse an den CO2-Daten ist“

Gibt es seitens der geschäftlichen Auftraggeber strenge Vorgaben in Sachen Einsparung von CO2-Emissionen?

Lena Pinkerneil: Viele unserer Auftraggeber haben das Ziel, CO2-Emissionen einzusparen, und sich dazu wissenschaftlich basierte Ziele, beruhend auf der mittlerweile recht bekannten Science-Based-Targets-Initiative, zur Reduktion der CO2-Emissionen gesetzt, um damit – im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen – die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Dafür müssen sie volle Transparenz über ihre CO2-Emissionen haben, zu denen eben auch die Emissionen gehören, die wir durch den Transport der Sendungen verursachen. Neben der Schaffung von Transparenz ist aber auch die Reduktion dieser sogenannten Scope-3-Emissionen eine Anforderung an uns.

Das Sammeln von Daten ist streng genommen nur die Hälfte der Arbeit: Wie wertet ihr diese Zahlen aus und welche Rückschlüsse zieht ihr, um CO2 bei Hermes Germany einzusparen?

Lena Pinkerneil: Unsere Datengrundlage ermöglicht es uns, zu identifizieren, welche Mengen an CO2-Emissionen in den verschiedenen Prozessschritten entstehen. Außerdem können wir die Treiber und auch die Entwicklung unserer CO2-Emissionen im Detail analysieren. Spannend wird es auch dann, wenn wir Szenarien erstellen und für diese dann die Auswirkungen auf unsere Emissionen berechnen. Zum Beispiel: Wenn sich durch Veränderungen in einem Prozess A fünf Prozent Einsparungen in den Transport-Distanzen ergeben, wie wirkt sich das auf die Emissionen aus? Ein seit einiger Zeit sehr interessanter Case ist natürlich auch die Elektrifizierung der Letzten Meile.

Hermes Germany setzt sich zum Ziel, 80 deutsche Innenstädte bis Ende 2025 lokal emissionsfrei auf der Letzten Meile zu beliefern. Was hat es mit dem aktuellen Projekt „Green Delivery Hamburg“ auf sich?

Lena Pinkerneil: In Hamburg wird die emissionsfreie Zustellung auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet, spätestens Ende 2023 sollen die Vorbereitungen abgeschlossen sein. Die Zustellungen an die Haustür sowie an die Hermes PaketShops erfolgen dann ausschließlich mit E-Fahrzeugen und Cargobikes. Im Stadtteil Billbrook wurde dafür ein E-Mobility-Hub gebaut, der die Basis für die notwendige Ladeinfrastruktur bildet. Und auch in vielen anderen Städten arbeiten die Kolleg*innen daran, die grüne Zustellung immer weiter voranzutreiben.

Dafür werden wahrscheinlich auch wieder viele Daten erhoben.

Lena Pinkerneil: Natürlich. Es ist schön zu sehen, wie groß das Interesse an den CO2-Daten ist und dass auf Basis der Daten auch Maßnahmen identifiziert, bewertet und umgesetzt werden. Das ist eine tolle Motivation für unser Team.

Vielen Dank für das Gespräch!

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